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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 3. Preußens Mittelstellung.
"ich halte die deutschen Angelegenheiten in seiner Hand nicht gut, und
durch ihn Uneinigkeit mit Oesterreich nur zu möglich." *) Wegen der
Verstärkung des Staatsraths erbat sich der Herzog die Vorschläge von
Kamptz. Der aber erwiderte ingrimmig: "es ist ebenso bedauerlich als
wahr, daß der hiesige höhere Staatsdienerstand nur so wenige, ich möchte
sagen: keine zwei, ganz zuverlässige Personen zu dem gedachten Zwecke
enthält;" auch in den Provinzen ließ er nur einzelne Beamte als "bom-
benfest" gelten. Dagegen war der alte Bankpräsident Friese sogleich mit
einer ganzen Reihe bedeutender Namen bei der Hand; er nannte Männer
wie Boyen, Schleiermacher, Präsident Grolman, General Rühle, und
der Herzog rief entsetzt: "In welche Gesellschaft würden wir durch diese
Vorschläge gerathen!" **) Der König sah dem unruhigen Treiben seines
Schwagers gelassen zu. Nur einmal wurde er gegen Eichhorn mißtrauisch,
da die Hofburg die Anschwärzungen der Mecklenburger unterstützte, und
ließ ihm unter der Hand eine Oberpräsidentenstelle, welche er wolle, an-
bieten. Eichhorn erwiderte einfach: mein Amt steht zur Verfügung Sr.
Majestät, aber ohne Befehl gebe ich es nicht auf. Dabei blieb es; zu
einer ungerechten Kränkung konnte sich Friedrich Wilhelm doch nicht ent-
schließen.

Nach einem langen widerwärtigen Ränkespiele begann Herzog Karl zu
fürchten, daß sein königlicher Schwager vielleicht ihn selber beim Worte
nehmen, eines seiner Abschiedsgesuche bewilligen würde. ***) Darum be-
ruhigte er sich endlich, und von allen ihren Anschlägen blieb der mecklen-
burgischen Partei nichts übrig als ein halber Erfolg, den sie bei der Wie-
derbesetzung des Justizministeriums noch errang. Als höchster Beamter
des Departements hatte Kamptz dies Amt nach Danckelmann's Tode ein
Jahr lang mit seinem gewohnten ungeheuren Fleiße vorläufig verwaltet.
Der König mochte den verdienten Beamten nicht gradeswegs zurücksetzen
und entschied sich wieder für eine Theilung des Ministeriums. Kamptz
erhielt (Februar 1832) die Leitung der Gesetz-Revision -- eine Aufgabe,
die für diesen gründlichsten Kenner aller preußischen Particular-Rechte
wie geschaffen schien -- und zugleich die Aufsicht über die rheinische
Rechtspflege, da die Revision zunächst in den Rheinlanden durchgeführt
werden sollte. Für die Justizverwaltung der übrigen Provinzen wurde
Mühler berufen, ein Jurist von ungleich freieren Ansichten.

Eine eigenthümliche Mittelstellung behaupteten die königlichen Prinzen
in diesem Parteikampfe. Den Krieg gegen Frankreich wünschten sie alle-
sammt, weil sie alle in den Erinnerungen von Belle Alliance lebten, die

*) H. Karl v. M. Denkschriften für den König, 23. Apr., 23. 28. Juni, 5. Nov.;
an Lottum 27. Oct.; an Wittgenstein 8. Juli; Großh. Georg an H. Karl, 26. Juni,
3. Juli 1831.
**) Kamptz an H. Karl 19. Juli; Friese an H. Karl 23. Oct. 1831.
***) Lottum an Herzog Karl 20. Oct. 1831.

IV. 3. Preußens Mittelſtellung.
„ich halte die deutſchen Angelegenheiten in ſeiner Hand nicht gut, und
durch ihn Uneinigkeit mit Oeſterreich nur zu möglich.“ *) Wegen der
Verſtärkung des Staatsraths erbat ſich der Herzog die Vorſchläge von
Kamptz. Der aber erwiderte ingrimmig: „es iſt ebenſo bedauerlich als
wahr, daß der hieſige höhere Staatsdienerſtand nur ſo wenige, ich möchte
ſagen: keine zwei, ganz zuverläſſige Perſonen zu dem gedachten Zwecke
enthält;“ auch in den Provinzen ließ er nur einzelne Beamte als „bom-
benfeſt“ gelten. Dagegen war der alte Bankpräſident Frieſe ſogleich mit
einer ganzen Reihe bedeutender Namen bei der Hand; er nannte Männer
wie Boyen, Schleiermacher, Präſident Grolman, General Rühle, und
der Herzog rief entſetzt: „In welche Geſellſchaft würden wir durch dieſe
Vorſchläge gerathen!“ **) Der König ſah dem unruhigen Treiben ſeines
Schwagers gelaſſen zu. Nur einmal wurde er gegen Eichhorn mißtrauiſch,
da die Hofburg die Anſchwärzungen der Mecklenburger unterſtützte, und
ließ ihm unter der Hand eine Oberpräſidentenſtelle, welche er wolle, an-
bieten. Eichhorn erwiderte einfach: mein Amt ſteht zur Verfügung Sr.
Majeſtät, aber ohne Befehl gebe ich es nicht auf. Dabei blieb es; zu
einer ungerechten Kränkung konnte ſich Friedrich Wilhelm doch nicht ent-
ſchließen.

Nach einem langen widerwärtigen Ränkeſpiele begann Herzog Karl zu
fürchten, daß ſein königlicher Schwager vielleicht ihn ſelber beim Worte
nehmen, eines ſeiner Abſchiedsgeſuche bewilligen würde. ***) Darum be-
ruhigte er ſich endlich, und von allen ihren Anſchlägen blieb der mecklen-
burgiſchen Partei nichts übrig als ein halber Erfolg, den ſie bei der Wie-
derbeſetzung des Juſtizminiſteriums noch errang. Als höchſter Beamter
des Departements hatte Kamptz dies Amt nach Danckelmann’s Tode ein
Jahr lang mit ſeinem gewohnten ungeheuren Fleiße vorläufig verwaltet.
Der König mochte den verdienten Beamten nicht gradeswegs zurückſetzen
und entſchied ſich wieder für eine Theilung des Miniſteriums. Kamptz
erhielt (Februar 1832) die Leitung der Geſetz-Reviſion — eine Aufgabe,
die für dieſen gründlichſten Kenner aller preußiſchen Particular-Rechte
wie geſchaffen ſchien — und zugleich die Aufſicht über die rheiniſche
Rechtspflege, da die Reviſion zunächſt in den Rheinlanden durchgeführt
werden ſollte. Für die Juſtizverwaltung der übrigen Provinzen wurde
Mühler berufen, ein Juriſt von ungleich freieren Anſichten.

Eine eigenthümliche Mittelſtellung behaupteten die königlichen Prinzen
in dieſem Parteikampfe. Den Krieg gegen Frankreich wünſchten ſie alle-
ſammt, weil ſie alle in den Erinnerungen von Belle Alliance lebten, die

*) H. Karl v. M. Denkſchriften für den König, 23. Apr., 23. 28. Juni, 5. Nov.;
an Lottum 27. Oct.; an Wittgenſtein 8. Juli; Großh. Georg an H. Karl, 26. Juni,
3. Juli 1831.
**) Kamptz an H. Karl 19. Juli; Frieſe an H. Karl 23. Oct. 1831.
***) Lottum an Herzog Karl 20. Oct. 1831.
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[196/0210] IV. 3. Preußens Mittelſtellung. „ich halte die deutſchen Angelegenheiten in ſeiner Hand nicht gut, und durch ihn Uneinigkeit mit Oeſterreich nur zu möglich.“ *) Wegen der Verſtärkung des Staatsraths erbat ſich der Herzog die Vorſchläge von Kamptz. Der aber erwiderte ingrimmig: „es iſt ebenſo bedauerlich als wahr, daß der hieſige höhere Staatsdienerſtand nur ſo wenige, ich möchte ſagen: keine zwei, ganz zuverläſſige Perſonen zu dem gedachten Zwecke enthält;“ auch in den Provinzen ließ er nur einzelne Beamte als „bom- benfeſt“ gelten. Dagegen war der alte Bankpräſident Frieſe ſogleich mit einer ganzen Reihe bedeutender Namen bei der Hand; er nannte Männer wie Boyen, Schleiermacher, Präſident Grolman, General Rühle, und der Herzog rief entſetzt: „In welche Geſellſchaft würden wir durch dieſe Vorſchläge gerathen!“ **) Der König ſah dem unruhigen Treiben ſeines Schwagers gelaſſen zu. Nur einmal wurde er gegen Eichhorn mißtrauiſch, da die Hofburg die Anſchwärzungen der Mecklenburger unterſtützte, und ließ ihm unter der Hand eine Oberpräſidentenſtelle, welche er wolle, an- bieten. Eichhorn erwiderte einfach: mein Amt ſteht zur Verfügung Sr. Majeſtät, aber ohne Befehl gebe ich es nicht auf. Dabei blieb es; zu einer ungerechten Kränkung konnte ſich Friedrich Wilhelm doch nicht ent- ſchließen. Nach einem langen widerwärtigen Ränkeſpiele begann Herzog Karl zu fürchten, daß ſein königlicher Schwager vielleicht ihn ſelber beim Worte nehmen, eines ſeiner Abſchiedsgeſuche bewilligen würde. ***) Darum be- ruhigte er ſich endlich, und von allen ihren Anſchlägen blieb der mecklen- burgiſchen Partei nichts übrig als ein halber Erfolg, den ſie bei der Wie- derbeſetzung des Juſtizminiſteriums noch errang. Als höchſter Beamter des Departements hatte Kamptz dies Amt nach Danckelmann’s Tode ein Jahr lang mit ſeinem gewohnten ungeheuren Fleiße vorläufig verwaltet. Der König mochte den verdienten Beamten nicht gradeswegs zurückſetzen und entſchied ſich wieder für eine Theilung des Miniſteriums. Kamptz erhielt (Februar 1832) die Leitung der Geſetz-Reviſion — eine Aufgabe, die für dieſen gründlichſten Kenner aller preußiſchen Particular-Rechte wie geſchaffen ſchien — und zugleich die Aufſicht über die rheiniſche Rechtspflege, da die Reviſion zunächſt in den Rheinlanden durchgeführt werden ſollte. Für die Juſtizverwaltung der übrigen Provinzen wurde Mühler berufen, ein Juriſt von ungleich freieren Anſichten. Eine eigenthümliche Mittelſtellung behaupteten die königlichen Prinzen in dieſem Parteikampfe. Den Krieg gegen Frankreich wünſchten ſie alle- ſammt, weil ſie alle in den Erinnerungen von Belle Alliance lebten, die *) H. Karl v. M. Denkſchriften für den König, 23. Apr., 23. 28. Juni, 5. Nov.; an Lottum 27. Oct.; an Wittgenſtein 8. Juli; Großh. Georg an H. Karl, 26. Juni, 3. Juli 1831. **) Kamptz an H. Karl 19. Juli; Frieſe an H. Karl 23. Oct. 1831. ***) Lottum an Herzog Karl 20. Oct. 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/210>, abgerufen am 29.03.2024.