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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der drey Haupt-Laster.
Anstoß leidet/ in der Welt eher mit durchlauffen/
als wenn er alt worden/ da ein alter Ehebre-
cher
jederman ein Greuel ist/ weswegen die je-
nigen/ so farcen vorstellen wollen/ nichts lächer-
licher zu praesentiren wissen/ als von einen al-
ten Geitzhalß der verliebt ist. Wiederumb wenn
ein junger Mensch Geldgeitz zur passione do-
minante
hat/ ob schon dieser Geldgeitz mit Ehr-
geitz temperiret ist/ wird er seines gleichen jun-
gen Leuten lächerlich und verdrießlich vorkom-
men/ und gar leicht in grosse Ungelegenheit ge-
rathen können/ die eine Verachtung nach sich
ziehet/ da doch hingegen bey reiffen oder hohen
Alter
diese mixtur, als wir kurtz vorher erin-
nert/ grosse admiration und Ehrerbietung er-
wecket. Das Männliche Alter wie es zwi-
schen der Jugend und dem hohen Alter zwischen
innen ist/ also ist bey selbigen keine passion gar zu
unerträglich.

18. Und weil in der Conversation der Men-
schen doch aus natürlichen Ursachen sich immer
gleich zu gleichen am liebsten gesellet/ jung zu jung/
alt zu alt/ so giebet diese Conversation immer
Gelegenheit einen Affect mehr zu irritiren als
den andern. Die Jugend ist unbedachtsam/
unerfahren/ und doch neugierig. Man braucht
sie nicht groß zu wichtigen affairen/ oder Geld zu
verdienen. Also ist Wollust/ die ihnen die mei-
ste Gelegenheit giebt zu excediren. Und diese
Gelegenheit ziehet auch die jenigen jungen Leute

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der drey Haupt-Laſter.
Anſtoß leidet/ in der Welt eher mit durchlauffen/
als wenn er alt worden/ da ein alter Ehebre-
cher
jederman ein Greuel iſt/ weswegen die je-
nigen/ ſo farcen vorſtellen wollen/ nichts laͤcher-
licher zu præſentiren wiſſen/ als von einen al-
ten Geitzhalß der verliebt iſt. Wiederumb wenn
ein junger Menſch Geldgeitz zur paſſione do-
minante
hat/ ob ſchon dieſer Geldgeitz mit Ehr-
geitz temperiret iſt/ wird er ſeines gleichen jun-
gen Leuten laͤcherlich und verdrießlich vorkom-
men/ und gar leicht in groſſe Ungelegenheit ge-
rathen koͤnnen/ die eine Verachtung nach ſich
ziehet/ da doch hingegen bey reiffen oder hohen
Alter
dieſe mixtur, als wir kurtz vorher erin-
nert/ groſſe admiration und Ehrerbietung er-
wecket. Das Maͤnnliche Alter wie es zwi-
ſchen der Jugend und dem hohen Alter zwiſchen
innen iſt/ alſo iſt bey ſelbigen keine paſſion gar zu
unertraͤglich.

18. Und weil in der Converſation der Men-
ſchen doch aus natuͤrlichen Urſachen ſich immer
gleich zu gleichen am liebſten geſellet/ jung zu jung/
alt zu alt/ ſo giebet dieſe Converſation immer
Gelegenheit einen Affect mehr zu irritiren als
den andern. Die Jugend iſt unbedachtſam/
unerfahren/ und doch neugierig. Man braucht
ſie nicht groß zu wichtigen affairen/ oder Geld zu
verdienen. Alſo iſt Wolluſt/ die ihnen die mei-
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[329/0341] der drey Haupt-Laſter. Anſtoß leidet/ in der Welt eher mit durchlauffen/ als wenn er alt worden/ da ein alter Ehebre- cher jederman ein Greuel iſt/ weswegen die je- nigen/ ſo farcen vorſtellen wollen/ nichts laͤcher- licher zu præſentiren wiſſen/ als von einen al- ten Geitzhalß der verliebt iſt. Wiederumb wenn ein junger Menſch Geldgeitz zur paſſione do- minante hat/ ob ſchon dieſer Geldgeitz mit Ehr- geitz temperiret iſt/ wird er ſeines gleichen jun- gen Leuten laͤcherlich und verdrießlich vorkom- men/ und gar leicht in groſſe Ungelegenheit ge- rathen koͤnnen/ die eine Verachtung nach ſich ziehet/ da doch hingegen bey reiffen oder hohen Alter dieſe mixtur, als wir kurtz vorher erin- nert/ groſſe admiration und Ehrerbietung er- wecket. Das Maͤnnliche Alter wie es zwi- ſchen der Jugend und dem hohen Alter zwiſchen innen iſt/ alſo iſt bey ſelbigen keine paſſion gar zu unertraͤglich. 18. Und weil in der Converſation der Men- ſchen doch aus natuͤrlichen Urſachen ſich immer gleich zu gleichen am liebſten geſellet/ jung zu jung/ alt zu alt/ ſo giebet dieſe Converſation immer Gelegenheit einen Affect mehr zu irritiren als den andern. Die Jugend iſt unbedachtſam/ unerfahren/ und doch neugierig. Man braucht ſie nicht groß zu wichtigen affairen/ oder Geld zu verdienen. Alſo iſt Wolluſt/ die ihnen die mei- ſte Gelegenheit giebt zu excediren. Und dieſe Gelegenheit ziehet auch die jenigen jungen Leute an X 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/341>, abgerufen am 23.04.2024.