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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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eigentlich beschrieben werden müssen.
des Menschen entschieden sey/ und daß also
Cartesius, wenn er spricht: Homo dum vult, cogitat,
der Mensch dencke wenn er etwas wolle/ zwar
in so weit recht habe/ daß das Dencken und Wol-
len in der Menschlichen Seele vereinigt sey/ und
zu einer Zeit vorgehe/ aber keines weges/ wann er
mit denen andern Philosophen insgemein vorgiebet
daß das Wollen und Dencken ein Ding sey; oder
deutlicher: daß das Wollen in Gedancken bestehe.
Denn die Gedancken gehören nur zu dem Ver-
stande.

21. Und also ist es ebenmäßig falsch/ daß das
Wesen des Menschen/
wodurch er von den un-
vernünfftigen Thieren unterschieden wird/ ein-
tzig und alleine in Gedancken bestehe;
Denn
die Neigung und der Trieb des Willens ist
eine viel edlere Krafft der Menschlichen
Seelen als das Dencken des Verstandes/
wel-
che solchergestalt von denen Heydnischen Philoso-
phen
und ihren Nachsolgern auf Universitäten
insgesamt gäntzlich übersehen/ oder doch mit dem
Verstande und dessen Gedancken vermischet
worden.

22. So ist demnach der Wille eine Krafft
der Menschlichen Seelen/ vermöge welcher
der Mensch zu etwas geneiget wird/ und her-
nach sich selbsten antreibet etwas zu thun
oder zu lassen.

23. Und weil wir in der Einleitung zur Ver-

nunfft-
F

eigentlich beſchrieben werden muͤſſen.
des Menſchen entſchieden ſey/ und daß alſo
Carteſius, wenn er ſpricht: Homo dum vult, cogitat,
der Menſch dencke wenn er etwas wolle/ zwar
in ſo weit recht habe/ daß das Dencken und Wol-
len in der Menſchlichen Seele vereinigt ſey/ und
zu einer Zeit vorgehe/ aber keines weges/ wann er
mit denen andern Philoſophen insgemein vorgiebet
daß das Wollen und Dencken ein Ding ſey; oder
deutlicher: daß das Wollen in Gedancken beſtehe.
Denn die Gedancken gehoͤren nur zu dem Ver-
ſtande.

21. Und alſo iſt es ebenmaͤßig falſch/ daß das
Weſen des Menſchen/
wodurch er von den un-
vernuͤnfftigen Thieren unterſchieden wird/ ein-
tzig und alleine in Gedancken beſtehe;
Denn
die Neigung und der Trieb des Willens iſt
eine viel edlere Krafft der Menſchlichen
Seelen als das Dencken des Verſtandes/
wel-
che ſolchergeſtalt von denen Heydniſchen Philoſo-
phen
und ihren Nachſolgern auf Univerſitaͤten
insgeſamt gaͤntzlich uͤberſehen/ oder doch mit dem
Verſtande und deſſen Gedancken vermiſchet
worden.

22. So iſt demnach der Wille eine Krafft
der Menſchlichen Seelen/ vermoͤge welcher
der Menſch zu etwas geneiget wird/ und her-
nach ſich ſelbſten antreibet etwas zu thun
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nunfft-
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[81/0093] eigentlich beſchrieben werden muͤſſen. des Menſchen entſchieden ſey/ und daß alſo Carteſius, wenn er ſpricht: Homo dum vult, cogitat, der Menſch dencke wenn er etwas wolle/ zwar in ſo weit recht habe/ daß das Dencken und Wol- len in der Menſchlichen Seele vereinigt ſey/ und zu einer Zeit vorgehe/ aber keines weges/ wann er mit denen andern Philoſophen insgemein vorgiebet daß das Wollen und Dencken ein Ding ſey; oder deutlicher: daß das Wollen in Gedancken beſtehe. Denn die Gedancken gehoͤren nur zu dem Ver- ſtande. 21. Und alſo iſt es ebenmaͤßig falſch/ daß das Weſen des Menſchen/ wodurch er von den un- vernuͤnfftigen Thieren unterſchieden wird/ ein- tzig und alleine in Gedancken beſtehe; Denn die Neigung und der Trieb des Willens iſt eine viel edlere Krafft der Menſchlichen Seelen als das Dencken des Verſtandes/ wel- che ſolchergeſtalt von denen Heydniſchen Philoſo- phen und ihren Nachſolgern auf Univerſitaͤten insgeſamt gaͤntzlich uͤberſehen/ oder doch mit dem Verſtande und deſſen Gedancken vermiſchet worden. 22. So iſt demnach der Wille eine Krafft der Menſchlichen Seelen/ vermoͤge welcher der Menſch zu etwas geneiget wird/ und her- nach ſich ſelbſten antreibet etwas zu thun oder zu laſſen. 23. Und weil wir in der Einleitung zur Ver- nunfft- F

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/93>, abgerufen am 25.04.2024.