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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der Menschlichen Gemüths-Neigungen.
schen oder seiner eigenen Wohllust urtheilen. n. 29.
Gemeiner aber sehr schädlicher/ und aus der Heyd-
nischen Philosophie herrührender Jrrthum/ daß
das otium eruditum was indifferentes oder löbliches
sey. n. 30. Aus was für unterschiedeuen Ursachen
und Absehen der Zorn für einen indifferenlen Affect
gehalten werde. n. 31. Die Begierde sich zu rächen
ist ein warhafftiger Zorn/ und auch nach der gemei-
nen Meinung gelehrter und frommer Leute für sich
selbst böse. n. 32. Wenn der Zorn für das Verlan-
gen das Böse von Halse loß zu werden genommen
wird/ so ist er an sich selbst nicht böse. n. 33. Aber
ein solch Verlangen kan mit dem Zorn von der er-
sten Art unter keine gemeine definition gebracht
werden/ n. 34. und also ist der Zorn von dieser letz-
ten Art eigentlich und warhafftig kein Zorn/ n. 35.
sondern eigentlich eine Angst oder Schmertz. n. 36.
Diese confusion des Zorns und der Angst ist aus der
Aristotelischen Philosophie und Eintheilung des
sinnlichen appetits in concupiscibilem & irascibilem
entstanden. n. 37. Unter zürnen und zornig seyn/ ist
ein grosser Unterscheid. Zürnen heist eigentlich so
viel als verdriessen/ oder schmullen/ maulen/ mit ei-
nem nicht freundlich reden. n. 38. Und also kan man
von der indifferenz des zürnens auff die indifferenz
des Zorns nicht schlieffen. n. 39. Von Gottes Zorn
kan so wenig auff die indifferenz des Menschlichen
Zorns geschlossen werden/ als von Gottes Rache.
Der Satz/ daß die Schrifft GOtt nichts zueigne/
daß bey den Menschen eigentlich eine Sünde sey/ ist
nicht universal. n. 40. Urtheil von Lactantio und
seiner Schrelbart. n. 41. Lactantii Meinung von
dem Zorn und dessen indifferenz. n. 42. Unterschie-
dene contradictiones oder petitiones principii, so
Lactantius darinnen begangen n. 43. Lactantii Jrr-
thumb/ daß der Zorn zur Bestraffung nötig sey/ wird

mit
Bb 5

der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen.
ſchen oder ſeiner eigenen Wohlluſt urtheilen. n. 29.
Gemeiner aber ſehr ſchaͤdlicher/ und aus der Heyd-
niſchen Philoſophie herruͤhrender Jrrthum/ daß
das otium eruditum was indifferentes oder loͤbliches
ſey. n. 30. Aus was fuͤr unterſchiedeuen Urſachen
und Abſehen der Zorn fuͤr einen indifferenlen Affect
gehalten werde. n. 31. Die Begierde ſich zu raͤchen
iſt ein warhafftiger Zorn/ und auch nach der gemei-
nen Meinung gelehrter und frommer Leute fuͤr ſich
ſelbſt boͤſe. n. 32. Wenn der Zorn fuͤr das Verlan-
gen das Boͤſe von Halſe loß zu werden genommen
wird/ ſo iſt er an ſich ſelbſt nicht boͤſe. n. 33. Aber
ein ſolch Verlangen kan mit dem Zorn von der er-
ſten Art unter keine gemeine definition gebracht
werden/ n. 34. und alſo iſt der Zorn von dieſer letz-
ten Art eigentlich und warhafftig kein Zorn/ n. 35.
ſondern eigentlich eine Angſt oder Schmertz. n. 36.
Dieſe confuſion des Zorns und der Angſt iſt aus der
Ariſtoteliſchen Philoſophie und Eintheilung des
ſinnlichen appetits in concupiſcibilem & iraſcibilem
entſtanden. n. 37. Unter zuͤrnen und zornig ſeyn/ iſt
ein groſſer Unterſcheid. Zuͤrnen heiſt eigentlich ſo
viel als verdrieſſen/ oder ſchmullen/ maulen/ mit ei-
nem nicht freundlich reden. n. 38. Und alſo kan man
von der indifferenz des zuͤrnens auff die indifferenz
des Zorns nicht ſchlieffen. n. 39. Von Gottes Zorn
kan ſo wenig auff die indifferenz des Menſchlichen
Zorns geſchloſſen werden/ als von Gottes Rache.
Der Satz/ daß die Schrifft GOtt nichts zueigne/
daß bey den Menſchen eigentlich eine Suͤnde ſey/ iſt
nicht univerſal. n. 40. Urtheil von Lactantio und
ſeiner Schrelbart. n. 41. Lactantii Meinung von
dem Zorn und deſſen indifferenz. n. 42. Unterſchie-
dene contradictiones oder petitiones principii, ſo
Lactantius darinnen begangen n. 43. Lactantii Jrr-
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[393/0405] der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen. ſchen oder ſeiner eigenen Wohlluſt urtheilen. n. 29. Gemeiner aber ſehr ſchaͤdlicher/ und aus der Heyd- niſchen Philoſophie herruͤhrender Jrrthum/ daß das otium eruditum was indifferentes oder loͤbliches ſey. n. 30. Aus was fuͤr unterſchiedeuen Urſachen und Abſehen der Zorn fuͤr einen indifferenlen Affect gehalten werde. n. 31. Die Begierde ſich zu raͤchen iſt ein warhafftiger Zorn/ und auch nach der gemei- nen Meinung gelehrter und frommer Leute fuͤr ſich ſelbſt boͤſe. n. 32. Wenn der Zorn fuͤr das Verlan- gen das Boͤſe von Halſe loß zu werden genommen wird/ ſo iſt er an ſich ſelbſt nicht boͤſe. n. 33. Aber ein ſolch Verlangen kan mit dem Zorn von der er- ſten Art unter keine gemeine definition gebracht werden/ n. 34. und alſo iſt der Zorn von dieſer letz- ten Art eigentlich und warhafftig kein Zorn/ n. 35. ſondern eigentlich eine Angſt oder Schmertz. n. 36. Dieſe confuſion des Zorns und der Angſt iſt aus der Ariſtoteliſchen Philoſophie und Eintheilung des ſinnlichen appetits in concupiſcibilem & iraſcibilem entſtanden. n. 37. Unter zuͤrnen und zornig ſeyn/ iſt ein groſſer Unterſcheid. Zuͤrnen heiſt eigentlich ſo viel als verdrieſſen/ oder ſchmullen/ maulen/ mit ei- nem nicht freundlich reden. n. 38. Und alſo kan man von der indifferenz des zuͤrnens auff die indifferenz des Zorns nicht ſchlieffen. n. 39. Von Gottes Zorn kan ſo wenig auff die indifferenz des Menſchlichen Zorns geſchloſſen werden/ als von Gottes Rache. Der Satz/ daß die Schrifft GOtt nichts zueigne/ daß bey den Menſchen eigentlich eine Suͤnde ſey/ iſt nicht univerſal. n. 40. Urtheil von Lactantio und ſeiner Schrelbart. n. 41. Lactantii Meinung von dem Zorn und deſſen indifferenz. n. 42. Unterſchie- dene contradictiones oder petitiones principii, ſo Lactantius darinnen begangen n. 43. Lactantii Jrr- thumb/ daß der Zorn zur Beſtraffung noͤtig ſey/ wird mit Bb 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/405>, abgerufen am 25.04.2024.