Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

der drey Haupt-Laster.
froh oder Gewalt mit dem Schein eines heiligen
Eyfers für Gottes Ehre/ oder für das gemeine
Wesen zu verbergen weiß/ oder wohl gar den je-
nigen/ dem der Schade geschiehet/ in dem er ihn
zum öfftern durch andere thun läst/ beredet/ daß
er sein bester Freund sey/ und indem er ihn hin-
terwerts mit der einen Hand ertolchet oder nie-
derreisset/ von fornen her mit der andern die Hand
bietet/ oder sich anstellet/ als ob er ihn beschützete.
Jst nun der Ehrgeitz oben an/ so haben solche
Dienstleistungen mehr das Ansehen offenbahrer
aber doch verschlagener Hertzhafftigkeit. Jst
aber der Geldgeitz oben an/ so sind sie heimlicher
und listiger. Jst aber endlich die Wollust in
einer starcken mixtur unter diesen beyden passio-
nen vereinbaret/ so ist die dabey affectirte Offen-
hertzigkeit natureller, aber desto gefährlicher/
aber auch dabey nicht so listig/ oder gewaltsam.

15. So mangelt es auch einem solchen Men-
schen endlich an Verstande nicht. Jst er gleich
nicht geschickt zu lustigmachenden und artigen
Erfindungen/ so machet doch die mixtur der
judiciösen Entscheidung des Ehrgeitzes/ und
des guten Gedächtniß des Geldgeitzes/ daß solche
Leute in ernsthafften Dingen für halbe Oracula
und Wunderwercke der Welt gehalten werden/
bey denen man z. e. die Bibel, das Corpus Juris,
die Genealogien des gantzen Römischen Reichs
u. s. w. nach Gelegenheit/ wenn sie solten ver-

loh-
X 3

der drey Haupt-Laſter.
froh oder Gewalt mit dem Schein eines heiligen
Eyfers fuͤr Gottes Ehre/ oder fuͤr das gemeine
Weſen zu verbergen weiß/ oder wohl gar den je-
nigen/ dem der Schade geſchiehet/ in dem er ihn
zum oͤfftern durch andere thun laͤſt/ beredet/ daß
er ſein beſter Freund ſey/ und indem er ihn hin-
terwerts mit der einen Hand ertolchet oder nie-
derreiſſet/ von fornẽ her mit der andern die Hand
bietet/ oder ſich anſtellet/ als ob er ihn beſchuͤtzete.
Jſt nun der Ehrgeitz oben an/ ſo haben ſolche
Dienſtleiſtungen mehr das Anſehen offenbahrer
aber doch verſchlagener Hertzhafftigkeit. Jſt
aber der Geldgeitz oben an/ ſo ſind ſie heimlicher
und liſtiger. Jſt aber endlich die Wolluſt in
einer ſtarcken mixtur unter dieſen beyden paſſio-
nen vereinbaret/ ſo iſt die dabey affectirte Offen-
hertzigkeit natureller, aber deſto gefaͤhrlicher/
aber auch dabey nicht ſo liſtig/ oder gewaltſam.

15. So mangelt es auch einem ſolchen Men-
ſchen endlich an Verſtande nicht. Jſt er gleich
nicht geſchickt zu luſtigmachenden und artigen
Erfindungen/ ſo machet doch die mixtur der
judiciöſen Entſcheidung des Ehrgeitzes/ und
des guten Gedaͤchtniß des Geldgeitzes/ daß ſolche
Leute in ernſthafften Dingen fuͤr halbe Oracula
und Wunderwercke der Welt gehalten werden/
bey denen man z. e. die Bibel, das Corpus Juris,
die Genealogien des gantzen Roͤmiſchen Reichs
u. ſ. w. nach Gelegenheit/ wenn ſie ſolten ver-

loh-
X 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="325"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der drey Haupt-La&#x017F;ter.</hi></fw><lb/>
froh oder Gewalt mit dem Schein eines heiligen<lb/>
Eyfers fu&#x0364;r Gottes Ehre/ oder fu&#x0364;r das gemeine<lb/>
We&#x017F;en zu verbergen weiß/ oder wohl gar den je-<lb/>
nigen/ dem der Schade ge&#x017F;chiehet/ in dem er ihn<lb/>
zum o&#x0364;fftern durch andere thun la&#x0364;&#x017F;t/ beredet/ daß<lb/>
er &#x017F;ein be&#x017F;ter Freund &#x017F;ey/ und indem er ihn hin-<lb/>
terwerts mit der einen Hand ertolchet oder nie-<lb/>
derrei&#x017F;&#x017F;et/ von forne&#x0303; her mit der andern die Hand<lb/>
bietet/ oder &#x017F;ich an&#x017F;tellet/ als ob er ihn be&#x017F;chu&#x0364;tzete.<lb/>
J&#x017F;t nun der <hi rendition="#fr">Ehrgeitz</hi> oben an/ &#x017F;o haben &#x017F;olche<lb/>
Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen mehr das An&#x017F;ehen offenbahrer<lb/>
aber doch ver&#x017F;chlagener Hertzhafftigkeit. J&#x017F;t<lb/>
aber der <hi rendition="#fr">Geldgeitz</hi> oben an/ &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie heimlicher<lb/>
und li&#x017F;tiger. J&#x017F;t aber endlich die <hi rendition="#fr">Wollu&#x017F;t</hi> in<lb/>
einer &#x017F;tarcken <hi rendition="#aq">mixtur</hi> unter die&#x017F;en beyden <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;io-</hi><lb/>
nen vereinbaret/ &#x017F;o i&#x017F;t die dabey <hi rendition="#aq">affectirte</hi> Offen-<lb/>
hertzigkeit <hi rendition="#aq">natureller,</hi> aber de&#x017F;to gefa&#x0364;hrlicher/<lb/>
aber auch dabey nicht &#x017F;o li&#x017F;tig/ oder gewalt&#x017F;am.</p><lb/>
        <p>15. So mangelt es auch einem &#x017F;olchen Men-<lb/>
&#x017F;chen endlich an <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tande</hi> nicht. J&#x017F;t er gleich<lb/>
nicht ge&#x017F;chickt zu lu&#x017F;tigmachenden und artigen<lb/>
Erfindungen/ &#x017F;o machet doch die <hi rendition="#aq">mixtur</hi> der<lb/><hi rendition="#aq">judiciö</hi>&#x017F;en Ent&#x017F;cheidung des Ehrgeitzes/ und<lb/>
des guten Geda&#x0364;chtniß des Geldgeitzes/ daß &#x017F;olche<lb/>
Leute in ern&#x017F;thafften Dingen fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">halbe</hi> <hi rendition="#aq">Oracula</hi><lb/>
und Wunderwercke der Welt gehalten werden/<lb/>
bey denen man z. e. die <hi rendition="#aq">Bibel,</hi> das <hi rendition="#aq">Corpus Juris,</hi><lb/>
die <hi rendition="#aq">Genealogien</hi> des gantzen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Reichs<lb/>
u. &#x017F;. w. nach Gelegenheit/ wenn &#x017F;ie &#x017F;olten ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 3</fw><fw place="bottom" type="catch">loh-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0337] der drey Haupt-Laſter. froh oder Gewalt mit dem Schein eines heiligen Eyfers fuͤr Gottes Ehre/ oder fuͤr das gemeine Weſen zu verbergen weiß/ oder wohl gar den je- nigen/ dem der Schade geſchiehet/ in dem er ihn zum oͤfftern durch andere thun laͤſt/ beredet/ daß er ſein beſter Freund ſey/ und indem er ihn hin- terwerts mit der einen Hand ertolchet oder nie- derreiſſet/ von fornẽ her mit der andern die Hand bietet/ oder ſich anſtellet/ als ob er ihn beſchuͤtzete. Jſt nun der Ehrgeitz oben an/ ſo haben ſolche Dienſtleiſtungen mehr das Anſehen offenbahrer aber doch verſchlagener Hertzhafftigkeit. Jſt aber der Geldgeitz oben an/ ſo ſind ſie heimlicher und liſtiger. Jſt aber endlich die Wolluſt in einer ſtarcken mixtur unter dieſen beyden paſſio- nen vereinbaret/ ſo iſt die dabey affectirte Offen- hertzigkeit natureller, aber deſto gefaͤhrlicher/ aber auch dabey nicht ſo liſtig/ oder gewaltſam. 15. So mangelt es auch einem ſolchen Men- ſchen endlich an Verſtande nicht. Jſt er gleich nicht geſchickt zu luſtigmachenden und artigen Erfindungen/ ſo machet doch die mixtur der judiciöſen Entſcheidung des Ehrgeitzes/ und des guten Gedaͤchtniß des Geldgeitzes/ daß ſolche Leute in ernſthafften Dingen fuͤr halbe Oracula und Wunderwercke der Welt gehalten werden/ bey denen man z. e. die Bibel, das Corpus Juris, die Genealogien des gantzen Roͤmiſchen Reichs u. ſ. w. nach Gelegenheit/ wenn ſie ſolten ver- loh- X 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/337
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/337>, abgerufen am 29.03.2024.