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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 1. Hauptst. von der Gelahrheit
die offenbahrlich in Vorurtheilen stecken/ dafür
gehalten wird.

12.

Dannenhero und weil diese letztere Art
einen offenbahren Jrrthum mit sich führet/ die
Jrrthümer aber nicht zur Welt-Weißheit gehö-
ren/ so braucht es nicht eben grosses Erinnerns/
daß wir in Untersuchung des Guten und Bösen
auf dasjenige/ was warhafftig gut und böse
ist/
unser Absehen zu richten haben.

13.

So sind demnach die Dinge von denen
man fragen kan/ ob sie in Ansehen des Men-
schen gut oder böse seyn/
entweder in und an
ihm
oder ausser ihm.

14.

Jene als zum Exempel sein Leben/ sein
Verstand/ die Gliedmassen seines Leibes kön-
nen nicht anders als gut seyn/ weil sie ihm von
GOtt gegeben sind seine Dauerung zu befördern
und sein Wesen zu erhalten. Und muß dannen-
hero entweder durch eine Bewegung von aus-
sen
geschehen/ daß dieselben aus guten böse Din-
ge werden/ z. e. Wenn der Mensch wider Willen
sehr erschrickt/ wenn er ohne seine Schuld ver-
wundet wird/ u. s. w. Ober aber der Mensch ist
selber
an ihrer Verschlimmerung Schuld/ wenn
er seiner Gesundheit/ seiner Gliedmassen/ seines
Verstandes/ u. s. w. muthwillig mißbrauchet.

15.

Alle äußerliche Dinge sind an sichselber
dem Menschen weder gut noch böse/ sie konnen
aber beydes werden/ wenn sie dem Menschlichen
Wesen durch eine Bewegung recht oder unrecht

appli-

Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit
die offenbahrlich in Vorurtheilen ſtecken/ dafuͤr
gehalten wird.

12.

Dannenhero und weil dieſe letztere Art
einen offenbahren Jrrthum mit ſich fuͤhret/ die
Jrrthuͤmer aber nicht zur Welt-Weißheit gehoͤ-
ren/ ſo braucht es nicht eben groſſes Erinnerns/
daß wir in Unterſuchung des Guten und Boͤſen
auf dasjenige/ was warhafftig gut und boͤſe
iſt/
unſer Abſehen zu richten haben.

13.

So ſind demnach die Dinge von denen
man fragen kan/ ob ſie in Anſehen des Men-
ſchen gut oder boͤſe ſeyn/
entweder in und an
ihm
oder auſſer ihm.

14.

Jene als zum Exempel ſein Leben/ ſein
Verſtand/ die Gliedmaſſen ſeines Leibes koͤn-
nen nicht anders als gut ſeyn/ weil ſie ihm von
GOtt gegeben ſind ſeine Dauerung zu befoͤrdern
und ſein Weſen zu erhalten. Und muß dannen-
hero entweder durch eine Bewegung von auſ-
ſen
geſchehen/ daß dieſelben aus guten boͤſe Din-
ge werden/ z. e. Wenn der Menſch wider Willen
ſehr erſchrickt/ wenn er ohne ſeine Schuld ver-
wundet wird/ u. ſ. w. Ober aber der Menſch iſt
ſelber
an ihrer Verſchlimmerung Schuld/ wenn
er ſeiner Geſundheit/ ſeiner Gliedmaſſen/ ſeines
Verſtandes/ u. ſ. w. muthwillig mißbrauchet.

15.

Alle aͤußerliche Dinge ſind an ſichſelber
dem Menſchen weder gut noch boͤſe/ ſie konnen
aber beydes werden/ wenn ſie dem Menſchlichen
Weſen durch eine Bewegung recht oder unrecht

appli-
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[8/0040] Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit die offenbahrlich in Vorurtheilen ſtecken/ dafuͤr gehalten wird. 12. Dannenhero und weil dieſe letztere Art einen offenbahren Jrrthum mit ſich fuͤhret/ die Jrrthuͤmer aber nicht zur Welt-Weißheit gehoͤ- ren/ ſo braucht es nicht eben groſſes Erinnerns/ daß wir in Unterſuchung des Guten und Boͤſen auf dasjenige/ was warhafftig gut und boͤſe iſt/ unſer Abſehen zu richten haben. 13. So ſind demnach die Dinge von denen man fragen kan/ ob ſie in Anſehen des Men- ſchen gut oder boͤſe ſeyn/ entweder in und an ihm oder auſſer ihm. 14. Jene als zum Exempel ſein Leben/ ſein Verſtand/ die Gliedmaſſen ſeines Leibes koͤn- nen nicht anders als gut ſeyn/ weil ſie ihm von GOtt gegeben ſind ſeine Dauerung zu befoͤrdern und ſein Weſen zu erhalten. Und muß dannen- hero entweder durch eine Bewegung von auſ- ſen geſchehen/ daß dieſelben aus guten boͤſe Din- ge werden/ z. e. Wenn der Menſch wider Willen ſehr erſchrickt/ wenn er ohne ſeine Schuld ver- wundet wird/ u. ſ. w. Ober aber der Menſch iſt ſelber an ihrer Verſchlimmerung Schuld/ wenn er ſeiner Geſundheit/ ſeiner Gliedmaſſen/ ſeines Verſtandes/ u. ſ. w. muthwillig mißbrauchet. 15. Alle aͤußerliche Dinge ſind an ſichſelber dem Menſchen weder gut noch boͤſe/ ſie konnen aber beydes werden/ wenn ſie dem Menſchlichen Weſen durch eine Bewegung recht oder unrecht appli-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/40>, abgerufen am 28.03.2024.