Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschluß.
se/ derer unterschiedenes Wasser man auch dem
Gesichte nach bey ihren Gräntzen erkennet/ ob sie
schon in attactu und der Berührung der Gestalt
miteinander vereinigt sind/ daß man bey denen
Gräntzen/ die man doch siehet/ so zu sagen/ nicht
einen Tropffen heraus nehmen kan/ darinnen
nicht beyde Flüsse concurrirten.

5. Wie aber nunmehro die Göttliche
Gnade die
Defectus der Sitten-Lehre suppli-
re/ bin ich zu lehren untüchtig/ weil ich davon
noch nicht allenthalben eine lebendige Erkäntnüß
in völliger Krafft habe/ hoffe aber doch/ es solle
dieselbe/ ob sie schon noch sehr schwach ist/ dennoch
nicht gar todt seyn. Und damit jederman erken-
nen und prüfen möge/ was daran sey/ und ob er
mich nach denen Lästerungen meiner Feinde als
einen Atheisten oder Ketzer zu meiden/ oder einen
die Wahrheit mit Eyffer suchenden Menschen
anzusehen habe/ wil ich dißfalls mein Symbo-
lum fidei
aufrichtig sagen. Selbiges aber hat
kein Mensch/ auch nicht ein Prophet oder Apo-
stel gemacht/ sondern der mehr ist als alle Pro-
pheten und Apostel/ nemlich unser Heyland/ der
deshalben in die Welt kommen ist/ daß er die
Menschen von allem Ubel erlösen/ und zu dem
höchsten Gut/ (dessen Erlangung keine Sitten-
Lehre geben kan/) bringen möge. Es ist solches
enthalten in der Berg-Predigt/ und in denen
acht Seligkeiten/ damit der Heyland seine
Berg-Predigt anhebet. Darinnen habe ich die

gantze
L l 3

Beſchluß.
ſe/ derer unterſchiedenes Waſſer man auch dem
Geſichte nach bey ihren Graͤntzen erkennet/ ob ſie
ſchon in attactu und der Beruͤhrung der Geſtalt
miteinander vereinigt ſind/ daß man bey denen
Graͤntzen/ die man doch ſiehet/ ſo zu ſagen/ nicht
einen Tropffen heraus nehmen kan/ darinnen
nicht beyde Fluͤſſe concurrirten.

5. Wie aber nunmehro die Goͤttliche
Gnade die
Defectus der Sitten-Lehre ſuppli-
re/ bin ich zu lehren untuͤchtig/ weil ich davon
noch nicht allenthalben eine lebendige Erkaͤntnuͤß
in voͤlliger Krafft habe/ hoffe aber doch/ es ſolle
dieſelbe/ ob ſie ſchon noch ſehr ſchwach iſt/ dennoch
nicht gar todt ſeyn. Und damit jederman erken-
nen und pruͤfen moͤge/ was daran ſey/ und ob er
mich nach denen Laͤſterungen meiner Feinde als
einen Atheiſten oder Ketzer zu meiden/ oder einen
die Wahrheit mit Eyffer ſuchenden Menſchen
anzuſehen habe/ wil ich dißfalls mein Symbo-
lum fidei
aufrichtig ſagen. Selbiges aber hat
kein Menſch/ auch nicht ein Prophet oder Apo-
ſtel gemacht/ ſondern der mehr iſt als alle Pro-
pheten und Apoſtel/ nemlich unſer Heyland/ der
deshalben in die Welt kommen iſt/ daß er die
Menſchen von allem Ubel erloͤſen/ und zu dem
hoͤchſten Gut/ (deſſen Erlangung keine Sitten-
Lehre geben kan/) bringen moͤge. Es iſt ſolches
enthalten in der Berg-Predigt/ und in denen
acht Seligkeiten/ damit der Heyland ſeine
Berg-Predigt anhebet. Darinnen habe ich die

gantze
L l 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0545" n="533"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chluß.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;e/</hi> derer unter&#x017F;chiedenes Wa&#x017F;&#x017F;er man auch dem<lb/>
Ge&#x017F;ichte nach bey ihren Gra&#x0364;ntzen erkennet/ ob &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon <hi rendition="#aq">in attactu</hi> und der Beru&#x0364;hrung der Ge&#x017F;talt<lb/>
miteinander vereinigt &#x017F;ind/ daß man bey denen<lb/>
Gra&#x0364;ntzen/ die man doch &#x017F;iehet/ &#x017F;o zu &#x017F;agen/ nicht<lb/>
einen Tropffen heraus nehmen kan/ darinnen<lb/>
nicht beyde Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">concurrirt</hi>en.</p><lb/>
        <p>5. Wie aber nunmehro <hi rendition="#fr">die Go&#x0364;ttliche<lb/>
Gnade die</hi> <hi rendition="#aq">Defectus</hi> <hi rendition="#fr">der Sitten-</hi>L<hi rendition="#fr">ehre</hi> <hi rendition="#aq">&#x017F;uppli-</hi><lb/>
re/ bin ich zu lehren untu&#x0364;chtig/ weil ich davon<lb/>
noch nicht allenthalben eine lebendige Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß<lb/>
in vo&#x0364;lliger Krafft habe/ hoffe aber doch/ es &#x017F;olle<lb/>
die&#x017F;elbe/ ob &#x017F;ie &#x017F;chon noch &#x017F;ehr &#x017F;chwach i&#x017F;t/ dennoch<lb/>
nicht gar todt &#x017F;eyn. Und damit jederman erken-<lb/>
nen und pru&#x0364;fen mo&#x0364;ge/ was daran &#x017F;ey/ und ob er<lb/>
mich nach denen La&#x0364;&#x017F;terungen meiner Feinde als<lb/>
einen Athei&#x017F;ten oder Ketzer zu meiden/ oder einen<lb/>
die Wahrheit mit Eyffer &#x017F;uchenden Men&#x017F;chen<lb/>
anzu&#x017F;ehen habe/ wil ich <hi rendition="#fr">dißfalls</hi> mein <hi rendition="#aq">Symbo-<lb/>
lum fidei</hi> aufrichtig &#x017F;agen. Selbiges aber hat<lb/>
kein Men&#x017F;ch/ auch nicht ein Prophet oder Apo-<lb/>
&#x017F;tel gemacht/ &#x017F;ondern der mehr i&#x017F;t als alle Pro-<lb/>
pheten und Apo&#x017F;tel/ nemlich un&#x017F;er Heyland/ der<lb/>
deshalben in die Welt kommen i&#x017F;t/ daß er die<lb/>
Men&#x017F;chen von allem Ubel erlo&#x0364;&#x017F;en/ und zu dem<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gut/ (de&#x017F;&#x017F;en Erlangung keine Sitten-<lb/>
Lehre geben kan/) bringen mo&#x0364;ge. Es i&#x017F;t &#x017F;olches<lb/>
enthalten in der Berg-Predigt/ und in denen<lb/><hi rendition="#fr">acht Seligkeiten/</hi> damit der Heyland &#x017F;eine<lb/>
Berg-Predigt anhebet. Darinnen habe ich <hi rendition="#fr">die</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gantze</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[533/0545] Beſchluß. ſe/ derer unterſchiedenes Waſſer man auch dem Geſichte nach bey ihren Graͤntzen erkennet/ ob ſie ſchon in attactu und der Beruͤhrung der Geſtalt miteinander vereinigt ſind/ daß man bey denen Graͤntzen/ die man doch ſiehet/ ſo zu ſagen/ nicht einen Tropffen heraus nehmen kan/ darinnen nicht beyde Fluͤſſe concurrirten. 5. Wie aber nunmehro die Goͤttliche Gnade die Defectus der Sitten-Lehre ſuppli- re/ bin ich zu lehren untuͤchtig/ weil ich davon noch nicht allenthalben eine lebendige Erkaͤntnuͤß in voͤlliger Krafft habe/ hoffe aber doch/ es ſolle dieſelbe/ ob ſie ſchon noch ſehr ſchwach iſt/ dennoch nicht gar todt ſeyn. Und damit jederman erken- nen und pruͤfen moͤge/ was daran ſey/ und ob er mich nach denen Laͤſterungen meiner Feinde als einen Atheiſten oder Ketzer zu meiden/ oder einen die Wahrheit mit Eyffer ſuchenden Menſchen anzuſehen habe/ wil ich dißfalls mein Symbo- lum fidei aufrichtig ſagen. Selbiges aber hat kein Menſch/ auch nicht ein Prophet oder Apo- ſtel gemacht/ ſondern der mehr iſt als alle Pro- pheten und Apoſtel/ nemlich unſer Heyland/ der deshalben in die Welt kommen iſt/ daß er die Menſchen von allem Ubel erloͤſen/ und zu dem hoͤchſten Gut/ (deſſen Erlangung keine Sitten- Lehre geben kan/) bringen moͤge. Es iſt ſolches enthalten in der Berg-Predigt/ und in denen acht Seligkeiten/ damit der Heyland ſeine Berg-Predigt anhebet. Darinnen habe ich die gantze L l 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/545
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/545>, abgerufen am 24.04.2024.