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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Tochter der Eyfersucht.
schehen. Die so genante AEmulation gehöret
auff gewisse Masse mit hieher. Denn ob wohl in
derselben ihrer zwey oder mehr umb eine Sache
dergestalt streiten/ daß es ein jeder gerne haben
wolte/ und also in der AEmulation mehr Begierde
zum Guten/ als Betrübniß über des andern sein
Gutes zu seyn scheinet/ so steckt doch gemeiniglich
hinter der AEmulation eine heimliche Anfein-
dung dessen/ mit dem man aemuliret/ und folg-
lich auch ein Neid. Es war ja eine AEmulation
zwischen den beyden Huren für dem Gericht des
Salomo über das lebendige Kind: Und den-
noch brach endlich der hinter dieser AEmulation
bey der einen Huren steckende Neid herfür/ mit
ihren: Es sey weder mein noch dein/ dadurch
sie zu verstehen gab/ daß ihr viel weher thäte/
wenn die andre das lebendige Kind besitzen/ als
wenn sie es selbst missen solte. Nichts destowe-
niger wird die AEmulation gemeiniglich für eine
schöne und löbliche Tugend gehalten. Man sagt
nicht alleine von erwachsenen Leuten; Es ist ei-
ne honnete AEmulation zwischen diesen und
diesen; sondern die Leute/ die denen Kindern
den Saamen der Tugend beybringen solten/ ich
meine die Praeceptores und Professores auff
hohen und niedern Schulen/ gewehnen
junge Leute in ihrer zarten Jugend zur

AEmulation, und vermahnen sie wohl dazu.
Daß ich von der brutalität des so genanten
oertirens nichts erwehne/ als welches noch

schänd-

Tochter der Eyferſucht.
ſchehen. Die ſo genante Æmulation gehoͤret
auff gewiſſe Maſſe mit hieher. Denn ob wohl in
derſelben ihrer zwey oder mehr umb eine Sache
dergeſtalt ſtreiten/ daß es ein jeder gerne haben
wolte/ und alſo in der Æmulation mehr Begierde
zum Guten/ als Betruͤbniß uͤber des andern ſein
Gutes zu ſeyn ſcheinet/ ſo ſteckt doch gemeiniglich
hinter der Æmulation eine heimliche Anfein-
dung deſſen/ mit dem man æmuliret/ und folg-
lich auch ein Neid. Es war ja eine Æmulation
zwiſchen den beyden Huren fuͤr dem Gericht des
Salomo uͤber das lebendige Kind: Und den-
noch brach endlich der hinter dieſer Æmulation
bey der einen Huren ſteckende Neid herfuͤr/ mit
ihren: Es ſey weder mein noch dein/ dadurch
ſie zu verſtehen gab/ daß ihr viel weher thaͤte/
wenn die andre das lebendige Kind beſitzen/ als
wenn ſie es ſelbſt miſſen ſolte. Nichts deſtowe-
niger wird die Æmulation gemeiniglich fuͤr eine
ſchoͤne und loͤbliche Tugend gehalten. Man ſagt
nicht alleine von erwachſenen Leuten; Es iſt ei-
ne honnete Æmulation zwiſchen dieſen und
dieſen; ſondern die Leute/ die denen Kindern
den Saamen der Tugend beybringen ſolten/ ich
meine die Præceptores und Profeſſores auff
hohen und niedern Schulen/ gewehnen
junge Leute in ihrer zarten Jugend zur

Æmulation, und vermahnen ſie wohl dazu.
Daß ich von der brutalitaͤt des ſo genanten
oertirens nichts erwehne/ als welches noch

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[443/0455] Tochter der Eyferſucht. ſchehen. Die ſo genante Æmulation gehoͤret auff gewiſſe Maſſe mit hieher. Denn ob wohl in derſelben ihrer zwey oder mehr umb eine Sache dergeſtalt ſtreiten/ daß es ein jeder gerne haben wolte/ und alſo in der Æmulation mehr Begierde zum Guten/ als Betruͤbniß uͤber des andern ſein Gutes zu ſeyn ſcheinet/ ſo ſteckt doch gemeiniglich hinter der Æmulation eine heimliche Anfein- dung deſſen/ mit dem man æmuliret/ und folg- lich auch ein Neid. Es war ja eine Æmulation zwiſchen den beyden Huren fuͤr dem Gericht des Salomo uͤber das lebendige Kind: Und den- noch brach endlich der hinter dieſer Æmulation bey der einen Huren ſteckende Neid herfuͤr/ mit ihren: Es ſey weder mein noch dein/ dadurch ſie zu verſtehen gab/ daß ihr viel weher thaͤte/ wenn die andre das lebendige Kind beſitzen/ als wenn ſie es ſelbſt miſſen ſolte. Nichts deſtowe- niger wird die Æmulation gemeiniglich fuͤr eine ſchoͤne und loͤbliche Tugend gehalten. Man ſagt nicht alleine von erwachſenen Leuten; Es iſt ei- ne honnete Æmulation zwiſchen dieſen und dieſen; ſondern die Leute/ die denen Kindern den Saamen der Tugend beybringen ſolten/ ich meine die Præceptores und Profeſſores auff hohen und niedern Schulen/ gewehnen junge Leute in ihrer zarten Jugend zur Æmulation, und vermahnen ſie wohl dazu. Daß ich von der brutalitaͤt des ſo genanten oertirens nichts erwehne/ als welches noch ſchaͤnd-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/455>, abgerufen am 25.04.2024.