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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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dem ersten Theile meiner Vernunfft-Lehre gezei-
get/ wie so gar leichte die Erkäntniß der Wahrheit/
und die Erfindung neuer Wahrheiten in allen Di-
sciplin
en sey/ wenn man nur sein Gemüthe von
dem hochschädlichen Vorurtheile menschlicher Au-
torit
ät saubern/ und die dadurch eingewurtzelten
allgemeinen Jrrthümer bey seit zu legen sich resol-
vir
en/ auch sich das Leben mit der leidigen Syllogi-
smus-
Kunst/ und der ohne Noth verwirreten allge-
meinen Lehre von der Demonstration nicht sauer
machen lassen wolle. So gar daß auch Leute von
einem solchen Stande/ der sonst in gemeinen We-
sen zu denen Ständen der so genandten Gelehrten
nicht gehöret/ ohne Mühe und Kopffbrechen/ und
ohne Behuff der Lateinischen Sprache/ der Weiß-
heit so wohl als die/ so man Gelehrte nennet/ können
fähig werden. Meine Vernunfft-Lehre lieget für
jedermans Augen/ und habe ich nicht Ursache diß-
falls viel weitere Worte zu machen. Jn diesem
andern Theil aber habe ich mir angelegen seyn las-
sen/ vielfältige allgemeine Jrrthümer/ die man in
der Praxi der Logic zu begehen pfleget/ anzudeuten/
und zu beweisen/ wie man dieselben vermeiden sol-
le/ auch die nötigsten und auff allen Universitäten
bißher nicht getriebenen Lehren zu suppliren/
durchgehends aber mich als einen freyen Philoso-
phum,
der sich zu keiner Secte schlägt/ sondern bloß
nach der Erkäntniß seiner Vernunfft gehet/ auffzu-
führen. Zu diesem Ende habe ich in dem ersten
Capitel gewiesen/ wie man nach der Lehre des Car-
tesii
zwar anfangen müsse bey Ausbesserung des
Verstandes zu zweiffeln/ und sich das allgemeine

Ge-

dem erſten Theile meiner Vernunfft-Lehre gezei-
get/ wie ſo gar leichte die Erkaͤntniß der Wahrheit/
und die Erfindung neuer Wahrheiten in allen Di-
ſciplin
en ſey/ wenn man nur ſein Gemuͤthe von
dem hochſchaͤdlichen Vorurtheile menſchlicher Au-
torit
aͤt ſaubern/ und die dadurch eingewurtzelten
allgemeinen Jrrthuͤmer bey ſeit zu legen ſich reſol-
vir
en/ auch ſich das Leben mit der leidigen Syllogi-
ſmus-
Kunſt/ und der ohne Noth verwirreten allge-
meinen Lehre von der Demonſtration nicht ſauer
machen laſſen wolle. So gar daß auch Leute von
einem ſolchen Stande/ der ſonſt in gemeinen We-
ſen zu denen Staͤnden der ſo genandten Gelehrten
nicht gehoͤret/ ohne Muͤhe und Kopffbrechen/ und
ohne Behuff der Lateiniſchen Sprache/ der Weiß-
heit ſo wohl als die/ ſo man Gelehrte nennet/ koͤnnen
faͤhig werden. Meine Vernunfft-Lehre lieget fuͤr
jedermans Augen/ und habe ich nicht Urſache diß-
falls viel weitere Worte zu machen. Jn dieſem
andern Theil aber habe ich mir angelegen ſeyn laſ-
ſen/ vielfaͤltige allgemeine Jrrthuͤmer/ die man in
der Praxi der Logic zu begehen pfleget/ anzudeuten/
und zu beweiſen/ wie man dieſelben vermeiden ſol-
le/ auch die noͤtigſten und auff allen Univerſitaͤten
bißher nicht getriebenen Lehren zu ſuppliren/
durchgehends aber mich als einen freyen Philoſo-
phum,
der ſich zu keiner Secte ſchlaͤgt/ ſondern bloß
nach der Erkaͤntniß ſeiner Vernunfft gehet/ auffzu-
fuͤhren. Zu dieſem Ende habe ich in dem erſten
Capitel gewieſen/ wie man nach der Lehre des Car-
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zwar anfangen muͤſſe bey Ausbeſſerung des
Verſtandes zu zweiffeln/ und ſich das allgemeine

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[0010] dem erſten Theile meiner Vernunfft-Lehre gezei- get/ wie ſo gar leichte die Erkaͤntniß der Wahrheit/ und die Erfindung neuer Wahrheiten in allen Di- ſciplinen ſey/ wenn man nur ſein Gemuͤthe von dem hochſchaͤdlichen Vorurtheile menſchlicher Au- toritaͤt ſaubern/ und die dadurch eingewurtzelten allgemeinen Jrrthuͤmer bey ſeit zu legen ſich reſol- viren/ auch ſich das Leben mit der leidigen Syllogi- ſmus-Kunſt/ und der ohne Noth verwirreten allge- meinen Lehre von der Demonſtration nicht ſauer machen laſſen wolle. So gar daß auch Leute von einem ſolchen Stande/ der ſonſt in gemeinen We- ſen zu denen Staͤnden der ſo genandten Gelehrten nicht gehoͤret/ ohne Muͤhe und Kopffbrechen/ und ohne Behuff der Lateiniſchen Sprache/ der Weiß- heit ſo wohl als die/ ſo man Gelehrte nennet/ koͤnnen faͤhig werden. Meine Vernunfft-Lehre lieget fuͤr jedermans Augen/ und habe ich nicht Urſache diß- falls viel weitere Worte zu machen. Jn dieſem andern Theil aber habe ich mir angelegen ſeyn laſ- ſen/ vielfaͤltige allgemeine Jrrthuͤmer/ die man in der Praxi der Logic zu begehen pfleget/ anzudeuten/ und zu beweiſen/ wie man dieſelben vermeiden ſol- le/ auch die noͤtigſten und auff allen Univerſitaͤten bißher nicht getriebenen Lehren zu ſuppliren/ durchgehends aber mich als einen freyen Philoſo- phum, der ſich zu keiner Secte ſchlaͤgt/ ſondern bloß nach der Erkaͤntniß ſeiner Vernunfft gehet/ auffzu- fuͤhren. Zu dieſem Ende habe ich in dem erſten Capitel gewieſen/ wie man nach der Lehre des Car- teſii zwar anfangen muͤſſe bey Ausbeſſerung des Verſtandes zu zweiffeln/ und ſich das allgemeine Ge-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/10>, abgerufen am 29.03.2024.