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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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etwas Gutes oder Böses sind?

4. Zwar/ wenn wir anfänglich betrachten/
daß das Wesen des menschlichen Willens in der
Freyheit bestehe/ und daß wir in dem ersten
Theile gelehret haben/ b) daß alles das jenige gut
sey/ was das Wesen eines Dinges erhalte/ und
seine Kräffte vermehre/ ingleichen c) daß alle ru-
hige und ordentliche Bewegung
der Dinge
gut sey; anderseits aber erwegen/ daß wir in
Beschreibung der Gemüths-Neigungen gedacht/
daß diese den Willen durch ihre Neigung aus sei-
ner Freyheit setzen/
d) und aus starcken Ein-
druckungen
in die Sinnlichkeiten e) und einer
ausserordentlichen Bewegung des Geblütes
f) entstehen/ scheinet es nach dem ersten Ansehen/
daß die Gemüths-Neigungen ohne Unter-
scheid böse wären/
und daß man sie nicht mäßi-
gen/ sondern gar ausrotten müsse.

5. Aber die Wichtigkeit der Sache verdie-
net wohl/ daß wir sie ein wenig genauer erwegen/
und daß wir der Gemüths-Neigungen Anfang
bey denen Menschen mit gehörigem Fleiß unter-
suchen. Alle Menschen sind von Jugend auff
so geartet/ daß sie an denen Dingen/ die ihr We-
sen in einer ordentlichen Bewegung halten/ kein
Veranügen finden/ hingegen allezeit empfindli-
che Rührungen
ihrer Sinnlichkeiten/ die doch

böse
b) part. 1. c. 1. n. 6.
c) d. c. 1. n. 52. 53. 54.
d) cap. 3. n. 3. seq. n. 12. seq.
e) d. c. 3. n. 47.
seqq.
f) d. c. 3. n. 63. 68.
K
etwas Gutes oder Boͤſes ſind?

4. Zwar/ wenn wir anfaͤnglich betrachten/
daß das Weſen des menſchlichen Willens in der
Freyheit beſtehe/ und daß wir in dem erſten
Theile gelehret haben/ b) daß alles das jenige gut
ſey/ was das Weſen eines Dinges erhalte/ und
ſeine Kraͤffte vermehre/ ingleichen c) daß alle ru-
hige und ordentliche Bewegung
der Dinge
gut ſey; anderſeits aber erwegen/ daß wir in
Beſchreibung der Gemuͤths-Neigungen gedacht/
daß dieſe den Willen durch ihre Neigung aus ſei-
ner Freyheit ſetzen/
d) und aus ſtarcken Ein-
druckungen
in die Sinnlichkeiten e) und einer
auſſerordentlichen Bewegung des Gebluͤtes
f) entſtehen/ ſcheinet es nach dem erſten Anſehen/
daß die Gemuͤths-Neigungen ohne Unter-
ſcheid boͤſe waͤren/
und daß man ſie nicht maͤßi-
gen/ ſondern gar ausrotten muͤſſe.

5. Aber die Wichtigkeit der Sache verdie-
net wohl/ daß wir ſie ein wenig genauer erwegen/
und daß wir der Gemuͤths-Neigungen Anfang
bey denen Menſchen mit gehoͤrigem Fleiß unter-
ſuchen. Alle Menſchen ſind von Jugend auff
ſo geartet/ daß ſie an denen Dingen/ die ihr We-
ſen in einer ordentlichen Bewegung halten/ kein
Veranuͤgen finden/ hingegen allezeit empfindli-
che Ruͤhrungen
ihrer Sinnlichkeiten/ die doch

boͤſe
b) part. 1. c. 1. n. 6.
c) d. c. 1. n. 52. 53. 54.
d) cap. 3. n. 3. ſeq. n. 12. ſeq.
e) d. c. 3. n. 47.
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[145/0157] etwas Gutes oder Boͤſes ſind? 4. Zwar/ wenn wir anfaͤnglich betrachten/ daß das Weſen des menſchlichen Willens in der Freyheit beſtehe/ und daß wir in dem erſten Theile gelehret haben/ b) daß alles das jenige gut ſey/ was das Weſen eines Dinges erhalte/ und ſeine Kraͤffte vermehre/ ingleichen c) daß alle ru- hige und ordentliche Bewegung der Dinge gut ſey; anderſeits aber erwegen/ daß wir in Beſchreibung der Gemuͤths-Neigungen gedacht/ daß dieſe den Willen durch ihre Neigung aus ſei- ner Freyheit ſetzen/ d) und aus ſtarcken Ein- druckungen in die Sinnlichkeiten e) und einer auſſerordentlichen Bewegung des Gebluͤtes f) entſtehen/ ſcheinet es nach dem erſten Anſehen/ daß die Gemuͤths-Neigungen ohne Unter- ſcheid boͤſe waͤren/ und daß man ſie nicht maͤßi- gen/ ſondern gar ausrotten muͤſſe. 5. Aber die Wichtigkeit der Sache verdie- net wohl/ daß wir ſie ein wenig genauer erwegen/ und daß wir der Gemuͤths-Neigungen Anfang bey denen Menſchen mit gehoͤrigem Fleiß unter- ſuchen. Alle Menſchen ſind von Jugend auff ſo geartet/ daß ſie an denen Dingen/ die ihr We- ſen in einer ordentlichen Bewegung halten/ kein Veranuͤgen finden/ hingegen allezeit empfindli- che Ruͤhrungen ihrer Sinnlichkeiten/ die doch boͤſe b) part. 1. c. 1. n. 6. c) d. c. 1. n. 52. 53. 54. d) cap. 3. n. 3. ſeq. n. 12. ſeq. e) d. c. 3. n. 47. ſeqq. f) d. c. 3. n. 63. 68. K

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/157>, abgerufen am 20.04.2024.