Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 14. H. von der vernünfft. Kunst/
meiden. Er wird nach Gelegenheit der herr-
schenden Passion auch delicate Speise und
Tranck/ Weibliches Geschlechte/ Lob der
Menschen/
und solche Geschäffte/ dabey grosse
Ehre oder viel Geld zu erwerben ist/ fliehen.

21. Die vernünfftige Liebe muß durch
entgegen gesetzte Mittel erhaben werden. Gu-
te Exempel
reitzen gute Sitten/ und Ubung
eines Dinges
macht geschickt. Derowegen ist
es vernünfftig/ daß ein Mensch/ der sich bessern
wil/ die Gesellschafft tugendhaffter Leute
sucht/ die dem Laster/ das über ihn herrschet/
nicht ergeben sind/ ingleichen/ daß er Gelegen-
heit
sucht etwas vorzunehmen/ dadurch er zur
Arbeit sich nach und nach angewehne/ die
Leute mit Liebe/ ohne grosse Ehre und Herr-
schafft
zu praetendiren/ sich verbinde/ und ar-
men dürfftigen
Leuten/ die ihm solches nicht
vergelten können/ Dienste thue.

22. Gleichwie aber ein Patiente/ wenn er
Artzney gebraucht hat/ nicht stets auf seinem
Krancken-Lager liegen bleibet/ sondern nach und
nach versucht/ ob er sich vom Bette aufmachen/
die frische Lufft vertragen/ und die gewöhnliche
Arbeit gesunder Leute verrichten könne: Gleich-
wie einer/ so fechten lernet/ nicht stets lectiones
nimmet/ sondern dann und wann versucht/ ob
er auch die lectiones sich zu defendiren bey Ge-
legenheit anwenden könne: Also muß auch ein
Mensch/ der seine Affecten dämpffen wil/ an-

fan-

Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/
meiden. Er wird nach Gelegenheit der herr-
ſchenden Paſſion auch delicate Speiſe und
Tranck/ Weibliches Geſchlechte/ Lob der
Menſchen/
und ſolche Geſchaͤffte/ dabey groſſe
Ehre oder viel Geld zu erwerben iſt/ fliehen.

21. Die vernuͤnfftige Liebe muß durch
entgegen geſetzte Mittel erhaben werden. Gu-
te Exempel
reitzen gute Sitten/ und Ubung
eines Dinges
macht geſchickt. Derowegen iſt
es vernuͤnfftig/ daß ein Menſch/ der ſich beſſern
wil/ die Geſellſchafft tugendhaffter Leute
ſucht/ die dem Laſter/ das uͤber ihn herrſchet/
nicht ergeben ſind/ ingleichen/ daß er Gelegen-
heit
ſucht etwas vorzunehmen/ dadurch er zur
Arbeit ſich nach und nach angewehne/ die
Leute mit Liebe/ ohne groſſe Ehre und Herr-
ſchafft
zu prætendiren/ ſich verbinde/ und ar-
men duͤrfftigen
Leuten/ die ihm ſolches nicht
vergelten koͤnnen/ Dienſte thue.

22. Gleichwie aber ein Patiente/ wenn er
Artzney gebraucht hat/ nicht ſtets auf ſeinem
Krancken-Lager liegen bleibet/ ſondern nach und
nach verſucht/ ob er ſich vom Bette aufmachen/
die friſche Lufft vertragen/ und die gewoͤhnliche
Arbeit geſunder Leute verrichten koͤnne: Gleich-
wie einer/ ſo fechten lernet/ nicht ſtets lectiones
nimmet/ ſondern dann und wann verſucht/ ob
er auch die lectiones ſich zu defendiren bey Ge-
legenheit anwenden koͤnne: Alſo muß auch ein
Menſch/ der ſeine Affecten daͤmpffen wil/ an-

fan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0490" n="478"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 14. H. von der vernu&#x0364;nfft. Kun&#x017F;t/</hi></fw><lb/>
meiden. Er wird nach Gelegenheit der herr-<lb/>
&#x017F;chenden <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion</hi> auch <hi rendition="#aq">delicate</hi> <hi rendition="#fr">Spei&#x017F;e</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Tranck/ Weibliches Ge&#x017F;chlechte/ Lob der<lb/>
Men&#x017F;chen/</hi> und &#x017F;olche <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte/</hi> dabey gro&#x017F;&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">Ehre</hi> oder viel <hi rendition="#fr">Geld</hi> zu erwerben i&#x017F;t/ fliehen.</p><lb/>
        <p>21. Die <hi rendition="#fr">vernu&#x0364;nfftige Liebe</hi> muß durch<lb/>
entgegen ge&#x017F;etzte Mittel <hi rendition="#fr">erhaben werden. Gu-<lb/>
te Exempel</hi> reitzen gute Sitten/ und <hi rendition="#fr">Ubung<lb/>
eines Dinges</hi> macht ge&#x017F;chickt. Derowegen i&#x017F;t<lb/>
es vernu&#x0364;nfftig/ daß ein Men&#x017F;ch/ der &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
wil/ <hi rendition="#fr">die Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft tugendhaffter Leute</hi><lb/>
&#x017F;ucht/ die dem La&#x017F;ter/ das u&#x0364;ber ihn herr&#x017F;chet/<lb/>
nicht ergeben &#x017F;ind/ ingleichen/ daß er <hi rendition="#fr">Gelegen-<lb/>
heit</hi> &#x017F;ucht etwas vorzunehmen/ dadurch er zur<lb/><hi rendition="#fr">Arbeit</hi> &#x017F;ich nach und nach angewehne/ die<lb/>
Leute mit Liebe/ ohne gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Ehre</hi> und <hi rendition="#fr">Herr-<lb/>
&#x017F;chafft</hi> zu <hi rendition="#aq">prætendir</hi>en/ &#x017F;ich verbinde/ und <hi rendition="#fr">ar-<lb/>
men du&#x0364;rfftigen</hi> L<hi rendition="#fr">euten/</hi> die ihm &#x017F;olches nicht<lb/>
vergelten ko&#x0364;nnen/ Dien&#x017F;te thue.</p><lb/>
        <p>22. Gleichwie aber ein Patiente/ wenn er<lb/>
Artzney gebraucht hat/ nicht &#x017F;tets auf &#x017F;einem<lb/>
Krancken-Lager liegen bleibet/ &#x017F;ondern nach und<lb/>
nach ver&#x017F;ucht/ ob er &#x017F;ich vom Bette aufmachen/<lb/>
die fri&#x017F;che Lufft vertragen/ und die gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Arbeit ge&#x017F;under Leute verrichten ko&#x0364;nne: Gleich-<lb/>
wie einer/ &#x017F;o fechten lernet/ nicht &#x017F;tets <hi rendition="#aq">lectiones</hi><lb/>
nimmet/ &#x017F;ondern dann und wann ver&#x017F;ucht/ ob<lb/>
er auch die <hi rendition="#aq">lectiones</hi> &#x017F;ich zu <hi rendition="#aq">defendir</hi>en bey Ge-<lb/>
legenheit anwenden ko&#x0364;nne: Al&#x017F;o muß auch ein<lb/>
Men&#x017F;ch/ der &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Affect</hi>en da&#x0364;mpffen wil/ an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fan-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0490] Das 14. H. von der vernuͤnfft. Kunſt/ meiden. Er wird nach Gelegenheit der herr- ſchenden Paſſion auch delicate Speiſe und Tranck/ Weibliches Geſchlechte/ Lob der Menſchen/ und ſolche Geſchaͤffte/ dabey groſſe Ehre oder viel Geld zu erwerben iſt/ fliehen. 21. Die vernuͤnfftige Liebe muß durch entgegen geſetzte Mittel erhaben werden. Gu- te Exempel reitzen gute Sitten/ und Ubung eines Dinges macht geſchickt. Derowegen iſt es vernuͤnfftig/ daß ein Menſch/ der ſich beſſern wil/ die Geſellſchafft tugendhaffter Leute ſucht/ die dem Laſter/ das uͤber ihn herrſchet/ nicht ergeben ſind/ ingleichen/ daß er Gelegen- heit ſucht etwas vorzunehmen/ dadurch er zur Arbeit ſich nach und nach angewehne/ die Leute mit Liebe/ ohne groſſe Ehre und Herr- ſchafft zu prætendiren/ ſich verbinde/ und ar- men duͤrfftigen Leuten/ die ihm ſolches nicht vergelten koͤnnen/ Dienſte thue. 22. Gleichwie aber ein Patiente/ wenn er Artzney gebraucht hat/ nicht ſtets auf ſeinem Krancken-Lager liegen bleibet/ ſondern nach und nach verſucht/ ob er ſich vom Bette aufmachen/ die friſche Lufft vertragen/ und die gewoͤhnliche Arbeit geſunder Leute verrichten koͤnne: Gleich- wie einer/ ſo fechten lernet/ nicht ſtets lectiones nimmet/ ſondern dann und wann verſucht/ ob er auch die lectiones ſich zu defendiren bey Ge- legenheit anwenden koͤnne: Alſo muß auch ein Menſch/ der ſeine Affecten daͤmpffen wil/ an- fan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/490
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/490>, abgerufen am 20.04.2024.