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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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seyn/ u. welche die Vornehm. drunter.
vorher gehet) keine entgegen gesetzte Bewe-
gung habe/ und daß wenn die Sache uns
nicht ungewöhnlich vorkommt/ wir keines
weges dadurch beweget werden/ sondern
dieselbe ruhig betrachten.
Denn hier wirfft
er wieder zweyerley Arten von der Gleich-
gültigkeit
unter einander.

32. Gleichgültigkeit (indifferentia) ist ent-
weder im Verstande und wird der Verwunde-
rung
entgegen gesetzt/ oder im Willen und ist
so viel als ein Mangel der Liebe.

33. Nun kan aber wohl etwas in dem Ver-
stande gleichgültig
seyn (das man nicht bewun-
dert) und doch nicht ohne Leidenschafft betrach-
tet. Jch will nicht anführen/ daß wenn es uns dem
Willen nach gleichgültig wäre/ wir uns nicht die
Mühe nehmen würden/ solches zu betrachten/
sondern wil nur Exempel anführen von einem
Säuffer/ Spieler/ Hurer/ Geldgeitzigen/ Ehr-
geitzigen/ dem man ein Glaß Wein/ einen Scher-
wäntzel/ ein gemeines und nicht schönes Weib-
stück/ einen Ducaten/ einen gnädigen aber nicht
ihm ungewöhnlichen Blick zeiget.

34. Der folgende Artickel a) beym Cartesio lau-
tet also: Die Hochachtung oder Verachtung
sind mit der Verwunderung vergesellschaff-
tet/ nachdem wir die grösse oder kleine eines
Dinges verwundern. Eben auff diese Weise
können wir uns selbst entweder hoch achten/

oder
a) art. 54. d. part. 2.
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ſeyn/ u. welche die Vornehm. drunter.
vorher gehet) keine entgegen geſetzte Bewe-
gung habe/ und daß wenn die Sache uns
nicht ungewoͤhnlich vorkommt/ wir keines
weges dadurch beweget werden/ ſondern
dieſelbe ruhig betrachten.
Denn hier wirfft
er wieder zweyerley Arten von der Gleich-
guͤltigkeit
unter einander.

32. Gleichguͤltigkeit (indifferentia) iſt ent-
weder im Verſtande und wird der Verwunde-
rung
entgegen geſetzt/ oder im Willen und iſt
ſo viel als ein Mangel der Liebe.

33. Nun kan aber wohl etwas in dem Ver-
ſtande gleichguͤltig
ſeyn (das man nicht bewun-
dert) uñ doch nicht ohne Leidenſchafft betrach-
tet. Jch will nicht anfuͤhren/ daß weñ es uns dem
Willen nach gleichguͤltig waͤre/ wir uns nicht die
Muͤhe nehmen wuͤrden/ ſolches zu betrachten/
ſondern wil nur Exempel anfuͤhren von einem
Saͤuffer/ Spieler/ Hurer/ Geldgeitzigen/ Ehr-
geitzigen/ dem man ein Glaß Wein/ einen Scher-
waͤntzel/ ein gemeines und nicht ſchoͤnes Weib-
ſtuͤck/ einen Ducaten/ einen gnaͤdigen aber nicht
ihm ungewoͤhnlichen Blick zeiget.

34. Der folgende Artickel a) beym Carteſio lau-
tet alſo: Die Hochachtung oder Verachtung
ſind mit der Verwunderung vergeſellſchaff-
tet/ nachdem wir die groͤſſe oder kleine eines
Dinges verwundern. Eben auff dieſe Weiſe
koͤnnen wir uns ſelbſt entweder hoch achten/

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a) art. 54. d. part. 2.
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[119/0131] ſeyn/ u. welche die Vornehm. drunter. vorher gehet) keine entgegen geſetzte Bewe- gung habe/ und daß wenn die Sache uns nicht ungewoͤhnlich vorkommt/ wir keines weges dadurch beweget werden/ ſondern dieſelbe ruhig betrachten. Denn hier wirfft er wieder zweyerley Arten von der Gleich- guͤltigkeit unter einander. 32. Gleichguͤltigkeit (indifferentia) iſt ent- weder im Verſtande und wird der Verwunde- rung entgegen geſetzt/ oder im Willen und iſt ſo viel als ein Mangel der Liebe. 33. Nun kan aber wohl etwas in dem Ver- ſtande gleichguͤltig ſeyn (das man nicht bewun- dert) uñ doch nicht ohne Leidenſchafft betrach- tet. Jch will nicht anfuͤhren/ daß weñ es uns dem Willen nach gleichguͤltig waͤre/ wir uns nicht die Muͤhe nehmen wuͤrden/ ſolches zu betrachten/ ſondern wil nur Exempel anfuͤhren von einem Saͤuffer/ Spieler/ Hurer/ Geldgeitzigen/ Ehr- geitzigen/ dem man ein Glaß Wein/ einen Scher- waͤntzel/ ein gemeines und nicht ſchoͤnes Weib- ſtuͤck/ einen Ducaten/ einen gnaͤdigen aber nicht ihm ungewoͤhnlichen Blick zeiget. 34. Der folgende Artickel a) beym Carteſio lau- tet alſo: Die Hochachtung oder Verachtung ſind mit der Verwunderung vergeſellſchaff- tet/ nachdem wir die groͤſſe oder kleine eines Dinges verwundern. Eben auff dieſe Weiſe koͤnnen wir uns ſelbſt entweder hoch achten/ oder a) art. 54. d. part. 2. H 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/131>, abgerufen am 28.03.2024.