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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Die Gesellschaft war wieder im Gartensaal
versammelt. Auguste schien heiter und freund-
lich, doch hatte sie sich so fern von Willibald
gesetzt, wie es nur möglich war, welcher mit
verdrießlicher Miene und übertriebener Auf-
merksamkeit auf den Springbrunnen nach der
andern Seite blickte. Nachdem man einige Zeit
theils geschwiegen, theils in halber Verlegen-
heit unbedeutende Gespräche angefangen hatte,
die keine Wurzel fassen wollten, sagte Man-
fred: es ist zwar noch früh, meine Freunde,
indessen wird Ernst doch seine Vorlesung be-
ginnen können, die vielleicht längere Zeit aus-
füllt, und uns jene Heiterkeit wieder geben mag,
die der kleine Thomas, ich weiß nicht warum,
verscherzt hat.

Ernst erwiederte: Wir kennen alle ein Mähr-
chen, welches in leichter und anmuthiger Dar-
stellung uns ein Glück mahlt, das sich wohl
die meisten Menschen mehr als jeden andern
Besitz und Zustand wünschen möchten; dieses


Die Geſellſchaft war wieder im Gartenſaal
verſammelt. Auguſte ſchien heiter und freund-
lich, doch hatte ſie ſich ſo fern von Willibald
geſetzt, wie es nur moͤglich war, welcher mit
verdrießlicher Miene und uͤbertriebener Auf-
merkſamkeit auf den Springbrunnen nach der
andern Seite blickte. Nachdem man einige Zeit
theils geſchwiegen, theils in halber Verlegen-
heit unbedeutende Geſpraͤche angefangen hatte,
die keine Wurzel faſſen wollten, ſagte Man-
fred: es iſt zwar noch fruͤh, meine Freunde,
indeſſen wird Ernſt doch ſeine Vorleſung be-
ginnen koͤnnen, die vielleicht laͤngere Zeit aus-
fuͤllt, und uns jene Heiterkeit wieder geben mag,
die der kleine Thomas, ich weiß nicht warum,
verſcherzt hat.

Ernſt erwiederte: Wir kennen alle ein Maͤhr-
chen, welches in leichter und anmuthiger Dar-
ſtellung uns ein Gluͤck mahlt, das ſich wohl
die meiſten Menſchen mehr als jeden andern
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[[3]/0013] Die Geſellſchaft war wieder im Gartenſaal verſammelt. Auguſte ſchien heiter und freund- lich, doch hatte ſie ſich ſo fern von Willibald geſetzt, wie es nur moͤglich war, welcher mit verdrießlicher Miene und uͤbertriebener Auf- merkſamkeit auf den Springbrunnen nach der andern Seite blickte. Nachdem man einige Zeit theils geſchwiegen, theils in halber Verlegen- heit unbedeutende Geſpraͤche angefangen hatte, die keine Wurzel faſſen wollten, ſagte Man- fred: es iſt zwar noch fruͤh, meine Freunde, indeſſen wird Ernſt doch ſeine Vorleſung be- ginnen koͤnnen, die vielleicht laͤngere Zeit aus- fuͤllt, und uns jene Heiterkeit wieder geben mag, die der kleine Thomas, ich weiß nicht warum, verſcherzt hat. Ernſt erwiederte: Wir kennen alle ein Maͤhr- chen, welches in leichter und anmuthiger Dar- ſtellung uns ein Gluͤck mahlt, das ſich wohl die meiſten Menſchen mehr als jeden andern Beſitz und Zuſtand wuͤnſchen moͤchten; dieſes

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/13>, abgerufen am 20.04.2024.