Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Das 3. H. wie die Gemüths Neig.
Zweiffel diese drey Arten unter die Classen der
Begierden/ oder der Lüste/ oder der Schmertzen
gerechnet/ welches alles nach ihrer Lehre Affecten
sind. Aber dieses sey nur als ohngefehr ange-
mercket.

49. So rechne ich demnach auch das Ge-
hirne selbst in Ansehung des Willens unter die
äußerlichen Dinge/ wie ich das Hertze in An-
sehung des Verstandes unter die äußerlichen
Dinge gerechnet habe. Denn gleich wie die Be-
jahung oder Verneinung/ wenn z. e. dem Hertzen
was wohl oder wehe thut/ im Gehirne vorgehet;
also gehet auch/ wenn in dem Gehirne was beja-
het oder verneinet wird/ die Begierde oder das
Verlangen/ mit einem Wort/ der Zug zu oder
von diesem Dinge im Hertzen vor.

50. Jch habe ferner gedacht/ daß die Ein-
drückung in das Hertze starck seyn muß/ wenn
ein Affect daraus entstehen sol. Durch diese
starcke Eindrückung verstehe ich nicht eben alle-
mahl eine solche/ die zugleich mit einer starcken Ein-
drückung in das Gehirne geschiehet/ als wenn der
Donnerschlag oder Blitz uns erschrecket; sondern
auch eine solche/ die wir mehr oder alleine in dem
Hertzen empfindeu/ ob schon in dem Gehirne des
Menschen oder in dem Verstande davon keine
Empfindung hauptsächlich geschicht; als wenn
zum Exempel etlichen Menschen der Angst-
Schweiß ausbricht/ wenn eine Katze in der
Stube ist/ die sie nicht sehen/ hören/ oder

riechen.

Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig.
Zweiffel dieſe drey Arten unter die Claſſen der
Begierden/ oder der Luͤſte/ oder der Schmertzen
gerechnet/ welches alles nach ihrer Lehre Affecten
ſind. Aber dieſes ſey nur als ohngefehr ange-
mercket.

49. So rechne ich demnach auch das Ge-
hirne ſelbſt in Anſehung des Willens unter die
aͤußerlichen Dinge/ wie ich das Hertze in An-
ſehung des Verſtandes unter die aͤußerlichen
Dinge gerechnet habe. Denn gleich wie die Be-
jahung oder Verneinung/ wenn z. e. dem Hertzen
was wohl oder wehe thut/ im Gehirne vorgehet;
alſo gehet auch/ wenn in dem Gehirne was beja-
het oder verneinet wird/ die Begierde oder das
Verlangen/ mit einem Wort/ der Zug zu oder
von dieſem Dinge im Hertzen vor.

50. Jch habe ferner gedacht/ daß die Ein-
druͤckung in das Hertze ſtarck ſeyn muß/ wenn
ein Affect daraus entſtehen ſol. Durch dieſe
ſtarcke Eindruͤckung verſtehe ich nicht eben alle-
mahl eine ſolche/ die zugleich mit einer ſtarcken Ein-
druͤckung in das Gehirne geſchiehet/ als wenn der
Donnerſchlag oder Blitz uns erſchrecket; ſondern
auch eine ſolche/ die wir mehr oder alleine in dem
Hertzen empfindeu/ ob ſchon in dem Gehirne des
Menſchen oder in dem Verſtande davon keine
Empfindung hauptſaͤchlich geſchicht; als wenn
zum Exempel etlichen Menſchen der Angſt-
Schweiß ausbricht/ wenn eine Katze in der
Stube iſt/ die ſie nicht ſehen/ hoͤren/ oder

riechen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 3. H. wie die Gemu&#x0364;ths Neig.</hi></fw><lb/>
Zweiffel die&#x017F;e drey Arten unter die Cla&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
Begierden/ oder der Lu&#x0364;&#x017F;te/ oder der Schmertzen<lb/>
gerechnet/ welches alles nach ihrer Lehre <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Affect</hi></hi>en<lb/>
&#x017F;ind. Aber die&#x017F;es &#x017F;ey nur als ohngefehr ange-<lb/>
mercket.</p><lb/>
        <p>49. So rechne ich demnach auch <hi rendition="#fr">das Ge-<lb/>
hirne &#x017F;elb&#x017F;t</hi> in An&#x017F;ehung des Willens <hi rendition="#fr">unter die<lb/>
a&#x0364;ußerlichen</hi> Dinge/ wie ich das Hertze in An-<lb/>
&#x017F;ehung des Ver&#x017F;tandes unter die a&#x0364;ußerlichen<lb/>
Dinge gerechnet habe. Denn gleich wie die Be-<lb/>
jahung oder Verneinung/ wenn z. e. dem Hertzen<lb/>
was wohl oder wehe thut/ im Gehirne vorgehet;<lb/>
al&#x017F;o gehet auch/ wenn in dem Gehirne was beja-<lb/>
het oder verneinet wird/ die Begierde oder das<lb/>
Verlangen/ mit einem Wort/ <hi rendition="#fr">der Zug zu oder<lb/>
von die&#x017F;em Dinge im Hertzen vor.</hi></p><lb/>
        <p>50. Jch habe ferner gedacht/ daß <hi rendition="#fr">die Ein-<lb/>
dru&#x0364;ckung in das Hertze &#x017F;tarck &#x017F;eyn muß/</hi> wenn<lb/>
ein <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Affect</hi></hi> daraus ent&#x017F;tehen &#x017F;ol. Durch <hi rendition="#fr">die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;tarcke Eindru&#x0364;ckung</hi> ver&#x017F;tehe ich nicht eben alle-<lb/>
mahl eine &#x017F;olche/ die zugleich mit einer &#x017F;tarcken Ein-<lb/>
dru&#x0364;ckung in das Gehirne ge&#x017F;chiehet/ als wenn der<lb/>
Donner&#x017F;chlag oder Blitz uns er&#x017F;chrecket; &#x017F;ondern<lb/>
auch eine &#x017F;olche/ die wir mehr oder <hi rendition="#fr">alleine in dem<lb/>
Hertzen empfindeu/</hi> ob &#x017F;chon in dem Gehirne des<lb/>
Men&#x017F;chen oder in dem Ver&#x017F;tande davon keine<lb/>
Empfindung haupt&#x017F;a&#x0364;chlich ge&#x017F;chicht; als wenn<lb/>
zum Exempel <hi rendition="#fr">etlichen Men&#x017F;chen der Ang&#x017F;t-<lb/>
Schweiß ausbricht/ wenn eine Katze in der<lb/>
Stube i&#x017F;t/ die &#x017F;ie nicht &#x017F;ehen/ ho&#x0364;ren/ oder</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">riechen.</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0106] Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig. Zweiffel dieſe drey Arten unter die Claſſen der Begierden/ oder der Luͤſte/ oder der Schmertzen gerechnet/ welches alles nach ihrer Lehre Affecten ſind. Aber dieſes ſey nur als ohngefehr ange- mercket. 49. So rechne ich demnach auch das Ge- hirne ſelbſt in Anſehung des Willens unter die aͤußerlichen Dinge/ wie ich das Hertze in An- ſehung des Verſtandes unter die aͤußerlichen Dinge gerechnet habe. Denn gleich wie die Be- jahung oder Verneinung/ wenn z. e. dem Hertzen was wohl oder wehe thut/ im Gehirne vorgehet; alſo gehet auch/ wenn in dem Gehirne was beja- het oder verneinet wird/ die Begierde oder das Verlangen/ mit einem Wort/ der Zug zu oder von dieſem Dinge im Hertzen vor. 50. Jch habe ferner gedacht/ daß die Ein- druͤckung in das Hertze ſtarck ſeyn muß/ wenn ein Affect daraus entſtehen ſol. Durch dieſe ſtarcke Eindruͤckung verſtehe ich nicht eben alle- mahl eine ſolche/ die zugleich mit einer ſtarcken Ein- druͤckung in das Gehirne geſchiehet/ als wenn der Donnerſchlag oder Blitz uns erſchrecket; ſondern auch eine ſolche/ die wir mehr oder alleine in dem Hertzen empfindeu/ ob ſchon in dem Gehirne des Menſchen oder in dem Verſtande davon keine Empfindung hauptſaͤchlich geſchicht; als wenn zum Exempel etlichen Menſchen der Angſt- Schweiß ausbricht/ wenn eine Katze in der Stube iſt/ die ſie nicht ſehen/ hoͤren/ oder riechen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/106
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/106>, abgerufen am 25.04.2024.