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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Unterthänigste
der lieben/ und auch zwischen zweyen Wol-
lüstigen und Ehrgeitzigen zum wenigsten eine
Schein- und vernünfftige Liebe ist/ doch
zwey Geitzige einander nicht alleine nicht lie-
ben/ sondern auch auff das äusserste hassen.
Diese Anmerckungen aber sind nicht alleine
in der gesunden Vernunfft gegründet/ son-
dern die Göttliche Offenbahrung stimmet da-
mit gantz offenbahrlich überein. Die gröste
Glückseligkeit bestehet in der Liebe GOttes
und des Nechsten. Und ob schon die vernünff-
tige Liebe nicht so vollkommen ist als die
Christliche Liebe/ so ist doch die. vernünfftige
Liebe so zu sagen ein Staffel/ dadurch man
zu der Christlichen Liebe gelangen kan/ und
wie derjenige GOTT ohnmöglich lieben
kan/ der nicht einmahl seinen Bruder lie-
bet; Also kan derjenige ohnmöglich andere
Menschen Christlicher Weise lieben/ der nicht
einmahl dieselbigen vernünfftig liebet. Wie-
derumb werden die Wollust/ Ehrgierde und
Geld-Liebe unter dem Nahmen der Flei-
sches-Lust/ des hoffärtigen Lebens/ und
der Augen-Lust zum öfftern in Heiliger
Schrifft als die drey Haupt-Laster vorgestel-

let.

Unterthaͤnigſte
der lieben/ und auch zwiſchen zweyen Wol-
luͤſtigen und Ehrgeitzigen zum wenigſten eine
Schein- und vernuͤnfftige Liebe iſt/ doch
zwey Geitzige einander nicht alleine nicht lie-
ben/ ſondern auch auff das aͤuſſerſte haſſen.
Dieſe Anmerckungen aber ſind nicht alleine
in der geſunden Vernunfft gegruͤndet/ ſon-
dern die Goͤttliche Offenbahrung ſtimmet da-
mit gantz offenbahrlich uͤberein. Die groͤſte
Gluͤckſeligkeit beſtehet in der Liebe GOttes
und des Nechſten. Und ob ſchon die vernuͤnff-
tige Liebe nicht ſo vollkommen iſt als die
Chriſtliche Liebe/ ſo iſt doch die. vernuͤnfftige
Liebe ſo zu ſagen ein Staffel/ dadurch man
zu der Chriſtlichen Liebe gelangen kan/ und
wie derjenige GOTT ohnmoͤglich lieben
kan/ der nicht einmahl ſeinen Bruder lie-
bet; Alſo kan derjenige ohnmoͤglich andere
Menſchen Chriſtlicher Weiſe lieben/ der nicht
einmahl dieſelbigen vernuͤnfftig liebet. Wie-
derumb werden die Wolluſt/ Ehrgierde und
Geld-Liebe unter dem Nahmen der Flei-
ſches-Luſt/ des hoffaͤrtigen Lebens/ und
der Augen-Luſt zum oͤfftern in Heiliger
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[0006] Unterthaͤnigſte der lieben/ und auch zwiſchen zweyen Wol- luͤſtigen und Ehrgeitzigen zum wenigſten eine Schein- und vernuͤnfftige Liebe iſt/ doch zwey Geitzige einander nicht alleine nicht lie- ben/ ſondern auch auff das aͤuſſerſte haſſen. Dieſe Anmerckungen aber ſind nicht alleine in der geſunden Vernunfft gegruͤndet/ ſon- dern die Goͤttliche Offenbahrung ſtimmet da- mit gantz offenbahrlich uͤberein. Die groͤſte Gluͤckſeligkeit beſtehet in der Liebe GOttes und des Nechſten. Und ob ſchon die vernuͤnff- tige Liebe nicht ſo vollkommen iſt als die Chriſtliche Liebe/ ſo iſt doch die. vernuͤnfftige Liebe ſo zu ſagen ein Staffel/ dadurch man zu der Chriſtlichen Liebe gelangen kan/ und wie derjenige GOTT ohnmoͤglich lieben kan/ der nicht einmahl ſeinen Bruder lie- bet; Alſo kan derjenige ohnmoͤglich andere Menſchen Chriſtlicher Weiſe lieben/ der nicht einmahl dieſelbigen vernuͤnfftig liebet. Wie- derumb werden die Wolluſt/ Ehrgierde und Geld-Liebe unter dem Nahmen der Flei- ſches-Luſt/ des hoffaͤrtigen Lebens/ und der Augen-Luſt zum oͤfftern in Heiliger Schrifft als die drey Haupt-Laſter vorgeſtel- let.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/6>, abgerufen am 20.04.2024.