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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der vier Haupt-Leidenschafften.

16. Aber nun last uns auch die vernünfftige
Liebe nach ihren beywohnenden Tugenden gegen
die drey Laster halten. Die vernünfftige Lie-
be
ist verschwiegen und offenhertzig/ sie saget
was zu sagen ist/ und schweiget was zu schweigen
ist. Die Wollust ist klätzschicht und unbe-
dachtsam und saget alles heraus. Der Ehr-
geitz
ist stöckisch/ und macht aus allen Sachen
Geheimnisse. Der Geldgeitz ist tückisch und
saget anders als es ihm ums Hertze ist/ mit einem
Wort/ er leuget und simuliret.

17. Die vernünfftige Liebe ist gegen an-
dere gutthätig und freygebig/ die Wollust und
der Ehrgeitz auff liederliche und eitele Weise
verschwenderisch/ der Geldgeitz filtzig/ un-
barmhertzig und knickerig.

18. Die vernünfftige Liebe ist gleichmü-
thig/
und bezeiget sich gegen ieden wie sie soll;
Die Wollust ist knechtisch/ der Ehrgeitz
hochmüthig/
und der Geldgeitz bald närrisch
stoltz oder auffgeblasen/ bald Schalcksnärrisch/
Schmarotzerisch.

19. Die vernünfftige Liebe ist empfind-
lich/
aber hertzhafft/ sedoch geduldig/ die Wol-
lust
ist gar zu weichhertzig/ ungeduldig und
verzagt/ der Ehrgeitz grimmig und tollküh-
ne/
der Geldgeitz hämisch und grausam.

20. Die vernünfftige Liebe ist nüch-
tern/ mäßig
und erbar/ die Wollust fräßig/
versoffen
und geil/ der Ehrgeitz befleisset sich

einer
L 3
der vier Haupt-Leidenſchafften.

16. Aber nun laſt uns auch die vernuͤnfftige
Liebe nach ihren beywohnenden Tugenden gegen
die drey Laſter halten. Die vernuͤnfftige Lie-
be
iſt verſchwiegen und offenhertzig/ ſie ſaget
was zu ſagen iſt/ und ſchweiget was zu ſchweigen
iſt. Die Wolluſt iſt klaͤtzſchicht und unbe-
dachtſam und ſaget alles heraus. Der Ehr-
geitz
iſt ſtoͤckiſch/ und macht aus allen Sachen
Geheimniſſe. Der Geldgeitz iſt tuͤckiſch und
ſaget anders als es ihm ums Hertze iſt/ mit einem
Wort/ er leuget und ſimuliret.

17. Die vernuͤnfftige Liebe iſt gegen an-
dere gutthaͤtig und freygebig/ die Wolluſt und
der Ehrgeitz auff liederliche und eitele Weiſe
verſchwenderiſch/ der Geldgeitz filtzig/ un-
barmhertzig und knickerig.

18. Die vernuͤnfftige Liebe iſt gleichmuͤ-
thig/
und bezeiget ſich gegen ieden wie ſie ſoll;
Die Wolluſt iſt knechtiſch/ der Ehrgeitz
hochmuͤthig/
und der Geldgeitz bald naͤrriſch
ſtoltz oder auffgeblaſen/ bald Schalcksnaͤrriſch/
Schmarotzeriſch.

19. Die vernuͤnfftige Liebe iſt empfind-
lich/
aber hertzhafft/ ſedoch geduldig/ die Wol-
luſt
iſt gar zu weichhertzig/ ungeduldig und
verzagt/ der Ehrgeitz grimmig und tollkuͤh-
ne/
der Geldgeitz haͤmiſch und grauſam.

20. Die vernuͤnfftige Liebe iſt nuͤch-
tern/ maͤßig
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[165/0177] der vier Haupt-Leidenſchafften. 16. Aber nun laſt uns auch die vernuͤnfftige Liebe nach ihren beywohnenden Tugenden gegen die drey Laſter halten. Die vernuͤnfftige Lie- be iſt verſchwiegen und offenhertzig/ ſie ſaget was zu ſagen iſt/ und ſchweiget was zu ſchweigen iſt. Die Wolluſt iſt klaͤtzſchicht und unbe- dachtſam und ſaget alles heraus. Der Ehr- geitz iſt ſtoͤckiſch/ und macht aus allen Sachen Geheimniſſe. Der Geldgeitz iſt tuͤckiſch und ſaget anders als es ihm ums Hertze iſt/ mit einem Wort/ er leuget und ſimuliret. 17. Die vernuͤnfftige Liebe iſt gegen an- dere gutthaͤtig und freygebig/ die Wolluſt und der Ehrgeitz auff liederliche und eitele Weiſe verſchwenderiſch/ der Geldgeitz filtzig/ un- barmhertzig und knickerig. 18. Die vernuͤnfftige Liebe iſt gleichmuͤ- thig/ und bezeiget ſich gegen ieden wie ſie ſoll; Die Wolluſt iſt knechtiſch/ der Ehrgeitz hochmuͤthig/ und der Geldgeitz bald naͤrriſch ſtoltz oder auffgeblaſen/ bald Schalcksnaͤrriſch/ Schmarotzeriſch. 19. Die vernuͤnfftige Liebe iſt empfind- lich/ aber hertzhafft/ ſedoch geduldig/ die Wol- luſt iſt gar zu weichhertzig/ ungeduldig und verzagt/ der Ehrgeitz grimmig und tollkuͤh- ne/ der Geldgeitz haͤmiſch und grauſam. 20. Die vernuͤnfftige Liebe iſt nuͤch- tern/ maͤßig und erbar/ die Wolluſt fraͤßig/ verſoffen und geil/ der Ehrgeitz befleiſſet ſich einer L 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/177>, abgerufen am 18.04.2024.