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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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daß er nie indifferent sey.
nens etwas schliessen. Man pflegt ja gemei-
niglich den Spruch anzuführen: Zürnet und
sündiget nicht/
(i) oder wie es in Psalm stehet:
Zürnet ihr so sündiget nicht/ (k) und merckt
dabey an: Daß das zürnen/ als was indiffe-
rentes
wohl zugelassen sey/ wenn man es nicht
zu grob mache und darüber sündige. So hat
auch ein frommer und Christlicher Theologus,
den ich ehrenthalber nicht nenne/ angemercket/
daß Matth. V. v. 22. wo unsere deutsche Dol-
metschung Lutheri hat: Wer mit seinen
Bruder zürnet/
in dem Griechischen noch dar-
bey stehet freventlich/ oder ohne Ursach/ und
also ein Unterscheid unter zürnen und freventlich
oder vergebens zürnen/ gemacht werde. Aber
darauff ist nun kürtzlich meine Antwort/ daß
dieses alles nur die indifferenz des zürnens/
nicht aber des Zornes oder des zornig seyns
darthue.

40. Daß aber von GOtt gesaget wird/
daß er Zorn habe und zornig sey/ das rechtfer-
tiget des Menschen Zorn so wenig/ als die Rache
die sich GOtt vorbehält/ des Menschen Rache
rechtfertiget. Und können wir zugleich daraus/
daß GOtt dem Menschen die Rache verbeut/ und

doch
(i) Eph. 5. v. 26.
(k) Psalm. 4.

daß er nie indifferent ſey.
nens etwas ſchlieſſen. Man pflegt ja gemei-
niglich den Spruch anzufuͤhren: Zuͤrnet und
ſuͤndiget nicht/
(i) oder wie es in Pſalm ſtehet:
Zuͤrnet ihr ſo ſuͤndiget nicht/ (k) und merckt
dabey an: Daß das zuͤrnen/ als was indiffe-
rentes
wohl zugelaſſen ſey/ wenn man es nicht
zu grob mache und daruͤber ſuͤndige. So hat
auch ein frommer und Chriſtlicher Theologus,
den ich ehrenthalber nicht nenne/ angemercket/
daß Matth. V. v. 22. wo unſere deutſche Dol-
metſchung Lutheri hat: Wer mit ſeinen
Bruder zuͤrnet/
in dem Griechiſchen noch dar-
bey ſtehet freventlich/ oder ohne Urſach/ und
alſo ein Unterſcheid unter zuͤrnen und freventlich
oder vergebens zuͤrnen/ gemacht werde. Aber
darauff iſt nun kuͤrtzlich meine Antwort/ daß
dieſes alles nur die indifferenz des zuͤrnens/
nicht aber des Zornes oder des zornig ſeyns
darthue.

40. Daß aber von GOtt geſaget wird/
daß er Zorn habe und zornig ſey/ das rechtfer-
tiget des Menſchen Zorn ſo wenig/ als die Rache
die ſich GOtt vorbehaͤlt/ des Menſchen Rache
rechtfertiget. Und koͤnnen wir zugleich daraus/
daß GOtt dem Menſchen die Rache verbeut/ und

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(i) Eph. 5. v. 26.
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[429/0441] daß er nie indifferent ſey. nens etwas ſchlieſſen. Man pflegt ja gemei- niglich den Spruch anzufuͤhren: Zuͤrnet und ſuͤndiget nicht/ (i) oder wie es in Pſalm ſtehet: Zuͤrnet ihr ſo ſuͤndiget nicht/ (k) und merckt dabey an: Daß das zuͤrnen/ als was indiffe- rentes wohl zugelaſſen ſey/ wenn man es nicht zu grob mache und daruͤber ſuͤndige. So hat auch ein frommer und Chriſtlicher Theologus, den ich ehrenthalber nicht nenne/ angemercket/ daß Matth. V. v. 22. wo unſere deutſche Dol- metſchung Lutheri hat: Wer mit ſeinen Bruder zuͤrnet/ in dem Griechiſchen noch dar- bey ſtehet freventlich/ oder ohne Urſach/ und alſo ein Unterſcheid unter zuͤrnen und freventlich oder vergebens zuͤrnen/ gemacht werde. Aber darauff iſt nun kuͤrtzlich meine Antwort/ daß dieſes alles nur die indifferenz des zuͤrnens/ nicht aber des Zornes oder des zornig ſeyns darthue. 40. Daß aber von GOtt geſaget wird/ daß er Zorn habe und zornig ſey/ das rechtfer- tiget des Menſchen Zorn ſo wenig/ als die Rache die ſich GOtt vorbehaͤlt/ des Menſchen Rache rechtfertiget. Und koͤnnen wir zugleich daraus/ daß GOtt dem Menſchen die Rache verbeut/ und doch (i) Eph. 5. v. 26. (k) Pſalm. 4.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/441>, abgerufen am 20.04.2024.