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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daher rührenden Untugenden.
hen/ um capital und Zinse zu betriegen bemü-
het ist.

32. Die Tugend ist freundlich gegen jeder-
man. Die Wohllust excediret in einer Knech-
tischen submission, und der Ehr-Geitz achtet viel
Leute zu geringe/ ihnen Freundligkeit zu erwei-
sen/ weil er von sich am meisten hält. Ein
Geldgeitziger
ist in diesem Stücke beydes dem
Laster der Wohllust und des Ehrgeitzes/ aber
auf eine andere Manier/ unterworffen. Wie
wolte eine gleichmüthige Freundligkeit bey ihm
seyn/ da er keinen Menschen liebet. Seine
Freundligkeit
fället auf Hunde und dergleichen
Creaturen. Wie caressiren diese Bestien ein-
ander/ wenn ein Geitziger seinen Hund z. e. etli-
che Tage nicht gesehen hat/ wie lecken sie einan-
der s. v. den Speichel? Gleich und gleich liebet
sich. Gehet es einem Geitzigen glücklich; Jst
er in Reichthum; Was hat er für eine närri-
sche Aufgeblasenheit?
Er giebet keinen Men-
schen ein gut Wort. Er meinet/ es könne ihm
nicht fehlen. Er thut alles/ er macht alles/ er
hat alles. Es mangelt ihm nichts/ weil er sein
Hertz in steter Abwechselung mit seinen vielen
Gütern belustigen kan. Jst er aber in Unglück/
brennet ihme sein Haus und Hof weg; Wie
läst er die Flügel häncken? Wie biegt er sich für
denen Leuten/ bey denen er etwas bettelt. Jst
ein Ehr-Geitziger in seinem Glück hochmüthig/
so ist es ein Geitziger noch mehr. Jst ein Wohl-

lüsti-
T 3

und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
hen/ um capital und Zinſe zu betriegen bemuͤ-
het iſt.

32. Die Tugend iſt freundlich gegen jeder-
man. Die Wohlluſt excediret in einer Knech-
tiſchen ſubmiſſion, und der Ehr-Geitz achtet viel
Leute zu geringe/ ihnen Freundligkeit zu erwei-
ſen/ weil er von ſich am meiſten haͤlt. Ein
Geldgeitziger
iſt in dieſem Stuͤcke beydes dem
Laſter der Wohlluſt und des Ehrgeitzes/ aber
auf eine andere Manier/ unterworffen. Wie
wolte eine gleichmuͤthige Freundligkeit bey ihm
ſeyn/ da er keinen Menſchen liebet. Seine
Freundligkeit
faͤllet auf Hunde und dergleichen
Creaturen. Wie caresſiren dieſe Beſtien ein-
ander/ wenn ein Geitziger ſeinen Hund z. e. etli-
che Tage nicht geſehen hat/ wie lecken ſie einan-
der ſ. v. den Speichel? Gleich und gleich liebet
ſich. Gehet es einem Geitzigen gluͤcklich; Jſt
er in Reichthum; Was hat er fuͤr eine naͤrri-
ſche Aufgeblaſenheit?
Er giebet keinen Men-
ſchen ein gut Wort. Er meinet/ es koͤnne ihm
nicht fehlen. Er thut alles/ er macht alles/ er
hat alles. Es mangelt ihm nichts/ weil er ſein
Hertz in ſteter Abwechſelung mit ſeinen vielen
Guͤtern beluſtigen kan. Jſt er aber in Ungluͤck/
brennet ihme ſein Haus und Hof weg; Wie
laͤſt er die Fluͤgel haͤncken? Wie biegt er ſich fuͤr
denen Leuten/ bey denen er etwas bettelt. Jſt
ein Ehr-Geitziger in ſeinem Gluͤck hochmuͤthig/
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luͤſti-
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[293/0305] und denen daher ruͤhrenden Untugenden. hen/ um capital und Zinſe zu betriegen bemuͤ- het iſt. 32. Die Tugend iſt freundlich gegen jeder- man. Die Wohlluſt excediret in einer Knech- tiſchen ſubmiſſion, und der Ehr-Geitz achtet viel Leute zu geringe/ ihnen Freundligkeit zu erwei- ſen/ weil er von ſich am meiſten haͤlt. Ein Geldgeitziger iſt in dieſem Stuͤcke beydes dem Laſter der Wohlluſt und des Ehrgeitzes/ aber auf eine andere Manier/ unterworffen. Wie wolte eine gleichmuͤthige Freundligkeit bey ihm ſeyn/ da er keinen Menſchen liebet. Seine Freundligkeit faͤllet auf Hunde und dergleichen Creaturen. Wie caresſiren dieſe Beſtien ein- ander/ wenn ein Geitziger ſeinen Hund z. e. etli- che Tage nicht geſehen hat/ wie lecken ſie einan- der ſ. v. den Speichel? Gleich und gleich liebet ſich. Gehet es einem Geitzigen gluͤcklich; Jſt er in Reichthum; Was hat er fuͤr eine naͤrri- ſche Aufgeblaſenheit? Er giebet keinen Men- ſchen ein gut Wort. Er meinet/ es koͤnne ihm nicht fehlen. Er thut alles/ er macht alles/ er hat alles. Es mangelt ihm nichts/ weil er ſein Hertz in ſteter Abwechſelung mit ſeinen vielen Guͤtern beluſtigen kan. Jſt er aber in Ungluͤck/ brennet ihme ſein Haus und Hof weg; Wie laͤſt er die Fluͤgel haͤncken? Wie biegt er ſich fuͤr denen Leuten/ bey denen er etwas bettelt. Jſt ein Ehr-Geitziger in ſeinem Gluͤck hochmuͤthig/ ſo iſt es ein Geitziger noch mehr. Jſt ein Wohl- luͤſti- T 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/305>, abgerufen am 29.03.2024.