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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daher rührenden Untugenden.
es nicht wieder komme/ attaquiret es aber
nicht. Ein Ehr-Geitziger gehet voller Grimm
und Tollkühnheit auf das Böse loß/ so lange
es ihm widerstehet: Wenn er aber dessen Mei-
ster worden/ würde er es sich für eine
Schande achten/ dawider zu wüten. Aber
ein Geld-Geitziger begegnet allem Ubel mit fal-
schem Liebkosen/ kan er es aber unter sich brin-
gen/ so lässet er alsdenn seinen Gifft ausbre-
chen/ er raset auch in Holtz und Steine/ in
unvernünfftige Thiere
u. s. w.

34. Wie er nun bey aller Gefahr beschaf-
fen ist/ also ist er auch mit seinem Zorn gegen
einen Menschen/ der ihn beleidigen wil/ oder
beleidiget hat/ von der Tugend/ Wohllust und
Ehr-Geitz entfernet. Ein Tugendhaffter er-
zürnet sich gar nicht/ sondern gehet der zuzufü-
genden Beleidigung hertzhafft entgegen/ und
wendet dieselbige/ ohne sich zu alteriren/ so
viel möglich ab. Geschiehet sie dennoch/ so
leidet er sie gedultig/ und ist auf keine Rache
bedacht/ seine Großmuth treibet ihn vielmehr
an/ seinem Beleidiger nicht nur nicht zu schaden/
wenn er gleich könte/ sondern auch Gutes zu
thun/ wenn er schon von ihm nicht darum er-
sucht wird. Aber ein Geld-Geitziger ist
furchtsam bey ereignender Beleidigung/

er weiß sich nicht wohl zu helffen/ dieselbe ab-
zuwenden/ er empfindet sie/ und verdriesset

ihn/
T 4

und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
es nicht wieder komme/ attaquiret es aber
nicht. Ein Ehr-Geitziger gehet voller Grimm
und Tollkuͤhnheit auf das Boͤſe loß/ ſo lange
es ihm widerſtehet: Wenn er aber deſſen Mei-
ſter worden/ wuͤrde er es ſich fuͤr eine
Schande achten/ dawider zu wuͤten. Aber
ein Geld-Geitziger begegnet allem Ubel mit fal-
ſchem Liebkoſen/ kan er es aber unter ſich brin-
gen/ ſo laͤſſet er alsdenn ſeinen Gifft ausbre-
chen/ er raſet auch in Holtz und Steine/ in
unvernuͤnfftige Thiere
u. ſ. w.

34. Wie er nun bey aller Gefahr beſchaf-
fen iſt/ alſo iſt er auch mit ſeinem Zorn gegen
einen Menſchen/ der ihn beleidigen wil/ oder
beleidiget hat/ von der Tugend/ Wohlluſt und
Ehr-Geitz entfernet. Ein Tugendhaffter er-
zuͤrnet ſich gar nicht/ ſondern gehet der zuzufuͤ-
genden Beleidigung hertzhafft entgegen/ und
wendet dieſelbige/ ohne ſich zu alteriren/ ſo
viel moͤglich ab. Geſchiehet ſie dennoch/ ſo
leidet er ſie gedultig/ und iſt auf keine Rache
bedacht/ ſeine Großmuth treibet ihn vielmehr
an/ ſeinem Beleidiger nicht nur nicht zu ſchaden/
wenn er gleich koͤnte/ ſondern auch Gutes zu
thun/ wenn er ſchon von ihm nicht darum er-
ſucht wird. Aber ein Geld-Geitziger iſt
furchtſam bey ereignender Beleidigung/

er weiß ſich nicht wohl zu helffen/ dieſelbe ab-
zuwenden/ er empfindet ſie/ und verdrieſſet

ihn/
T 4
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[295/0307] und denen daher ruͤhrenden Untugenden. es nicht wieder komme/ attaquiret es aber nicht. Ein Ehr-Geitziger gehet voller Grimm und Tollkuͤhnheit auf das Boͤſe loß/ ſo lange es ihm widerſtehet: Wenn er aber deſſen Mei- ſter worden/ wuͤrde er es ſich fuͤr eine Schande achten/ dawider zu wuͤten. Aber ein Geld-Geitziger begegnet allem Ubel mit fal- ſchem Liebkoſen/ kan er es aber unter ſich brin- gen/ ſo laͤſſet er alsdenn ſeinen Gifft ausbre- chen/ er raſet auch in Holtz und Steine/ in unvernuͤnfftige Thiere u. ſ. w. 34. Wie er nun bey aller Gefahr beſchaf- fen iſt/ alſo iſt er auch mit ſeinem Zorn gegen einen Menſchen/ der ihn beleidigen wil/ oder beleidiget hat/ von der Tugend/ Wohlluſt und Ehr-Geitz entfernet. Ein Tugendhaffter er- zuͤrnet ſich gar nicht/ ſondern gehet der zuzufuͤ- genden Beleidigung hertzhafft entgegen/ und wendet dieſelbige/ ohne ſich zu alteriren/ ſo viel moͤglich ab. Geſchiehet ſie dennoch/ ſo leidet er ſie gedultig/ und iſt auf keine Rache bedacht/ ſeine Großmuth treibet ihn vielmehr an/ ſeinem Beleidiger nicht nur nicht zu ſchaden/ wenn er gleich koͤnte/ ſondern auch Gutes zu thun/ wenn er ſchon von ihm nicht darum er- ſucht wird. Aber ein Geld-Geitziger iſt furchtſam bey ereignender Beleidigung/ er weiß ſich nicht wohl zu helffen/ dieſelbe ab- zuwenden/ er empfindet ſie/ und verdrieſſet ihn/ T 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/307>, abgerufen am 29.03.2024.