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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Der Blaubart.
schatzen darf? Sollen wir denn immer in Furcht
und Sorgen leben vor einem Nichtswürdigen?
Conrad. Ja wohl, vor einem Kerl, der
nicht lesen, nicht beten kann? Vor einem Men-
schen, der einen blauen Bart hat? Vor einem
Taugenichts, den Gott auf eine wunderbare Weise
hat zeichnen wollen?
Martin. Wie sagt Ihr? Er hätte einen
blauen Bart?
Conrad. Freilich, und der sitzt ihm an einem
verhenkerten Gesichte, an einer wahren Galgen-
Physionomie.
Martin. Ordentlich blau? Was man so
blau nennt?
Heymon. Ihr wundert Euch mit Recht,
Vetter, und mein Bruder da hat ihn ganz rich-
tig beschrieben. Er ist ein wilder, unumgänglicher
Mensch, raubt, plündert, schlägt todt, wenn er
dazu kommen kann, und sieht dabei aus wie der
Satan.
Conrad. Wie ihn euch mein Bruder da eben
ganz richtig beschreibt, wie der leibhaftige Satan.
Martin. Gottes Werke sind doch wunder-
bar! -- Hab' ich mein Lebtage von einem blauen
Barte gehört?
Conrad. Aber, Herr Bruder, ehe wir un-
sern Zug unternehmen, sollten wir doch vorerst
unsern Rathgeber befragen.
Martin. Wer ist denn das?
Heymon. Ein alter Mann und weitläufi-
ger Verwandter von uns, er ist schon, wie gesagt,
Der Blaubart.
ſchatzen darf? Sollen wir denn immer in Furcht
und Sorgen leben vor einem Nichtswuͤrdigen?
Conrad. Ja wohl, vor einem Kerl, der
nicht leſen, nicht beten kann? Vor einem Men-
ſchen, der einen blauen Bart hat? Vor einem
Taugenichts, den Gott auf eine wunderbare Weiſe
hat zeichnen wollen?
Martin. Wie ſagt Ihr? Er haͤtte einen
blauen Bart?
Conrad. Freilich, und der ſitzt ihm an einem
verhenkerten Geſichte, an einer wahren Galgen-
Phyſionomie.
Martin. Ordentlich blau? Was man ſo
blau nennt?
Heymon. Ihr wundert Euch mit Recht,
Vetter, und mein Bruder da hat ihn ganz rich-
tig beſchrieben. Er iſt ein wilder, unumgaͤnglicher
Menſch, raubt, pluͤndert, ſchlaͤgt todt, wenn er
dazu kommen kann, und ſieht dabei aus wie der
Satan.
Conrad. Wie ihn euch mein Bruder da eben
ganz richtig beſchreibt, wie der leibhaftige Satan.
Martin. Gottes Werke ſind doch wunder-
bar! — Hab' ich mein Lebtage von einem blauen
Barte gehoͤrt?
Conrad. Aber, Herr Bruder, ehe wir un-
ſern Zug unternehmen, ſollten wir doch vorerſt
unſern Rathgeber befragen.
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[11/0020] Der Blaubart. ſchatzen darf? Sollen wir denn immer in Furcht und Sorgen leben vor einem Nichtswuͤrdigen? Conrad. Ja wohl, vor einem Kerl, der nicht leſen, nicht beten kann? Vor einem Men- ſchen, der einen blauen Bart hat? Vor einem Taugenichts, den Gott auf eine wunderbare Weiſe hat zeichnen wollen? Martin. Wie ſagt Ihr? Er haͤtte einen blauen Bart? Conrad. Freilich, und der ſitzt ihm an einem verhenkerten Geſichte, an einer wahren Galgen- Phyſionomie. Martin. Ordentlich blau? Was man ſo blau nennt? Heymon. Ihr wundert Euch mit Recht, Vetter, und mein Bruder da hat ihn ganz rich- tig beſchrieben. Er iſt ein wilder, unumgaͤnglicher Menſch, raubt, pluͤndert, ſchlaͤgt todt, wenn er dazu kommen kann, und ſieht dabei aus wie der Satan. Conrad. Wie ihn euch mein Bruder da eben ganz richtig beſchreibt, wie der leibhaftige Satan. Martin. Gottes Werke ſind doch wunder- bar! — Hab' ich mein Lebtage von einem blauen Barte gehoͤrt? Conrad. Aber, Herr Bruder, ehe wir un- ſern Zug unternehmen, ſollten wir doch vorerſt unſern Rathgeber befragen. Martin. Wer iſt denn das? Heymon. Ein alter Mann und weitlaͤufi- ger Verwandter von uns, er iſt ſchon, wie geſagt,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/20>, abgerufen am 25.04.2024.