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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daher rührenden Tugenden.
das Leben des Geld-Geitzes. Die genaue
Vereinigung einer Sache mit der andern erfor-
dert ein Eigenthum: Denn was Vielen (NB.
unterschiedenen und nicht unter sich allbereit ver-
einigten Dingen) gemein ist/ das kan ohnmöglich
mit denenselbigen vereiniget seyn. Die Liebe leidet
deswegen keine unterschiedene und widrige Ne-
ben-Buhler. Alles was wir lieben/ nach dessen
Vereinigung mit uns trachten wir. Ein Gei-
tziger liebet alle geringere Creaturen/ derowegen
suchet er sich mit ihnen zu vereinigen. Ein Gei-
tziger liebet keinen Menschen/ derowegen kan er
nicht leiden/ daß die Creaturen/ die er liebet/
mit andern Menschen gemein seyn. Deswegen
hütet er seinen Schatz/ seine Güter/ und bewa-
chet dieselben/ daß ihnen kein Mensche zu nahe
komme/ und durch den geringsten Gebrauch sich
nur einer Gemeinschafft anmasse: Wird er aber
derselben gar beraubet/ schmertzt es ihn mehr als
einen vernünfftigen Menschen/ wenn ihm durch
Verwundung z. e. ein Arm oder Bein abgelöset
wird.

23. Ein Tugendhaffter hergegen kan
wohl leiden/ daß alle seine Güter mit andern
Menschen gemein seyn/ denn er liebet die Güter
nicht/ und also ist er nicht mit ihnen vereiniget:
Und wenn er sie schon nicht hasset/ so ist er doch
mit andern Menschen durch die Liebe vereiniget/
und siehet also gerne/ daß seine Güter mit denen

ihm
S 4

und denen daher ruͤhrenden Tugenden.
das Leben des Geld-Geitzes. Die genaue
Vereinigung einer Sache mit der andern erfor-
dert ein Eigenthum: Denn was Vielen (NB.
unterſchiedenen und nicht unter ſich allbereit ver-
einigten Dingen) gemein iſt/ das kan ohnmoͤglich
mit denenſelbigen vereiniget ſeyn. Die Liebe leidet
deswegen keine unterſchiedene und widrige Ne-
ben-Buhler. Alles was wir lieben/ nach deſſen
Vereinigung mit uns trachten wir. Ein Gei-
tziger liebet alle geringere Creaturen/ derowegen
ſuchet er ſich mit ihnen zu vereinigen. Ein Gei-
tziger liebet keinen Menſchen/ derowegen kan er
nicht leiden/ daß die Creaturen/ die er liebet/
mit andern Menſchen gemein ſeyn. Deswegen
huͤtet er ſeinen Schatz/ ſeine Guͤter/ und bewa-
chet dieſelben/ daß ihnen kein Menſche zu nahe
komme/ und durch den geringſten Gebrauch ſich
nur einer Gemeinſchafft anmaſſe: Wird er aber
derſelben gar beraubet/ ſchmertzt es ihn mehr als
einen vernuͤnfftigen Menſchen/ wenn ihm durch
Verwundung z. e. ein Arm oder Bein abgeloͤſet
wird.

23. Ein Tugendhaffter hergegen kan
wohl leiden/ daß alle ſeine Guͤter mit andern
Menſchen gemein ſeyn/ denn er liebet die Guͤter
nicht/ und alſo iſt er nicht mit ihnen vereiniget:
Und wenn er ſie ſchon nicht haſſet/ ſo iſt er doch
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und ſiehet alſo gerne/ daß ſeine Guͤter mit denen

ihm
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[279/0291] und denen daher ruͤhrenden Tugenden. das Leben des Geld-Geitzes. Die genaue Vereinigung einer Sache mit der andern erfor- dert ein Eigenthum: Denn was Vielen (NB. unterſchiedenen und nicht unter ſich allbereit ver- einigten Dingen) gemein iſt/ das kan ohnmoͤglich mit denenſelbigen vereiniget ſeyn. Die Liebe leidet deswegen keine unterſchiedene und widrige Ne- ben-Buhler. Alles was wir lieben/ nach deſſen Vereinigung mit uns trachten wir. Ein Gei- tziger liebet alle geringere Creaturen/ derowegen ſuchet er ſich mit ihnen zu vereinigen. Ein Gei- tziger liebet keinen Menſchen/ derowegen kan er nicht leiden/ daß die Creaturen/ die er liebet/ mit andern Menſchen gemein ſeyn. Deswegen huͤtet er ſeinen Schatz/ ſeine Guͤter/ und bewa- chet dieſelben/ daß ihnen kein Menſche zu nahe komme/ und durch den geringſten Gebrauch ſich nur einer Gemeinſchafft anmaſſe: Wird er aber derſelben gar beraubet/ ſchmertzt es ihn mehr als einen vernuͤnfftigen Menſchen/ wenn ihm durch Verwundung z. e. ein Arm oder Bein abgeloͤſet wird. 23. Ein Tugendhaffter hergegen kan wohl leiden/ daß alle ſeine Guͤter mit andern Menſchen gemein ſeyn/ denn er liebet die Guͤter nicht/ und alſo iſt er nicht mit ihnen vereiniget: Und wenn er ſie ſchon nicht haſſet/ ſo iſt er doch mit andern Menſchen durch die Liebe vereiniget/ und ſiehet alſo gerne/ daß ſeine Guͤter mit denen ihm S 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/291>, abgerufen am 28.03.2024.