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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Der Blaubart.
Claus. Und ich sage Euch, ich bin grade
in der rechten Stimmung, daß ich nichts darnach
frage.
Hugo. Wer bist du?
Claus. Ein Narr.
Hugo. So mußt du den andern Gesell-
schaft leisten.
Claus. Mir recht.
Hugo. Wie? Du hast das Leben nicht lieb?
Claus. So wenig als einen sauern Apfel.
Hugo. Das wäre fast zu vernünftig für
einen Narren.
Claus. Ei, wenn es Thorheit ist, das Leben
lieb zu haben, so wäre am Ende der Zweck eines
jeden Philosophen, sich aufzuhängen.
Hugo. O ich habe nicht Lust, mich mit dir
in einen Streit einzulassen. Aber wenn du Gründe
hast, so sage sie mir doch, warum du dein Leben
nicht achtest.
Claus. Herr! Gründe, so groß und gewich-
tig wie die Felsen, und doch sind die Felsen selbst
nur kleine Kiesel, wenn man dabei an die ganze
Erde denkt. Doch das nur im Vorbeigehn gesagt.
Aber seht mich doch einmal an, und sagt mir dann
selbst eine vernünftige Ursach, aus welcher ich das
Leben wohl lieb haben könnte. Bin ich nicht so
gezeichnet, daß jeder Mensch von mir sagen wird:
wenn der Kerl nicht zum Narren, oder zum Tau-
genichts zu gebrauchen ist, so ist er völlig in der
Welt überflüßig? Bedenkt nur selbst, gnädiger
Herr, unter einem solchen Titel durch das Leben
Der Blaubart.
Claus. Und ich ſage Euch, ich bin grade
in der rechten Stimmung, daß ich nichts darnach
frage.
Hugo. Wer biſt du?
Claus. Ein Narr.
Hugo. So mußt du den andern Geſell-
ſchaft leiſten.
Claus. Mir recht.
Hugo. Wie? Du haſt das Leben nicht lieb?
Claus. So wenig als einen ſauern Apfel.
Hugo. Das waͤre faſt zu vernuͤnftig fuͤr
einen Narren.
Claus. Ei, wenn es Thorheit iſt, das Leben
lieb zu haben, ſo waͤre am Ende der Zweck eines
jeden Philoſophen, ſich aufzuhaͤngen.
Hugo. O ich habe nicht Luſt, mich mit dir
in einen Streit einzulaſſen. Aber wenn du Gruͤnde
haſt, ſo ſage ſie mir doch, warum du dein Leben
nicht achteſt.
Claus. Herr! Gruͤnde, ſo groß und gewich-
tig wie die Felſen, und doch ſind die Felſen ſelbſt
nur kleine Kieſel, wenn man dabei an die ganze
Erde denkt. Doch das nur im Vorbeigehn geſagt.
Aber ſeht mich doch einmal an, und ſagt mir dann
ſelbſt eine vernuͤnftige Urſach, aus welcher ich das
Leben wohl lieb haben koͤnnte. Bin ich nicht ſo
gezeichnet, daß jeder Menſch von mir ſagen wird:
wenn der Kerl nicht zum Narren, oder zum Tau-
genichts zu gebrauchen iſt, ſo iſt er voͤllig in der
Welt uͤberfluͤßig? Bedenkt nur ſelbſt, gnaͤdiger
Herr, unter einem ſolchen Titel durch das Leben
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[31/0040] Der Blaubart. Claus. Und ich ſage Euch, ich bin grade in der rechten Stimmung, daß ich nichts darnach frage. Hugo. Wer biſt du? Claus. Ein Narr. Hugo. So mußt du den andern Geſell- ſchaft leiſten. Claus. Mir recht. Hugo. Wie? Du haſt das Leben nicht lieb? Claus. So wenig als einen ſauern Apfel. Hugo. Das waͤre faſt zu vernuͤnftig fuͤr einen Narren. Claus. Ei, wenn es Thorheit iſt, das Leben lieb zu haben, ſo waͤre am Ende der Zweck eines jeden Philoſophen, ſich aufzuhaͤngen. Hugo. O ich habe nicht Luſt, mich mit dir in einen Streit einzulaſſen. Aber wenn du Gruͤnde haſt, ſo ſage ſie mir doch, warum du dein Leben nicht achteſt. Claus. Herr! Gruͤnde, ſo groß und gewich- tig wie die Felſen, und doch ſind die Felſen ſelbſt nur kleine Kieſel, wenn man dabei an die ganze Erde denkt. Doch das nur im Vorbeigehn geſagt. Aber ſeht mich doch einmal an, und ſagt mir dann ſelbſt eine vernuͤnftige Urſach, aus welcher ich das Leben wohl lieb haben koͤnnte. Bin ich nicht ſo gezeichnet, daß jeder Menſch von mir ſagen wird: wenn der Kerl nicht zum Narren, oder zum Tau- genichts zu gebrauchen iſt, ſo iſt er voͤllig in der Welt uͤberfluͤßig? Bedenkt nur ſelbſt, gnaͤdiger Herr, unter einem ſolchen Titel durch das Leben

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/40>, abgerufen am 29.03.2024.