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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Zuschrifft.
zu seyn/ und werde ich wenig irren/ wenn
ich sage/ daß der Weiseste unter denen Köni-
gen Salomo eine dergleichen Leibes-Mischung
gehabt/ wovon fast alle Umbstände seines Le-
bens/ welche die heilige Bücher beschrieben/
Zeugniß geben können/ als die alle dahin zie-
len/ daß man aus denenselben lauter Ehre
und Liebe
abmercken kan. Ja es sind end-
lich solche Gemüther am geschicktesten von
der wahren Sitten-Lehre und vernünffti-
gen Liebe zu Urtheilen/ da hingegentheil ein
gantz wollüstiges Gemüthe zwar die Wahr-
heit der Lehr-Sätze der vernünfftigen Liebe bal-
de begreiffen/ aber wenn sie nicht mit Ehr-
gierde temperiret sind/ die Praxin dererselben
bey nahe für unmöglich halten. Ein Ehr-
geitziger
hingegentheil findet schon bey der Er-
käntniß der vernünfftigen Liebe mehr Scrupel,
und hat die grösten Schwierigkeiten/ sich eine
rechtschaffene Idee von der Tugend zu machen.
Und ein Geldgeitziger endlich/ gleich wie er
vernünfftigen Menschen am irrraisonnable-
sten vorkömmt; Also scheinet ihm alles/ was von
der Tugend und der vernünfftigen Liebe gesagt
wird/ lächerlich; Ja er kan sich nicht rühmen/

daß

Zuſchrifft.
zu ſeyn/ und werde ich wenig irren/ wenn
ich ſage/ daß der Weiſeſte unter denen Koͤni-
gen Salomo eine dergleichen Leibes-Miſchung
gehabt/ wovon faſt alle Umbſtaͤnde ſeines Le-
bens/ welche die heilige Buͤcher beſchrieben/
Zeugniß geben koͤnnen/ als die alle dahin zie-
len/ daß man aus denenſelben lauter Ehre
und Liebe
abmercken kan. Ja es ſind end-
lich ſolche Gemuͤther am geſchickteſten von
der wahren Sitten-Lehre und vernuͤnffti-
gen Liebe zu Urtheilen/ da hingegentheil ein
gantz wolluͤſtiges Gemuͤthe zwar die Wahr-
heit der Lehr-Saͤtze der vernuͤnfftigen Liebe bal-
de begreiffen/ aber wenn ſie nicht mit Ehr-
gierde temperiret ſind/ die Praxin dererſelben
bey nahe fuͤr unmoͤglich halten. Ein Ehr-
geitziger
hingegentheil findet ſchon bey der Er-
kaͤntniß der veꝛnuͤnfftigen Liebe mehr Scrupel,
und hat die groͤſten Schwierigkeiten/ ſich eine
rechtſchaffene Idee von der Tugend zu machen.
Und ein Geldgeitziger endlich/ gleich wie er
vernuͤnfftigen Menſchen am irrraiſonnable-
ſten vorkoͤm̃t; Alſo ſcheinet ihm alles/ was von
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[0013] Zuſchrifft. zu ſeyn/ und werde ich wenig irren/ wenn ich ſage/ daß der Weiſeſte unter denen Koͤni- gen Salomo eine dergleichen Leibes-Miſchung gehabt/ wovon faſt alle Umbſtaͤnde ſeines Le- bens/ welche die heilige Buͤcher beſchrieben/ Zeugniß geben koͤnnen/ als die alle dahin zie- len/ daß man aus denenſelben lauter Ehre und Liebe abmercken kan. Ja es ſind end- lich ſolche Gemuͤther am geſchickteſten von der wahren Sitten-Lehre und vernuͤnffti- gen Liebe zu Urtheilen/ da hingegentheil ein gantz wolluͤſtiges Gemuͤthe zwar die Wahr- heit der Lehr-Saͤtze der vernuͤnfftigen Liebe bal- de begreiffen/ aber wenn ſie nicht mit Ehr- gierde temperiret ſind/ die Praxin dererſelben bey nahe fuͤr unmoͤglich halten. Ein Ehr- geitziger hingegentheil findet ſchon bey der Er- kaͤntniß der veꝛnuͤnfftigen Liebe mehr Scrupel, und hat die groͤſten Schwierigkeiten/ ſich eine rechtſchaffene Idee von der Tugend zu machen. Und ein Geldgeitziger endlich/ gleich wie er vernuͤnfftigen Menſchen am irrraiſonnable- ſten vorkoͤm̃t; Alſo ſcheinet ihm alles/ was von der Tugend und der vernuͤnfftigen Liebe geſagt wird/ laͤcherlich; Ja er kan ſich nicht ruͤhmen/ daß

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/13>, abgerufen am 23.04.2024.