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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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des Müßiggangs.

14. Aber übereile dich nicht. Denn du
bist noch nicht auf den rechtem Wege. Einem
arbeitsamen Menschen wird es säuerer/ (das
ist/ es ist ihm verdrießlicher) müßig zu gehen als
zu arbeiten; und die gewohnte Arbeit kömmt
ihm nicht sauer an. Wird es einen Müßiggän-
ger
nicht offte blutsauer/ wenn er mit Leib- und
Lebens-Gefahr über wohl verwahrte Mauern
seiner unzuläßlichen geilen Lust nachgehet; Wenn
er sich selbst forciren muß/ die Sauff-Kunst mit
seinen grossen. Verdruß und Ungelegenheit zu
lernen; wenn er in Kegel oder Ballspielen sich so
sehr abmattet als ein Tagelöhner/ wenn er dri-
schet oder holtzhauet; Wenn er halbe Todes-
Angst ausstehet/ ehe er den Toback vertragen ler-
net; Wenn ihm die Zeit lang und verdrießlich
wird/ wenn er keine Gesellschafft hat/ wie er sie
wünschet; Da hingegen einem arbeitsamen
Menschen die Zeit bey seiner Arbeit gleichsam
unter den Händen weggehet. Und also siehest
du/ daß das sauer werden kein wesentlich Stück
des Müßiggangs sey/ sondern bloß von der Un-
gewohnheit
herrühre.

15. Jst denn etwan der Unterscheid zwi-
schen den Müßiggang und der Arbeitsamkeit/ in
der langen
Weile? Vielleicht. Denn einen
Müßiggänger wird die
Weile schrecklich
lang/
wenn er nicht bey andern Müßiggängern
ist/ und wenn er schon bey ihnen ist und nicht offte
veränderte Lust haben kan/ wird sie ihm doch lang.

Dan-
Cc 3
des Muͤßiggangs.

14. Aber uͤbereile dich nicht. Denn du
biſt noch nicht auf den rechtem Wege. Einem
arbeitſamen Menſchen wird es ſaͤuerer/ (das
iſt/ es iſt ihm verdrießlicher) muͤßig zu gehen als
zu arbeiten; und die gewohnte Arbeit koͤmmt
ihm nicht ſauer an. Wird es einen Muͤßiggaͤn-
ger
nicht offte blutſauer/ wenn er mit Leib- und
Lebens-Gefahr uͤber wohl verwahrte Mauern
ſeiner unzulaͤßlichen geilen Luſt nachgehet; Wenn
er ſich ſelbſt forciren muß/ die Sauff-Kunſt mit
ſeinen groſſen. Verdruß und Ungelegenheit zu
lernen; wenn er in Kegel oder Ballſpielen ſich ſo
ſehr abmattet als ein Tageloͤhner/ wenn er dri-
ſchet oder holtzhauet; Wenn er halbe Todes-
Angſt ausſtehet/ ehe er den Toback vertragen ler-
net; Wenn ihm die Zeit lang und verdrießlich
wird/ wenn er keine Geſellſchafft hat/ wie er ſie
wuͤnſchet; Da hingegen einem arbeitſamen
Menſchen die Zeit bey ſeiner Arbeit gleichſam
unter den Haͤnden weggehet. Und alſo ſieheſt
du/ daß das ſauer werden kein weſentlich Stuͤck
des Muͤßiggangs ſey/ ſondern bloß von der Un-
gewohnheit
herruͤhre.

15. Jſt denn etwan der Unterſcheid zwi-
ſchen den Muͤßiggang und der Arbeitſamkeit/ in
der langen
Weile? Vielleicht. Denn einen
Muͤßiggaͤnger wird die
Weile ſchrecklich
lang/
wenn er nicht bey andern Muͤßiggaͤngern
iſt/ und wenn er ſchon bey ihnen iſt und nicht offte
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Dan-
Cc 3
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[405/0417] des Muͤßiggangs. 14. Aber uͤbereile dich nicht. Denn du biſt noch nicht auf den rechtem Wege. Einem arbeitſamen Menſchen wird es ſaͤuerer/ (das iſt/ es iſt ihm verdrießlicher) muͤßig zu gehen als zu arbeiten; und die gewohnte Arbeit koͤmmt ihm nicht ſauer an. Wird es einen Muͤßiggaͤn- ger nicht offte blutſauer/ wenn er mit Leib- und Lebens-Gefahr uͤber wohl verwahrte Mauern ſeiner unzulaͤßlichen geilen Luſt nachgehet; Wenn er ſich ſelbſt forciren muß/ die Sauff-Kunſt mit ſeinen groſſen. Verdruß und Ungelegenheit zu lernen; wenn er in Kegel oder Ballſpielen ſich ſo ſehr abmattet als ein Tageloͤhner/ wenn er dri- ſchet oder holtzhauet; Wenn er halbe Todes- Angſt ausſtehet/ ehe er den Toback vertragen ler- net; Wenn ihm die Zeit lang und verdrießlich wird/ wenn er keine Geſellſchafft hat/ wie er ſie wuͤnſchet; Da hingegen einem arbeitſamen Menſchen die Zeit bey ſeiner Arbeit gleichſam unter den Haͤnden weggehet. Und alſo ſieheſt du/ daß das ſauer werden kein weſentlich Stuͤck des Muͤßiggangs ſey/ ſondern bloß von der Un- gewohnheit herruͤhre. 15. Jſt denn etwan der Unterſcheid zwi- ſchen den Muͤßiggang und der Arbeitſamkeit/ in der langen Weile? Vielleicht. Denn einen Muͤßiggaͤnger wird die Weile ſchrecklich lang/ wenn er nicht bey andern Muͤßiggaͤngern iſt/ und wenn er ſchon bey ihnen iſt und nicht offte veraͤnderte Luſt haben kan/ wird ſie ihm doch lang. Dan- Cc 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/417>, abgerufen am 29.03.2024.