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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 15. H. von der Unzulängligkeit
setzen und derer Ausübung viel zu erinnern/
indem auch dieser Theil der Jurisprudenz von
der Fussolen bis auf das Haupt verdorben ist;
Aber weil dieses mehr zu einer andern Disciplin
als zur Sitten-Lehre gehöret/ als wollen wir
uns dabey nicht aufhalten.

21. Doch kan ich den gemeinen Jrrthum
der Sitten-Lehre/
wie solche überal getrieben
wird/ unerinnert nicht lassen; Daß nemlich auch
die gesunde Vernunfft/ und die obigen Demon-
strationes
weisen/ daß zwar dem Menschen sein
Thun und Lassen zur Straffe könne imputiret
werden; Aber daß er gantz und gar nicht ein
Lob verdienen könne/ wenn er etwas Gutes
thue.
Denn (1.) thut er nach seiner Natur
nichts Gutes/ sondern lauter Böses/ nur daß
ein Böses nicht so schädlich scheinet als das an-
dere. (2.) Wenn er seinen Willen also gebraucht/
daß er seinem Muthwillen nicht folget/ und nicht
so gar schlimm ist/ als er wohl seyn könte/ da-
durch verdienet er so wenig Lob/ als ein Dieb/
der nur hundert Thaler gestohlen/ da er tau-
fend zu stehlen Gelegenheit gehabt. (kk) So
verdienet auch (3.) der Wohllüstige kein Lob/
wenn er nicht so Ehrgeitzig ist als der Ehrgeitzige/
noch der Ehr-Geitzige/ wenn er nicht so Geld-
geitzig ist als der Geld-Geitzige/ noch der Geld-
Geitzige/ wenn er nicht so wohllüstig ist als der

Wohl-
(kk) Conf. Henr. Morus in Schol. ad lib. 3. c. 1,
Sect. 2. Enchir. Ethic.

Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit
ſetzen und derer Ausuͤbung viel zu erinnern/
indem auch dieſer Theil der Jurisprudenz von
der Fuſſolen bis auf das Haupt verdorben iſt;
Aber weil dieſes mehr zu einer andern Diſciplin
als zur Sitten-Lehre gehoͤret/ als wollen wir
uns dabey nicht aufhalten.

21. Doch kan ich den gemeinen Jrrthum
der Sitten-Lehre/
wie ſolche uͤberal getrieben
wird/ unerinnert nicht laſſen; Daß nemlich auch
die geſunde Vernunfft/ und die obigen Demon-
ſtrationes
weiſen/ daß zwar dem Menſchen ſein
Thun und Laſſen zur Straffe koͤnne imputiret
werden; Aber daß er gantz und gar nicht ein
Lob verdienen koͤnne/ wenn er etwas Gutes
thue.
Denn (1.) thut er nach ſeiner Natur
nichts Gutes/ ſondern lauter Boͤſes/ nur daß
ein Boͤſes nicht ſo ſchaͤdlich ſcheinet als das an-
dere. (2.) Wenn er ſeinen Willen alſo gebraucht/
daß er ſeinem Muthwillen nicht folget/ und nicht
ſo gar ſchlimm iſt/ als er wohl ſeyn koͤnte/ da-
durch verdienet er ſo wenig Lob/ als ein Dieb/
der nur hundert Thaler geſtohlen/ da er tau-
fend zu ſtehlen Gelegenheit gehabt. (kk) So
verdienet auch (3.) der Wohlluͤſtige kein Lob/
wenn er nicht ſo Ehrgeitzig iſt als der Ehrgeitzige/
noch der Ehr-Geitzige/ wenn er nicht ſo Geld-
geitzig iſt als der Geld-Geitzige/ noch der Geld-
Geitzige/ wenn er nicht ſo wohlluͤſtig iſt als der

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(kk) Conf. Henr. Morus in Schol. ad lib. 3. c. 1,
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[518/0530] Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit ſetzen und derer Ausuͤbung viel zu erinnern/ indem auch dieſer Theil der Jurisprudenz von der Fuſſolen bis auf das Haupt verdorben iſt; Aber weil dieſes mehr zu einer andern Diſciplin als zur Sitten-Lehre gehoͤret/ als wollen wir uns dabey nicht aufhalten. 21. Doch kan ich den gemeinen Jrrthum der Sitten-Lehre/ wie ſolche uͤberal getrieben wird/ unerinnert nicht laſſen; Daß nemlich auch die geſunde Vernunfft/ und die obigen Demon- ſtrationes weiſen/ daß zwar dem Menſchen ſein Thun und Laſſen zur Straffe koͤnne imputiret werden; Aber daß er gantz und gar nicht ein Lob verdienen koͤnne/ wenn er etwas Gutes thue. Denn (1.) thut er nach ſeiner Natur nichts Gutes/ ſondern lauter Boͤſes/ nur daß ein Boͤſes nicht ſo ſchaͤdlich ſcheinet als das an- dere. (2.) Wenn er ſeinen Willen alſo gebraucht/ daß er ſeinem Muthwillen nicht folget/ und nicht ſo gar ſchlimm iſt/ als er wohl ſeyn koͤnte/ da- durch verdienet er ſo wenig Lob/ als ein Dieb/ der nur hundert Thaler geſtohlen/ da er tau- fend zu ſtehlen Gelegenheit gehabt. (kk) So verdienet auch (3.) der Wohlluͤſtige kein Lob/ wenn er nicht ſo Ehrgeitzig iſt als der Ehrgeitzige/ noch der Ehr-Geitzige/ wenn er nicht ſo Geld- geitzig iſt als der Geld-Geitzige/ noch der Geld- Geitzige/ wenn er nicht ſo wohlluͤſtig iſt als der Wohl- (kk) Conf. Henr. Morus in Schol. ad lib. 3. c. 1, Sect. 2. Enchir. Ethic.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/530>, abgerufen am 25.04.2024.