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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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des Müßiggangs.
uns derselben gar wohl als unbetrüglicher oder
doch als selten berrüglicher Kennzeichen des
Müßiggangs und folglich der Wohllust bedie-
nen. Die dritte Art gehöret zu einem subti-
len Müßiggang/ und ist selbige zu nichts mehr
nütze/ als daß wir uns hüten/ daß er uns nicht be-
triege/ und ein wohllüstiger Mensch sich darhin-
ter verberge. Wie aber unterschiedene Arten
und gleichsam Grade des groben Müßiggangs
sind; Also sind auch viel unterschiedene Gra-
de
des subtilen/ die alle dahin zu brauchen/ daß
wir sonderlich in der Erkäntniß unserer selbst/
oder auch anderer Menschen denselben nicht et-
wan für eine Tugend ansehen/
zu mahl wenn
die selbst Liebe das Menschliche Geschlecht all-
bereit verleitet/ daß auch die Gelehrtesten
insgemein denselben als eine
Tugend rüh-
men.

26. Also hat die eigene Liebe fast alle Ge-
lehrte bethöret/ daß sie sich schwerlich bereden
können/ daß auch in dem Studieren ein Müs-
siggang stecke;
ja den für einen Fantasten
halten/ der sich solches zu behaupten unterfangen
solte. Das gestehet man ja wohl/ daß man das
Studieren
zum Ehrgeitz und Rachgier/ zum
Geldgeitz und Gewinnsucht mißbrauchen kön-
ne. Aber daß man es zum Müßiggange miß-
brauchen solle/ will ihnen nicht in Kopff. Zwar
wird auch keiner leugnen/ daß nicht ein Müßig-
gänger etwan einmahl und sehr selten das studi-

ren

des Muͤßiggangs.
uns derſelben gar wohl als unbetruͤglicher oder
doch als ſelten berruͤglicher Kennzeichen des
Muͤßiggangs und folglich der Wohlluſt bedie-
nen. Die dritte Art gehoͤret zu einem ſubti-
len Muͤßiggang/ und iſt ſelbige zu nichts mehr
nuͤtze/ als daß wir uns huͤten/ daß er uns nicht be-
triege/ und ein wohlluͤſtiger Menſch ſich darhin-
ter verberge. Wie aber unterſchiedene Arten
und gleichſam Grade des groben Muͤßiggangs
ſind; Alſo ſind auch viel unterſchiedene Gra-
de
des ſubtilen/ die alle dahin zu brauchen/ daß
wir ſonderlich in der Erkaͤntniß unſerer ſelbſt/
oder auch anderer Menſchen denſelben nicht et-
wan fuͤr eine Tugend anſehen/
zu mahl wenn
die ſelbſt Liebe das Menſchliche Geſchlecht all-
bereit verleitet/ daß auch die Gelehrteſten
insgemein denſelben als eine
Tugend ruͤh-
men.

26. Alſo hat die eigene Liebe faſt alle Ge-
lehrte bethoͤret/ daß ſie ſich ſchwerlich bereden
koͤnnen/ daß auch in dem Studieren ein Muͤſ-
ſiggang ſtecke;
ja den fuͤr einen Fantaſten
halten/ der ſich ſolches zu behaupten unterfangen
ſolte. Das geſtehet man ja wohl/ daß man das
Studieren
zum Ehrgeitz und Rachgier/ zum
Geldgeitz und Gewinnſucht mißbrauchen koͤn-
ne. Aber daß man es zum Muͤßiggange miß-
brauchen ſolle/ will ihnen nicht in Kopff. Zwar
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[415/0427] des Muͤßiggangs. uns derſelben gar wohl als unbetruͤglicher oder doch als ſelten berruͤglicher Kennzeichen des Muͤßiggangs und folglich der Wohlluſt bedie- nen. Die dritte Art gehoͤret zu einem ſubti- len Muͤßiggang/ und iſt ſelbige zu nichts mehr nuͤtze/ als daß wir uns huͤten/ daß er uns nicht be- triege/ und ein wohlluͤſtiger Menſch ſich darhin- ter verberge. Wie aber unterſchiedene Arten und gleichſam Grade des groben Muͤßiggangs ſind; Alſo ſind auch viel unterſchiedene Gra- de des ſubtilen/ die alle dahin zu brauchen/ daß wir ſonderlich in der Erkaͤntniß unſerer ſelbſt/ oder auch anderer Menſchen denſelben nicht et- wan fuͤr eine Tugend anſehen/ zu mahl wenn die ſelbſt Liebe das Menſchliche Geſchlecht all- bereit verleitet/ daß auch die Gelehrteſten insgemein denſelben als eine Tugend ruͤh- men. 26. Alſo hat die eigene Liebe faſt alle Ge- lehrte bethoͤret/ daß ſie ſich ſchwerlich bereden koͤnnen/ daß auch in dem Studieren ein Muͤſ- ſiggang ſtecke; ja den fuͤr einen Fantaſten halten/ der ſich ſolches zu behaupten unterfangen ſolte. Das geſtehet man ja wohl/ daß man das Studieren zum Ehrgeitz und Rachgier/ zum Geldgeitz und Gewinnſucht mißbrauchen koͤn- ne. Aber daß man es zum Muͤßiggange miß- brauchen ſolle/ will ihnen nicht in Kopff. Zwar wird auch keiner leugnen/ daß nicht ein Muͤßig- gaͤnger etwan einmahl und ſehr ſelten das ſtudi- ren

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/427>, abgerufen am 24.04.2024.