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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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gar fügl. zur Liebe u. Haß gebr. werd. kön.
de ist eine Begierde/ das gegenwärtige Gute zu
erhalten; Betrübnüs eine Begierde das gegen-
wärtige Ubel vom Halse loß zu werden.

6. (2) So sind auch die Mittel das Gute
zu erlangen und dem Bösen zu entfliehen unter-
schieden. Denn entweder kan das Gute und
Böse leichtlich oder schwerlich erhalten oder ge-
meider werden. Also entstehet Freude/ wenn ich
mir einbilde/ daß ich das Gute balde und leicht-
lich
erhalten/ und dem Bösen entgehen werde:
Hoffnung oder Vertrauen/ wenn ich mir ein-
bilde/ das Gute nicht unschwer und nicht lange
hinaus
zu überkommen/ und des Bösen zu entge-
hen: Furcht oder Mißtrauen/ wenn ich mir
einbilde/ das Gute schwerlich und lange hin zu
erhalten/ oder dem Bösen zu entgehen: Betrüb-
nüs
und Verzweiffelung/ wenn ich mir einbil-
de/ das Gute gar nicht zu überkommen/ und dem
Bösen zu entgehen. Und hieraus kan man sehen/
wie nach unterschiedenen Betrachtungen/ die Ge-
müths-Neigungen bald diese bald jene Benen-
nung oder Beschreibung bekommen/ und in was
Verstande z. e. die Hoffnung bald eine Pein/
bald ein Vergnügen genennet wird.

7. Wir haben zwar oben l) gedacht/ daß al-
le Gemüths-Bewegungen den Menschen auff ei-
ne ausserordentliche Weise bewegen. Jedoch
ist unter denenselben eine Bewegung stärcker oder
unversehener/ als die andere. Dannenhero (3)

nach
l) cap. 3. n. 68. seq.
J 2

gar fuͤgl. zur Liebe u. Haß gebr. werd. koͤn.
de iſt eine Begierde/ das gegenwaͤrtige Gute zu
erhalten; Betruͤbnuͤs eine Begierde das gegen-
waͤrtige Ubel vom Halſe loß zu werden.

6. (2) So ſind auch die Mittel das Gute
zu erlangen und dem Boͤſen zu entfliehen unter-
ſchieden. Denn entweder kan das Gute und
Boͤſe leichtlich oder ſchwerlich erhalten oder ge-
meider werden. Alſo entſtehet Freude/ wenn ich
mir einbilde/ daß ich das Gute balde und leicht-
lich
erhalten/ und dem Boͤſen entgehen werde:
Hoffnung oder Vertrauen/ wenn ich mir ein-
bilde/ das Gute nicht unſchwer und nicht lange
hinaus
zu uͤberkommen/ und des Boͤſen zu entge-
hen: Furcht oder Mißtrauen/ wenn ich mir
einbilde/ das Gute ſchwerlich und lange hin zu
erhalten/ oder dem Boͤſen zu entgehen: Betruͤb-
nuͤs
und Verzweiffelung/ wenn ich mir einbil-
de/ das Gute gar nicht zu uͤberkommen/ und dem
Boͤſen zu entgehen. Und hieraus kan man ſehen/
wie nach unterſchiedenen Betrachtungen/ die Ge-
muͤths-Neigungen bald dieſe bald jene Benen-
nung oder Beſchreibung bekommen/ und in was
Verſtande z. e. die Hoffnung bald eine Pein/
bald ein Vergnuͤgen genennet wird.

7. Wir haben zwar oben l) gedacht/ daß al-
le Gemuͤths-Bewegungen den Menſchen auff ei-
ne auſſerordentliche Weiſe bewegen. Jedoch
iſt unter denenſelben eine Bewegung ſtaͤrcker oder
unverſehener/ als die andere. Dannenhero (3)

nach
l) cap. 3. n. 68. ſeq.
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[131/0143] gar fuͤgl. zur Liebe u. Haß gebr. werd. koͤn. de iſt eine Begierde/ das gegenwaͤrtige Gute zu erhalten; Betruͤbnuͤs eine Begierde das gegen- waͤrtige Ubel vom Halſe loß zu werden. 6. (2) So ſind auch die Mittel das Gute zu erlangen und dem Boͤſen zu entfliehen unter- ſchieden. Denn entweder kan das Gute und Boͤſe leichtlich oder ſchwerlich erhalten oder ge- meider werden. Alſo entſtehet Freude/ wenn ich mir einbilde/ daß ich das Gute balde und leicht- lich erhalten/ und dem Boͤſen entgehen werde: Hoffnung oder Vertrauen/ wenn ich mir ein- bilde/ das Gute nicht unſchwer und nicht lange hinaus zu uͤberkommen/ und des Boͤſen zu entge- hen: Furcht oder Mißtrauen/ wenn ich mir einbilde/ das Gute ſchwerlich und lange hin zu erhalten/ oder dem Boͤſen zu entgehen: Betruͤb- nuͤs und Verzweiffelung/ wenn ich mir einbil- de/ das Gute gar nicht zu uͤberkommen/ und dem Boͤſen zu entgehen. Und hieraus kan man ſehen/ wie nach unterſchiedenen Betrachtungen/ die Ge- muͤths-Neigungen bald dieſe bald jene Benen- nung oder Beſchreibung bekommen/ und in was Verſtande z. e. die Hoffnung bald eine Pein/ bald ein Vergnuͤgen genennet wird. 7. Wir haben zwar oben l) gedacht/ daß al- le Gemuͤths-Bewegungen den Menſchen auff ei- ne auſſerordentliche Weiſe bewegen. Jedoch iſt unter denenſelben eine Bewegung ſtaͤrcker oder unverſehener/ als die andere. Dannenhero (3) nach l) cap. 3. n. 68. ſeq. J 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/143>, abgerufen am 19.04.2024.