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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
zu helfen weiß, und einen Freund brauchte, der
für mich zu handeln im Stande wäre.

Geht es uns nicht mit jedem Glücke so? ant-
wortete Anton; es bemeistert sich unserer Sinne
um so mehr, um so grösser es ist, und um so
heftiger wir es gewünscht haben, im Unglück
wissen wir uns schon eher zu fassen, es ist bei-
nah, als wäre es uns in diesem Leben mehr
geeignet, das Glück aber bleibt uns immer ein
etwas fremder und seltsamer Gast.

Ich weiß es, fuhr Friedrich fort, daß sie
nur im Vertrauen auf meinen Muth handelt,
und schäme mich darum, mich selbst so weichlich
und schwach anzutreffen: es ist aber auch nicht
Schwäche, sondern nur der Mangel jener Ge-
lassenheit, einer gewissen Kälte, die uns in allen
Vorfällen des Lebens zu Gebote stehen sollte.
Ich bin über mein so nahes Glück außer mir,
alle meine Lebensgeister haben sich meiner Dienst-
barkeit entzogen, und schwärmen für sich und
kämpfen gegen einander. Ich bin entzückt, und
im Schwindel dünkt mir die feste Erde nur ein
schwankendes Brett.

Manfred trat zu ihnen. Die Bewegung
Friedrichs konnte ihm nicht verborgen bleiben,
und dieser vertraute ihm auch nach einigen Fra-
gen gerührt das Geheimniß. O vortreflich! rief
Manfred aus; das fügt sich ja schöner, als wir
es hatten hoffen können! Gerade eine Person,
wie deine schöne Adelheid, hat unserm Zirkel

Zweite Abtheilung.
zu helfen weiß, und einen Freund brauchte, der
fuͤr mich zu handeln im Stande waͤre.

Geht es uns nicht mit jedem Gluͤcke ſo? ant-
wortete Anton; es bemeiſtert ſich unſerer Sinne
um ſo mehr, um ſo groͤſſer es iſt, und um ſo
heftiger wir es gewuͤnſcht haben, im Ungluͤck
wiſſen wir uns ſchon eher zu faſſen, es iſt bei-
nah, als waͤre es uns in dieſem Leben mehr
geeignet, das Gluͤck aber bleibt uns immer ein
etwas fremder und ſeltſamer Gaſt.

Ich weiß es, fuhr Friedrich fort, daß ſie
nur im Vertrauen auf meinen Muth handelt,
und ſchaͤme mich darum, mich ſelbſt ſo weichlich
und ſchwach anzutreffen: es iſt aber auch nicht
Schwaͤche, ſondern nur der Mangel jener Ge-
laſſenheit, einer gewiſſen Kaͤlte, die uns in allen
Vorfaͤllen des Lebens zu Gebote ſtehen ſollte.
Ich bin uͤber mein ſo nahes Gluͤck außer mir,
alle meine Lebensgeiſter haben ſich meiner Dienſt-
barkeit entzogen, und ſchwaͤrmen fuͤr ſich und
kaͤmpfen gegen einander. Ich bin entzuͤckt, und
im Schwindel duͤnkt mir die feſte Erde nur ein
ſchwankendes Brett.

Manfred trat zu ihnen. Die Bewegung
Friedrichs konnte ihm nicht verborgen bleiben,
und dieſer vertraute ihm auch nach einigen Fra-
gen geruͤhrt das Geheimniß. O vortreflich! rief
Manfred aus; das fuͤgt ſich ja ſchoͤner, als wir
es hatten hoffen koͤnnen! Gerade eine Perſon,
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[4/0013] Zweite Abtheilung. zu helfen weiß, und einen Freund brauchte, der fuͤr mich zu handeln im Stande waͤre. Geht es uns nicht mit jedem Gluͤcke ſo? ant- wortete Anton; es bemeiſtert ſich unſerer Sinne um ſo mehr, um ſo groͤſſer es iſt, und um ſo heftiger wir es gewuͤnſcht haben, im Ungluͤck wiſſen wir uns ſchon eher zu faſſen, es iſt bei- nah, als waͤre es uns in dieſem Leben mehr geeignet, das Gluͤck aber bleibt uns immer ein etwas fremder und ſeltſamer Gaſt. Ich weiß es, fuhr Friedrich fort, daß ſie nur im Vertrauen auf meinen Muth handelt, und ſchaͤme mich darum, mich ſelbſt ſo weichlich und ſchwach anzutreffen: es iſt aber auch nicht Schwaͤche, ſondern nur der Mangel jener Ge- laſſenheit, einer gewiſſen Kaͤlte, die uns in allen Vorfaͤllen des Lebens zu Gebote ſtehen ſollte. Ich bin uͤber mein ſo nahes Gluͤck außer mir, alle meine Lebensgeiſter haben ſich meiner Dienſt- barkeit entzogen, und ſchwaͤrmen fuͤr ſich und kaͤmpfen gegen einander. Ich bin entzuͤckt, und im Schwindel duͤnkt mir die feſte Erde nur ein ſchwankendes Brett. Manfred trat zu ihnen. Die Bewegung Friedrichs konnte ihm nicht verborgen bleiben, und dieſer vertraute ihm auch nach einigen Fra- gen geruͤhrt das Geheimniß. O vortreflich! rief Manfred aus; das fuͤgt ſich ja ſchoͤner, als wir es hatten hoffen koͤnnen! Gerade eine Perſon, wie deine ſchoͤne Adelheid, hat unſerm Zirkel

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/13>, abgerufen am 28.03.2024.