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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 1. Haupst. von der Gelahrheit
heit und Gegeneinanderhaltung mit andern
zielen.

4.

Denn das Wahre haben wir beschrieben/
daß es bestehe aus der Ubereinstimmung der
äußerlichen Dinge und des menschlichen Ver-
standes/ und das Falsche/ wenn diese beyde ein-
ander zuwider sind.

5.

Gleicher weise heist das jenige überhaupt
gut/ wenn zwey Dinge mit einander überein
kommen/ und dasjenige heist überhaupt böse/
wenn ein Ding dem andern zuwider ist.

6.

Mit einander überein kommen heist all-
hier/ wenn ein Ding das andere in seiner
Dauerung erhält/ und dessen Wesen und
Beschaffenheiten vermehret.
Einander zu-
wider seyn heist/ wenn ein Ding des andern
seine Dauerung verkürtzt/ oder dessen We-
sen und Beschaffenheiten vergeringert.

7.

Und also ist der erste Unterstheid zwischen
dem Wahren und Guten/ daß das Gute die
Ubereinstimmung aller Dinge mit einander
benennet/ das Wahre aber insonderheit die
Ubereinstimmung anderer Dinge mit dem
menschlichen Verstande bemercket.

8.

Hiernechst aber ist wohl ausser Zweiffel ge-
setzt/ daß gleich wie andere Geschöpffe ausser dem
Menschen dasjenige/ was ihnen gut oder böse ist
nicht erkennen noch begreiffen mögen; also auch
der Mensch sehr unvernünfftig wäre/ wenn er
sich umb das/ was andern Creaturen gut oder

böse

Das 1. Haupſt. von der Gelahrheit
heit und Gegeneinanderhaltung mit andern
zielen.

4.

Denn das Wahre haben wir beſchrieben/
daß es beſtehe aus der Ubereinſtimmung der
aͤußerlichen Dinge und des menſchlichen Ver-
ſtandes/ und das Falſche/ wenn dieſe beyde ein-
ander zuwider ſind.

5.

Gleicher weiſe heiſt das jenige uͤberhaupt
gut/ wenn zwey Dinge mit einander uͤberein
kommen/ und dasjenige heiſt uͤberhaupt boͤſe/
wenn ein Ding dem andern zuwider iſt.

6.

Mit einander uͤberein kommen heiſt all-
hier/ wenn ein Ding das andere in ſeiner
Dauerung erhaͤlt/ und deſſen Weſen und
Beſchaffenheiten vermehret.
Einander zu-
wider ſeyn heiſt/ wenn ein Ding des andern
ſeine Dauerung verkuͤrtzt/ oder deſſen We-
ſen und Beſchaffenheiten vergeringert.

7.

Und alſo iſt der erſte Unterſtheid zwiſchen
dem Wahren und Guten/ daß das Gute die
Ubereinſtimmung aller Dinge mit einander
benennet/ das Wahre aber inſonderheit die
Ubereinſtimmung anderer Dinge mit dem
menſchlichen Verſtande bemercket.

8.

Hiernechſt aber iſt wohl auſſer Zweiffel ge-
ſetzt/ daß gleich wie andere Geſchoͤpffe auſſer dem
Menſchen dasjenige/ was ihnen gut oder boͤſe iſt
nicht erkennen noch begreiffen moͤgen; alſo auch
der Menſch ſehr unvernuͤnfftig waͤre/ wenn er
ſich umb das/ was andern Creaturen gut oder

boͤſe
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[6/0038] Das 1. Haupſt. von der Gelahrheit heit und Gegeneinanderhaltung mit andern zielen. 4. Denn das Wahre haben wir beſchrieben/ daß es beſtehe aus der Ubereinſtimmung der aͤußerlichen Dinge und des menſchlichen Ver- ſtandes/ und das Falſche/ wenn dieſe beyde ein- ander zuwider ſind. 5. Gleicher weiſe heiſt das jenige uͤberhaupt gut/ wenn zwey Dinge mit einander uͤberein kommen/ und dasjenige heiſt uͤberhaupt boͤſe/ wenn ein Ding dem andern zuwider iſt. 6. Mit einander uͤberein kommen heiſt all- hier/ wenn ein Ding das andere in ſeiner Dauerung erhaͤlt/ und deſſen Weſen und Beſchaffenheiten vermehret. Einander zu- wider ſeyn heiſt/ wenn ein Ding des andern ſeine Dauerung verkuͤrtzt/ oder deſſen We- ſen und Beſchaffenheiten vergeringert. 7. Und alſo iſt der erſte Unterſtheid zwiſchen dem Wahren und Guten/ daß das Gute die Ubereinſtimmung aller Dinge mit einander benennet/ das Wahre aber inſonderheit die Ubereinſtimmung anderer Dinge mit dem menſchlichen Verſtande bemercket. 8. Hiernechſt aber iſt wohl auſſer Zweiffel ge- ſetzt/ daß gleich wie andere Geſchoͤpffe auſſer dem Menſchen dasjenige/ was ihnen gut oder boͤſe iſt nicht erkennen noch begreiffen moͤgen; alſo auch der Menſch ſehr unvernuͤnfftig waͤre/ wenn er ſich umb das/ was andern Creaturen gut oder boͤſe

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/38>, abgerufen am 24.04.2024.