Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

und denen daher rührenden Untugenden.
ist aber in der Welt/ es sey nun aus was Ursache
es wolle/ immer eine Creatur der andern zu
wider/ absonderlich aber ist zwischen den
Menschen und andern Creaturen eine solche Un-
einigkeit/ oder zum wenigsten keine solche har-
monie,
daß man sich einbilden könne/ man mö-
ge wohl ohne Abbruch der Menschen-Liebe sein
Hertz an die andern Creaturen hängen. Es sind
tausenderley Fälle/ die täglich vorkommen/ da-
bey ein Mensch/ der andere Menschen vernünff-
tig liebet/
Gelegenheit findet/ denenselben zu
gut und zu ihrer Erhaltung alles sein Geld und
anderes Vermögen insgesamt/ das aus denen
geringeren Creaturen bestehet/ zu wagen/ und
in die Schantze zu schlagen. Ein Wohllüsti-
ger
und Ehr-Geitziger waget zwar alle sein
Geld und Vermögen hauptsächlich an seine Lust
und Ehre/ und niemahls an den wahren Nutzen
anderer Menschen/ ja er ziehet auch seine Lust
und Ehre allen Menschen vor/ dergestalt/ daß
er allen Menschen darum giebet/ weswegen auch
seine Liebe unvernünfftig ist; aber es geschiehet
doch zum öfftern/ daß bey seiner Lust und Ehre
viel andere Menschen interessiret sind/ denen zu
gute er nicht nur sein Geld und Gut/ sondern
auch wohl seine Gesundheit/ Leib und Leben in
die Schantze schlägt. Da hingegen ein Geitzi-
ger/ seines Gelds und Guts wegen/ nicht alleine
alle Menschen im Stiche lässet/ sondern auch
selbiges zu erlangen/ wenn es ihm schon war-

haff-
S

und denen daher ruͤhrenden Untugenden.
iſt aber in der Welt/ es ſey nun aus was Urſache
es wolle/ immer eine Creatur der andern zu
wider/ abſonderlich aber iſt zwiſchen den
Menſchen und andern Creaturen eine ſolche Un-
einigkeit/ oder zum wenigſten keine ſolche har-
monie,
daß man ſich einbilden koͤnne/ man moͤ-
ge wohl ohne Abbruch der Menſchen-Liebe ſein
Hertz an die andern Creaturen haͤngen. Es ſind
tauſenderley Faͤlle/ die taͤglich vorkommen/ da-
bey ein Menſch/ der andere Menſchen vernuͤnff-
tig liebet/
Gelegenheit findet/ denenſelben zu
gut und zu ihrer Erhaltung alles ſein Geld und
anderes Vermoͤgen insgeſamt/ das aus denen
geringeren Creaturen beſtehet/ zu wagen/ und
in die Schantze zu ſchlagen. Ein Wohlluͤſti-
ger
und Ehr-Geitziger waget zwar alle ſein
Geld und Vermoͤgen hauptſaͤchlich an ſeine Luſt
und Ehre/ und niemahls an den wahren Nutzen
anderer Menſchen/ ja er ziehet auch ſeine Luſt
und Ehre allen Menſchen vor/ dergeſtalt/ daß
er allen Menſchen darum giebet/ weswegen auch
ſeine Liebe unvernuͤnfftig iſt; aber es geſchiehet
doch zum oͤfftern/ daß bey ſeiner Luſt und Ehre
viel andere Menſchen intereſſiret ſind/ denen zu
gute er nicht nur ſein Geld und Gut/ ſondern
auch wohl ſeine Geſundheit/ Leib und Leben in
die Schantze ſchlaͤgt. Da hingegen ein Geitzi-
ger/ ſeines Gelds und Guts wegen/ nicht alleine
alle Menſchen im Stiche laͤſſet/ ſondern auch
ſelbiges zu erlangen/ wenn es ihm ſchon war-

haff-
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="273"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und denen daher ru&#x0364;hrenden Untugenden.</hi></fw><lb/>
i&#x017F;t aber in der Welt/ es &#x017F;ey nun aus was Ur&#x017F;ache<lb/>
es wolle/ immer eine Creatur der andern zu<lb/>
wider/ ab&#x017F;onderlich aber i&#x017F;t zwi&#x017F;chen den<lb/>
Men&#x017F;chen und andern Creaturen eine &#x017F;olche Un-<lb/>
einigkeit/ oder zum wenig&#x017F;ten keine &#x017F;olche <hi rendition="#aq">har-<lb/>
monie,</hi> daß man &#x017F;ich einbilden ko&#x0364;nne/ man mo&#x0364;-<lb/>
ge wohl ohne Abbruch der Men&#x017F;chen-Liebe &#x017F;ein<lb/>
Hertz an die andern Creaturen ha&#x0364;ngen. Es &#x017F;ind<lb/>
tau&#x017F;enderley Fa&#x0364;lle/ die ta&#x0364;glich vorkommen/ da-<lb/>
bey ein Men&#x017F;ch/ der andere Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">vernu&#x0364;nff-<lb/>
tig liebet/</hi> Gelegenheit findet/ denen&#x017F;elben zu<lb/>
gut und zu ihrer Erhaltung alles &#x017F;ein Geld und<lb/>
anderes Vermo&#x0364;gen insge&#x017F;amt/ das aus denen<lb/>
geringeren Creaturen be&#x017F;tehet/ zu wagen/ und<lb/>
in die Schantze zu &#x017F;chlagen. Ein <hi rendition="#fr">Wohllu&#x0364;&#x017F;ti-<lb/>
ger</hi> und <hi rendition="#fr">Ehr-Geitziger</hi> waget zwar alle &#x017F;ein<lb/>
Geld und Vermo&#x0364;gen haupt&#x017F;a&#x0364;chlich an &#x017F;eine Lu&#x017F;t<lb/>
und Ehre/ und niemahls an den wahren Nutzen<lb/>
anderer Men&#x017F;chen/ ja er ziehet auch &#x017F;eine Lu&#x017F;t<lb/>
und Ehre allen Men&#x017F;chen vor/ derge&#x017F;talt/ daß<lb/>
er allen Men&#x017F;chen darum giebet/ weswegen auch<lb/>
&#x017F;eine Liebe unvernu&#x0364;nfftig i&#x017F;t; aber es ge&#x017F;chiehet<lb/>
doch zum o&#x0364;fftern/ daß bey &#x017F;einer Lu&#x017F;t und Ehre<lb/>
viel andere Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">intere&#x017F;&#x017F;ir</hi>et &#x017F;ind/ denen zu<lb/>
gute er nicht nur &#x017F;ein Geld und Gut/ &#x017F;ondern<lb/>
auch wohl &#x017F;eine Ge&#x017F;undheit/ Leib und Leben in<lb/>
die Schantze &#x017F;chla&#x0364;gt. Da hingegen ein Geitzi-<lb/>
ger/ &#x017F;eines Gelds und Guts wegen/ nicht alleine<lb/>
alle Men&#x017F;chen im Stiche la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ &#x017F;ondern auch<lb/>
&#x017F;elbiges zu erlangen/ wenn es ihm &#x017F;chon war-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">haff-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0285] und denen daher ruͤhrenden Untugenden. iſt aber in der Welt/ es ſey nun aus was Urſache es wolle/ immer eine Creatur der andern zu wider/ abſonderlich aber iſt zwiſchen den Menſchen und andern Creaturen eine ſolche Un- einigkeit/ oder zum wenigſten keine ſolche har- monie, daß man ſich einbilden koͤnne/ man moͤ- ge wohl ohne Abbruch der Menſchen-Liebe ſein Hertz an die andern Creaturen haͤngen. Es ſind tauſenderley Faͤlle/ die taͤglich vorkommen/ da- bey ein Menſch/ der andere Menſchen vernuͤnff- tig liebet/ Gelegenheit findet/ denenſelben zu gut und zu ihrer Erhaltung alles ſein Geld und anderes Vermoͤgen insgeſamt/ das aus denen geringeren Creaturen beſtehet/ zu wagen/ und in die Schantze zu ſchlagen. Ein Wohlluͤſti- ger und Ehr-Geitziger waget zwar alle ſein Geld und Vermoͤgen hauptſaͤchlich an ſeine Luſt und Ehre/ und niemahls an den wahren Nutzen anderer Menſchen/ ja er ziehet auch ſeine Luſt und Ehre allen Menſchen vor/ dergeſtalt/ daß er allen Menſchen darum giebet/ weswegen auch ſeine Liebe unvernuͤnfftig iſt; aber es geſchiehet doch zum oͤfftern/ daß bey ſeiner Luſt und Ehre viel andere Menſchen intereſſiret ſind/ denen zu gute er nicht nur ſein Geld und Gut/ ſondern auch wohl ſeine Geſundheit/ Leib und Leben in die Schantze ſchlaͤgt. Da hingegen ein Geitzi- ger/ ſeines Gelds und Guts wegen/ nicht alleine alle Menſchen im Stiche laͤſſet/ ſondern auch ſelbiges zu erlangen/ wenn es ihm ſchon war- haff- S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/285
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/285>, abgerufen am 29.03.2024.