Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. Hauptst. von denen Ursachen
Dauerung des Schmertzens dem Schmertzen
näher als der Freude ist/ Sie auch nicht unter die
Belustigungen rechnen wollen.

36. Mitten in dieser Gemüths-Unruhe su-
chet der Mensch/ wiewohl vergebens/ bey an-
dern Creaturen
Ruhe. Denn wie die Gemüths-
Ruhe sich mit andern Menschen/ die diese Ge-
müths-Ruhe besitzen/ zuvereinigen trachtet/ und
dadurch der Mensch seine Gemüths-Ruhe im-
mer mehr und mehr vermehret; Also vermehret
sich auch die Gemüths-Unruhe dadurch/ daß ein
unglücklicher Mensch von seinen Neigungen zu
seines gleichen
gezogen wird. Denn unglei-
che Dinge können sich nicht lieben. Zwey un-
ruhige Sachen
aber/ oder die zum wenigsten
keiner Ruhe fähig sind/ können auch durch
Jhre Vereinigung keine Ruhe würcken/ sondern
vermehren vielmehr die Unruhe.

37. Und ist auch hiernächst noch dieser Unter-
scheid zwischen der Gemüths-Ruhe und Unru-
he/ daß jene sich mit andern Menschen zuverei-
nigen trachtet/ diese aber Jhre Vereinigung
nicht allemahl mit Menschen/ sondern nach Ge-
legenheit der Umbstände auch mit geringern
Creaturen
sucht/ wie wir bald mit mehrern er-
klären wollen.

38. Also ist nun desto leichter zubegreiffen/
daß die unvernünfftige Liebe nichts anders
sey/ als ein Verlangen des menschlichen
Willens/ sich mit demjenigen/ was der

menschli-

Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen
Dauerung des Schmertzens dem Schmertzen
naͤher als der Freude iſt/ Sie auch nicht unter die
Beluſtigungen rechnen wollen.

36. Mitten in dieſer Gemuͤths-Unruhe ſu-
chet der Menſch/ wiewohl vergebens/ bey an-
dern Creaturen
Ruhe. Deñ wie die Gemuͤths-
Ruhe ſich mit andern Menſchen/ die dieſe Ge-
muͤths-Ruhe beſitzen/ zuvereinigen trachtet/ und
dadurch der Menſch ſeine Gemuͤths-Ruhe im-
mer mehr und mehr vermehret; Alſo vermehret
ſich auch die Gemuͤths-Unruhe dadurch/ daß ein
ungluͤcklicher Menſch von ſeinen Neigungen zu
ſeines gleichen
gezogen wird. Denn unglei-
che Dinge koͤnnen ſich nicht lieben. Zwey un-
ruhige Sachen
aber/ oder die zum wenigſten
keiner Ruhe faͤhig ſind/ koͤnnen auch durch
Jhre Vereinigung keine Ruhe wuͤrcken/ ſondern
vermehren vielmehr die Unruhe.

37. Und iſt auch hiernaͤchſt noch dieſer Unter-
ſcheid zwiſchen der Gemuͤths-Ruhe und Unru-
he/ daß jene ſich mit andern Menſchen zuverei-
nigen trachtet/ dieſe aber Jhre Vereinigung
nicht allemahl mit Menſchen/ ſondern nach Ge-
legenheit der Umbſtaͤnde auch mit geringern
Creaturen
ſucht/ wie wir bald mit mehrern er-
klaͤren wollen.

38. Alſo iſt nun deſto leichter zubegreiffen/
daß die unvernuͤnfftige Liebe nichts anders
ſey/ als ein Verlangen des menſchlichen
Willens/ ſich mit demjenigen/ was der

menſchli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. Haupt&#x017F;t. von denen Ur&#x017F;achen</hi></fw><lb/>
Dauerung des Schmertzens dem Schmertzen<lb/>
na&#x0364;her als der Freude i&#x017F;t/ Sie auch nicht unter die<lb/>
Belu&#x017F;tigungen rechnen wollen.</p><lb/>
        <p>36. Mitten in die&#x017F;er Gemu&#x0364;ths-Unruhe &#x017F;u-<lb/>
chet der Men&#x017F;ch/ wiewohl vergebens/ <hi rendition="#fr">bey an-<lb/>
dern Creaturen</hi> Ruhe. Den&#x0303; wie die Gemu&#x0364;ths-<lb/>
Ruhe &#x017F;ich mit andern Men&#x017F;chen/ die die&#x017F;e Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths-Ruhe be&#x017F;itzen/ zuvereinigen trachtet/ und<lb/>
dadurch der Men&#x017F;ch &#x017F;eine Gemu&#x0364;ths-Ruhe im-<lb/>
mer mehr und mehr vermehret; Al&#x017F;o vermehret<lb/>
&#x017F;ich auch die Gemu&#x0364;ths-Unruhe dadurch/ daß ein<lb/>
unglu&#x0364;cklicher Men&#x017F;ch von &#x017F;einen Neigungen <hi rendition="#fr">zu<lb/>
&#x017F;eines gleichen</hi> gezogen wird. Denn unglei-<lb/>
che Dinge ko&#x0364;nnen &#x017F;ich nicht lieben. Zwey <hi rendition="#fr">un-<lb/>
ruhige Sachen</hi> aber/ oder die zum wenig&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#fr">keiner Ruhe fa&#x0364;hig &#x017F;ind/</hi> ko&#x0364;nnen auch durch<lb/>
Jhre Vereinigung keine Ruhe wu&#x0364;rcken/ &#x017F;ondern<lb/>
vermehren vielmehr die Unruhe.</p><lb/>
        <p>37. Und i&#x017F;t auch hierna&#x0364;ch&#x017F;t noch die&#x017F;er Unter-<lb/>
&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen der Gemu&#x0364;ths-Ruhe und Unru-<lb/>
he/ daß jene &#x017F;ich mit andern Men&#x017F;chen zuverei-<lb/>
nigen trachtet/ die&#x017F;e aber Jhre Vereinigung<lb/>
nicht allemahl mit Men&#x017F;chen/ &#x017F;ondern nach Ge-<lb/>
legenheit der Umb&#x017F;ta&#x0364;nde auch <hi rendition="#fr">mit geringern<lb/>
Creaturen</hi> &#x017F;ucht/ wie wir bald mit mehrern er-<lb/>
kla&#x0364;ren wollen.</p><lb/>
        <p>38. <hi rendition="#fr">A</hi>l&#x017F;o i&#x017F;t nun de&#x017F;to leichter zubegreiffen/<lb/>
daß <hi rendition="#fr">die unvernu&#x0364;nfftige Liebe nichts anders<lb/>
&#x017F;ey/ als ein Verlangen des men&#x017F;chlichen<lb/>
Willens/ &#x017F;ich mit demjenigen/ was der</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">men&#x017F;chli-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0034] Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen Dauerung des Schmertzens dem Schmertzen naͤher als der Freude iſt/ Sie auch nicht unter die Beluſtigungen rechnen wollen. 36. Mitten in dieſer Gemuͤths-Unruhe ſu- chet der Menſch/ wiewohl vergebens/ bey an- dern Creaturen Ruhe. Deñ wie die Gemuͤths- Ruhe ſich mit andern Menſchen/ die dieſe Ge- muͤths-Ruhe beſitzen/ zuvereinigen trachtet/ und dadurch der Menſch ſeine Gemuͤths-Ruhe im- mer mehr und mehr vermehret; Alſo vermehret ſich auch die Gemuͤths-Unruhe dadurch/ daß ein ungluͤcklicher Menſch von ſeinen Neigungen zu ſeines gleichen gezogen wird. Denn unglei- che Dinge koͤnnen ſich nicht lieben. Zwey un- ruhige Sachen aber/ oder die zum wenigſten keiner Ruhe faͤhig ſind/ koͤnnen auch durch Jhre Vereinigung keine Ruhe wuͤrcken/ ſondern vermehren vielmehr die Unruhe. 37. Und iſt auch hiernaͤchſt noch dieſer Unter- ſcheid zwiſchen der Gemuͤths-Ruhe und Unru- he/ daß jene ſich mit andern Menſchen zuverei- nigen trachtet/ dieſe aber Jhre Vereinigung nicht allemahl mit Menſchen/ ſondern nach Ge- legenheit der Umbſtaͤnde auch mit geringern Creaturen ſucht/ wie wir bald mit mehrern er- klaͤren wollen. 38. Alſo iſt nun deſto leichter zubegreiffen/ daß die unvernuͤnfftige Liebe nichts anders ſey/ als ein Verlangen des menſchlichen Willens/ ſich mit demjenigen/ was der menſchli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/34
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/34>, abgerufen am 24.04.2024.