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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 3. H. wie die Gemüths Neig.

65. So sehen wir demnach daraus/ daß ei-
ne starcke Eindrückung ins Gehirne/ und aus
dem Gehirne in die andern Gliedmassen/ auch in
die Nerven des Hertzens/ bey einem hertzhafften
und furchtsamen Menschen einerley Erschütte-
rung und concussion des Geblüts macht/ aber doch
nicht einerley affect, sondern zwey gantz widriege
Gemüthsleidenschaften daraus folgen. So kan
demnach die starcke Eindrückung ins Gehir-
ne/ oder die Bewegung der Geister in Ner-
ven die Ursache der
affecten nicht seyn.

66. Und ob sie wol jezuweilen mit den
Gemüthsneigungen vergesellschafftet ist/
so
ist doch dieses nicht bey allen Gemüthsneigungen;
und dannenhers wenn wir die Art und Weise der
Bewegung des Geblüts uns einbilden wollen/
müssen wir solche Exempel für uns nehmen/ da
keine Eindrückung/ oder zum wenigsten kei-
ne starcke Eindrückung vorgehet.
Z. e. wenn
eine Katze einem Menschen angst machet/ der sie
nicht siehet/ noch höret/ noch riechet; oder wenn
ein Mensch gleiches temperaments, nebst einen an-
dern Menschen ungleiches temperaments und mir
in einem Zimmer ist/ und wann beyde von mir an-
gesehen werden/ auff das Ansehen des einen Lie-
be/ auff das Ansehen des andern aber bey mir
Haß erfolget.

67. Woltestu nun gleich sagen/ daß das
Exempel mit der Katze was ausserordentli-

ches
Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig.

65. So ſehen wir demnach daraus/ daß ei-
ne ſtarcke Eindruͤckung ins Gehirne/ und aus
dem Gehirne in die andern Gliedmaſſen/ auch in
die Nerven des Hertzens/ bey einem hertzhafften
und furchtſamen Menſchen einerley Erſchuͤtte-
rung und concuſſion des Gebluͤts macht/ aber doch
nicht einerley affect, ſondern zwey gantz widriege
Gemuͤthsleidenſchaften daraus folgen. So kan
demnach die ſtarcke Eindruͤckung ins Gehir-
ne/ oder die Bewegung der Geiſter in Ner-
ven die Urſache der
affecten nicht ſeyn.

66. Und ob ſie wol jezuweilen mit den
Gemuͤthsneigungen vergeſellſchafftet iſt/
ſo
iſt doch dieſes nicht bey allen Gemuͤthsneigungen;
und dannenhers wenn wir die Art und Weiſe der
Bewegung des Gebluͤts uns einbilden wollen/
muͤſſen wir ſolche Exempel fuͤr uns nehmen/ da
keine Eindruͤckung/ oder zum wenigſten kei-
ne ſtarcke Eindruͤckung vorgehet.
Z. e. wenn
eine Katze einem Menſchen angſt machet/ der ſie
nicht ſiehet/ noch hoͤret/ noch riechet; oder wenn
ein Menſch gleiches temperaments, nebſt einen an-
dern Menſchen ungleiches temperaments und mir
in einem Zimmer iſt/ und wann beyde von mir an-
geſehen werden/ auff das Anſehen des einen Lie-
be/ auff das Anſehen des andern aber bey mir
Haß erfolget.

67. Wolteſtu nun gleich ſagen/ daß das
Exempel mit der Katze was auſſerordentli-

ches
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[102/0114] Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig. 65. So ſehen wir demnach daraus/ daß ei- ne ſtarcke Eindruͤckung ins Gehirne/ und aus dem Gehirne in die andern Gliedmaſſen/ auch in die Nerven des Hertzens/ bey einem hertzhafften und furchtſamen Menſchen einerley Erſchuͤtte- rung und concuſſion des Gebluͤts macht/ aber doch nicht einerley affect, ſondern zwey gantz widriege Gemuͤthsleidenſchaften daraus folgen. So kan demnach die ſtarcke Eindruͤckung ins Gehir- ne/ oder die Bewegung der Geiſter in Ner- ven die Urſache der affecten nicht ſeyn. 66. Und ob ſie wol jezuweilen mit den Gemuͤthsneigungen vergeſellſchafftet iſt/ ſo iſt doch dieſes nicht bey allen Gemuͤthsneigungen; und dannenhers wenn wir die Art und Weiſe der Bewegung des Gebluͤts uns einbilden wollen/ muͤſſen wir ſolche Exempel fuͤr uns nehmen/ da keine Eindruͤckung/ oder zum wenigſten kei- ne ſtarcke Eindruͤckung vorgehet. Z. e. wenn eine Katze einem Menſchen angſt machet/ der ſie nicht ſiehet/ noch hoͤret/ noch riechet; oder wenn ein Menſch gleiches temperaments, nebſt einen an- dern Menſchen ungleiches temperaments und mir in einem Zimmer iſt/ und wann beyde von mir an- geſehen werden/ auff das Anſehen des einen Lie- be/ auff das Anſehen des andern aber bey mir Haß erfolget. 67. Wolteſtu nun gleich ſagen/ daß das Exempel mit der Katze was auſſerordentli- ches

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/114>, abgerufen am 29.03.2024.