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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 1. Haupst. von denen Ursachen
zwar die Thaten des Menschlichen Willens
der Bestraffung
unterworffen/ aber die Er-
käntnüße des Verstandes/ wenn Sie gleich
irrig seyn/ keine Bestraffung
zu befahren ha-
ben. Welches beydes höchst unbillig seyn wür-
de/ wenn der Verstand den Willen/ und nicht
der Wille den Verstand verführete.

30. Und sagt nicht jedermann/ es solte der
Menschliche Wille sich von dem Verstande
regieren und leiten lassen
; Welches abge-
schmackt seyn würde/ wenn der Ursprung des
bösen im Verstande/ und nicht im Willen säße.
Denn es wäre unbillig/ daß das böseste dasjeni-
ge regieren solte/ das nicht so schlimm wäre/ und
wenn der Verstand den Willen verderbete/
müste der Wille vielmehr über den Verstand
herrschen: Welche Meynung zwar viele von de-
nen Weltweisen ihren Lehrlingen beybringen/
wenn Sie den Willen als einen König/ und den
Verstand als einen Rathgeber darstellen; Aber
dadurch eben zuverstehen geben/ daß ihre Lehren
nicht zusammen hängen/ sondern vielen Dun-
ckelheiten und Zweiffeln unterworffen sind. Denn
der Verstand müste auff diese Weise vielmehr
mit dem Könige/ und der Wille mit dem Rath-
geber verglichen und gesaget werden/ daß/ wie
der König durch diesen Rathgeber/ wenn er böse
ist/ verführet würde; Also würde er auch/ wenn
dieser Rathgeber gut ist/ seine Kräffte vermeh-
ren/ indem ein gutes Hertz den Verstand eben so

sehr

Das 1. Haupſt. von denen Urſachen
zwar die Thaten des Menſchlichen Willens
der Beſtraffung
unterworffen/ aber die Er-
kaͤntnuͤße des Verſtandes/ wenn Sie gleich
irrig ſeyn/ keine Beſtraffung
zu befahren ha-
ben. Welches beydes hoͤchſt unbillig ſeyn wuͤr-
de/ wenn der Verſtand den Willen/ und nicht
der Wille den Verſtand verfuͤhrete.

30. Und ſagt nicht jedermann/ es ſolte der
Menſchliche Wille ſich von dem Verſtande
regieren und leiten laſſen
; Welches abge-
ſchmackt ſeyn wuͤrde/ wenn der Urſprung des
boͤſen im Verſtande/ und nicht im Willen ſaͤße.
Denn es waͤre unbillig/ daß das boͤſeſte dasjeni-
ge regieren ſolte/ das nicht ſo ſchlimm waͤre/ und
wenn der Verſtand den Willen verderbete/
muͤſte der Wille vielmehr uͤber den Verſtand
herrſchen: Welche Meynung zwar viele von de-
nen Weltweiſen ihren Lehrlingen beybringen/
wenn Sie den Willen als einen Koͤnig/ und den
Verſtand als einen Rathgeber darſtellen; Aber
dadurch eben zuverſtehen geben/ daß ihre Lehren
nicht zuſammen haͤngen/ ſondern vielen Dun-
ckelheiten und Zweiffeln unterworffen ſind. Deñ
der Verſtand muͤſte auff dieſe Weiſe vielmehr
mit dem Koͤnige/ und der Wille mit dem Rath-
geber verglichen und geſaget werden/ daß/ wie
der Koͤnig durch dieſen Rathgeber/ wenn er boͤſe
iſt/ verfuͤhret wuͤrde; Alſo wuͤrde er auch/ wenn
dieſer Rathgeber gut iſt/ ſeine Kraͤffte vermeh-
ren/ indem ein gutes Hertz den Verſtand eben ſo

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[18/0030] Das 1. Haupſt. von denen Urſachen zwar die Thaten des Menſchlichen Willens der Beſtraffung unterworffen/ aber die Er- kaͤntnuͤße des Verſtandes/ wenn Sie gleich irrig ſeyn/ keine Beſtraffung zu befahren ha- ben. Welches beydes hoͤchſt unbillig ſeyn wuͤr- de/ wenn der Verſtand den Willen/ und nicht der Wille den Verſtand verfuͤhrete. 30. Und ſagt nicht jedermann/ es ſolte der Menſchliche Wille ſich von dem Verſtande regieren und leiten laſſen; Welches abge- ſchmackt ſeyn wuͤrde/ wenn der Urſprung des boͤſen im Verſtande/ und nicht im Willen ſaͤße. Denn es waͤre unbillig/ daß das boͤſeſte dasjeni- ge regieren ſolte/ das nicht ſo ſchlimm waͤre/ und wenn der Verſtand den Willen verderbete/ muͤſte der Wille vielmehr uͤber den Verſtand herrſchen: Welche Meynung zwar viele von de- nen Weltweiſen ihren Lehrlingen beybringen/ wenn Sie den Willen als einen Koͤnig/ und den Verſtand als einen Rathgeber darſtellen; Aber dadurch eben zuverſtehen geben/ daß ihre Lehren nicht zuſammen haͤngen/ ſondern vielen Dun- ckelheiten und Zweiffeln unterworffen ſind. Deñ der Verſtand muͤſte auff dieſe Weiſe vielmehr mit dem Koͤnige/ und der Wille mit dem Rath- geber verglichen und geſaget werden/ daß/ wie der Koͤnig durch dieſen Rathgeber/ wenn er boͤſe iſt/ verfuͤhret wuͤrde; Alſo wuͤrde er auch/ wenn dieſer Rathgeber gut iſt/ ſeine Kraͤffte vermeh- ren/ indem ein gutes Hertz den Verſtand eben ſo ſehr

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/30>, abgerufen am 28.03.2024.