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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Der badische Landtag von 1831.
Presse nicht frei verfügen, da er sich selbst die Hände gebunden hatte. Der
§ 17 der Verfassung bestimmte: "Die Preßfreiheit wird nach den künftigen
Bestimmungen der Bundesversammlung gehandhabt werden." Wollten die
Badener also die drückende Fessel der Censur zerbrechen, so mußten sie
versuchen, den Bundestag zuvor zur Aufhebung des Karlsbader Preßge-
setzes zu bewegen. Dieser einzige gesetzliche Weg war freilich ganz un-
gangbar, und als der Abgeordnete Schaaff gleichwohl ihn zu betreten
rieth, erwiderte Welcker grimmig, das hieße ein Gaukelspiel mit dem
badischen Volke treiben. Da die rechtliche Unmöglichkeit auf flacher Hand
lag, so griff der Antragsteller in seinem Feuereifer zu sophistischen Aus-
legungskünsten, die dem grundehrlichen Manne übel anstanden. Welcker
meinte frischweg: jener ganz unzweideutige Verfassungsartikel bedeute
eigentlich das Gegentheil, er bedeute, daß die Preßfreiheit, nicht die Preß-
sklaverei, den Badenern versprochen sei und mithin auch gegen den Willen
des Bundestags eingeführt werden müsse. Noch mehr, er behauptete
sogar, das Bundespreßgesetz verlange nur, daß keine Schrift unter zwan-
zig Bogen "ohne Vorwissen und vorgängige Genehmigung der Landes-
behörden" gedruckt werden dürfe, folglich sei die Censur von Bundeswegen
nicht anbefohlen, ihr Name komme ja in dem Gesetze gar nicht vor!
Es war ein häßliches Advokatengezänk, und mit gutem Grunde erklärte
man im Berliner Auswärtigen Amte diese Beweisführungen der badischen
Liberalen für "wahrhaft jesuitisch".*)

Jener ehrenwerthe Abscheu gegen die anonyme Schriftstellerei, der
noch vor zwölf Jahren in der Karlsruher Kammer vorgeherrscht hatte,
war jetzt, nach so widerwärtigen Verfolgungen, gründlich zerstört. Welcker
sprach noch pathetisch von der Pflicht des freien Bürgers, für seine Worte
einzustehen, doch er forderte nur, daß der Drucker oder der Verleger sich
nennen müsse, und erkannte also die Anonymität der Zeitungsschreiber
als Regel an. Zum Schluß rief er drohend: wenn die Minister nicht
ein Preßgesetz vorlegen, "so setzen sie sich der Anklage des Verraths gegen
das Volk und den Fürsten aus." Rotteck stimmte dem Freunde fröhlich
bei und predigte ungescheut die Auflehnung gegen den Deutschen Bund;
denn seit der Bundestag sein Recht zur Regelung der Preßfreiheit so
schnöde mißbraucht hatte, sahen sich die Liberalen, wenn sie nicht sehr
weit blickten, fast gezwungen, das Panier des rohen Particularismus zu
erheben. "Der Deutsche Bund ist ein bloßes Factum für uns" -- so
meinte Rotteck -- nicht mit uns ist der Bundesvertrag geschlossen worden,
sondern nur zwischen den Fürsten, darum erkennen wir nur ein zweifaches
Gesetz an: "das ewige Vernunftrecht und unsere Landesconstitution."
Dann pries er die vox populi vox Dei und versicherte in gläubiger
Unschuld, es sei rein unmöglich, daß die Presse jemals schlecht werde.

*) Frankenberg's Bericht, 4. Febr. 1832.

Der badiſche Landtag von 1831.
Preſſe nicht frei verfügen, da er ſich ſelbſt die Hände gebunden hatte. Der
§ 17 der Verfaſſung beſtimmte: „Die Preßfreiheit wird nach den künftigen
Beſtimmungen der Bundesverſammlung gehandhabt werden.“ Wollten die
Badener alſo die drückende Feſſel der Cenſur zerbrechen, ſo mußten ſie
verſuchen, den Bundestag zuvor zur Aufhebung des Karlsbader Preßge-
ſetzes zu bewegen. Dieſer einzige geſetzliche Weg war freilich ganz un-
gangbar, und als der Abgeordnete Schaaff gleichwohl ihn zu betreten
rieth, erwiderte Welcker grimmig, das hieße ein Gaukelſpiel mit dem
badiſchen Volke treiben. Da die rechtliche Unmöglichkeit auf flacher Hand
lag, ſo griff der Antragſteller in ſeinem Feuereifer zu ſophiſtiſchen Aus-
legungskünſten, die dem grundehrlichen Manne übel anſtanden. Welcker
meinte friſchweg: jener ganz unzweideutige Verfaſſungsartikel bedeute
eigentlich das Gegentheil, er bedeute, daß die Preßfreiheit, nicht die Preß-
ſklaverei, den Badenern verſprochen ſei und mithin auch gegen den Willen
des Bundestags eingeführt werden müſſe. Noch mehr, er behauptete
ſogar, das Bundespreßgeſetz verlange nur, daß keine Schrift unter zwan-
zig Bogen „ohne Vorwiſſen und vorgängige Genehmigung der Landes-
behörden“ gedruckt werden dürfe, folglich ſei die Cenſur von Bundeswegen
nicht anbefohlen, ihr Name komme ja in dem Geſetze gar nicht vor!
Es war ein häßliches Advokatengezänk, und mit gutem Grunde erklärte
man im Berliner Auswärtigen Amte dieſe Beweisführungen der badiſchen
Liberalen für „wahrhaft jeſuitiſch“.*)

Jener ehrenwerthe Abſcheu gegen die anonyme Schriftſtellerei, der
noch vor zwölf Jahren in der Karlsruher Kammer vorgeherrſcht hatte,
war jetzt, nach ſo widerwärtigen Verfolgungen, gründlich zerſtört. Welcker
ſprach noch pathetiſch von der Pflicht des freien Bürgers, für ſeine Worte
einzuſtehen, doch er forderte nur, daß der Drucker oder der Verleger ſich
nennen müſſe, und erkannte alſo die Anonymität der Zeitungsſchreiber
als Regel an. Zum Schluß rief er drohend: wenn die Miniſter nicht
ein Preßgeſetz vorlegen, „ſo ſetzen ſie ſich der Anklage des Verraths gegen
das Volk und den Fürſten aus.“ Rotteck ſtimmte dem Freunde fröhlich
bei und predigte ungeſcheut die Auflehnung gegen den Deutſchen Bund;
denn ſeit der Bundestag ſein Recht zur Regelung der Preßfreiheit ſo
ſchnöde mißbraucht hatte, ſahen ſich die Liberalen, wenn ſie nicht ſehr
weit blickten, faſt gezwungen, das Panier des rohen Particularismus zu
erheben. „Der Deutſche Bund iſt ein bloßes Factum für uns“ — ſo
meinte Rotteck — nicht mit uns iſt der Bundesvertrag geſchloſſen worden,
ſondern nur zwiſchen den Fürſten, darum erkennen wir nur ein zweifaches
Geſetz an: „das ewige Vernunftrecht und unſere Landesconſtitution.“
Dann pries er die vox populi vox Dei und verſicherte in gläubiger
Unſchuld, es ſei rein unmöglich, daß die Preſſe jemals ſchlecht werde.

*) Frankenberg’s Bericht, 4. Febr. 1832.
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[231/0245] Der badiſche Landtag von 1831. Preſſe nicht frei verfügen, da er ſich ſelbſt die Hände gebunden hatte. Der § 17 der Verfaſſung beſtimmte: „Die Preßfreiheit wird nach den künftigen Beſtimmungen der Bundesverſammlung gehandhabt werden.“ Wollten die Badener alſo die drückende Feſſel der Cenſur zerbrechen, ſo mußten ſie verſuchen, den Bundestag zuvor zur Aufhebung des Karlsbader Preßge- ſetzes zu bewegen. Dieſer einzige geſetzliche Weg war freilich ganz un- gangbar, und als der Abgeordnete Schaaff gleichwohl ihn zu betreten rieth, erwiderte Welcker grimmig, das hieße ein Gaukelſpiel mit dem badiſchen Volke treiben. Da die rechtliche Unmöglichkeit auf flacher Hand lag, ſo griff der Antragſteller in ſeinem Feuereifer zu ſophiſtiſchen Aus- legungskünſten, die dem grundehrlichen Manne übel anſtanden. Welcker meinte friſchweg: jener ganz unzweideutige Verfaſſungsartikel bedeute eigentlich das Gegentheil, er bedeute, daß die Preßfreiheit, nicht die Preß- ſklaverei, den Badenern verſprochen ſei und mithin auch gegen den Willen des Bundestags eingeführt werden müſſe. Noch mehr, er behauptete ſogar, das Bundespreßgeſetz verlange nur, daß keine Schrift unter zwan- zig Bogen „ohne Vorwiſſen und vorgängige Genehmigung der Landes- behörden“ gedruckt werden dürfe, folglich ſei die Cenſur von Bundeswegen nicht anbefohlen, ihr Name komme ja in dem Geſetze gar nicht vor! Es war ein häßliches Advokatengezänk, und mit gutem Grunde erklärte man im Berliner Auswärtigen Amte dieſe Beweisführungen der badiſchen Liberalen für „wahrhaft jeſuitiſch“. *) Jener ehrenwerthe Abſcheu gegen die anonyme Schriftſtellerei, der noch vor zwölf Jahren in der Karlsruher Kammer vorgeherrſcht hatte, war jetzt, nach ſo widerwärtigen Verfolgungen, gründlich zerſtört. Welcker ſprach noch pathetiſch von der Pflicht des freien Bürgers, für ſeine Worte einzuſtehen, doch er forderte nur, daß der Drucker oder der Verleger ſich nennen müſſe, und erkannte alſo die Anonymität der Zeitungsſchreiber als Regel an. Zum Schluß rief er drohend: wenn die Miniſter nicht ein Preßgeſetz vorlegen, „ſo ſetzen ſie ſich der Anklage des Verraths gegen das Volk und den Fürſten aus.“ Rotteck ſtimmte dem Freunde fröhlich bei und predigte ungeſcheut die Auflehnung gegen den Deutſchen Bund; denn ſeit der Bundestag ſein Recht zur Regelung der Preßfreiheit ſo ſchnöde mißbraucht hatte, ſahen ſich die Liberalen, wenn ſie nicht ſehr weit blickten, faſt gezwungen, das Panier des rohen Particularismus zu erheben. „Der Deutſche Bund iſt ein bloßes Factum für uns“ — ſo meinte Rotteck — nicht mit uns iſt der Bundesvertrag geſchloſſen worden, ſondern nur zwiſchen den Fürſten, darum erkennen wir nur ein zweifaches Geſetz an: „das ewige Vernunftrecht und unſere Landesconſtitution.“ Dann pries er die vox populi vox Dei und verſicherte in gläubiger Unſchuld, es ſei rein unmöglich, daß die Preſſe jemals ſchlecht werde. *) Frankenberg’s Bericht, 4. Febr. 1832.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/245>, abgerufen am 29.03.2024.