Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 3. H. wie die Gemüths Neig.
Gemüthsneigungen etwas mehrers reden. Alle
Affecten entspringen aus einer starcken Ein-
drückung/ oder Bewegung äußerlicher Din-
ge in das Hertz des Menschen/ und der dar-
aus erfolgten außerordentlichen Bewegung
der Lebens-Geister im Geblüte.

45. Alle Leidenschafften der Seelen kommen
von denen Sinnligkeiten her. Und wie die
Philosophi insgemein sagen/ es sey nichts im Ver-
stande/ das nicht zuvorhero in die Sinne gefal-
len; also können wir auch mit fuge sagen/ es sey
nichts im Willen/ das nicht zuvorhero in die
Sinne gefallen;
Denn wir mögen nun die ver-
nünfftige oder unvernünfftige Liebe vor uns neh-
men/ so wird jene ursprünglich sich auff Sinnlig-
keiten resolviren/ weil dieselbe von dem Verstan-
de regiret wird. Diese aber weil sie von dem Vor-
urtheil der Ungedult und Nachahmung entsprin-
get/ kan gleichfalls ohne Sinnligkeiten nicht seyn/
weil wir oben b] gewiesen/ daß beyde Vorurtheile
aus Sinnligkeiten herfliessen; Zugeschweigen/
daß wir in diesem Hauptstücke c] schon deutlich
gewiesen/ daß alle Gemühts-Bewegungen von
denen Bewegungen des Leibes ursprünglich
herrühren.

46. Wir müssen aber allhier wiederholen/
was wir in der Einleitung der Vernunfftlehre d]

gesagt/
b] c. 1. n. 42. 47.
c] h. cap. n. 4.
d] c. 3. n. 32.

Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig.
Gemuͤthsneigungen etwas mehrers reden. Alle
Affecten entſpringen aus einer ſtarcken Ein-
druͤckung/ oder Bewegung aͤußerlicher Din-
ge in das Hertz des Menſchen/ und der dar-
aus erfolgten außerordentlichen Bewegung
der Lebens-Geiſter im Gebluͤte.

45. Alle Leidenſchafften der Seelen kommen
von denen Sinnligkeiten her. Und wie die
Philoſophi insgemein ſagen/ es ſey nichts im Ver-
ſtande/ das nicht zuvorhero in die Sinne gefal-
len; alſo koͤnnen wir auch mit fuge ſagen/ es ſey
nichts im Willen/ das nicht zuvorhero in die
Sinne gefallen;
Denn wir moͤgen nun die ver-
nuͤnfftige oder unvernuͤnfftige Liebe vor uns neh-
men/ ſo wird jene urſpruͤnglich ſich auff Sinnlig-
keiten reſolviren/ weil dieſelbe von dem Verſtan-
de regiret wird. Dieſe aber weil ſie von dem Vor-
urtheil der Ungedult und Nachahmung entſprin-
get/ kan gleichfalls ohne Sinnligkeiten nicht ſeyn/
weil wir oben b] gewieſen/ daß beyde Vorurtheile
aus Sinnligkeiten herflieſſen; Zugeſchweigen/
daß wir in dieſem Hauptſtuͤcke c] ſchon deutlich
gewieſen/ daß alle Gemuͤhts-Bewegungen von
denen Bewegungen des Leibes urſpruͤnglich
herruͤhren.

46. Wir muͤſſen aber allhier wiederholen/
was wir in der Einleitung der Vernunfftlehre d]

geſagt/
b] c. 1. n. 42. 47.
c] h. cap. n. 4.
d] c. 3. n. 32.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 3. H. wie die Gemu&#x0364;ths Neig.</hi></fw><lb/>
Gemu&#x0364;thsneigungen etwas mehrers reden. Alle<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Affect</hi></hi>en ent&#x017F;pringen <hi rendition="#fr">aus einer &#x017F;tarcken Ein-<lb/>
dru&#x0364;ckung/ oder Bewegung a&#x0364;ußerlicher Din-<lb/>
ge in das Hertz des Men&#x017F;chen/ und der dar-<lb/>
aus erfolgten außerordentlichen Bewegung<lb/>
der Lebens-Gei&#x017F;ter im Geblu&#x0364;te.</hi></p><lb/>
        <p>45. Alle Leiden&#x017F;chafften der Seelen kommen<lb/><hi rendition="#fr">von denen Sinnligkeiten</hi> her. Und wie die<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi></hi> insgemein &#x017F;agen/ es &#x017F;ey nichts im Ver-<lb/>
&#x017F;tande/ das nicht zuvorhero in die Sinne gefal-<lb/>
len; al&#x017F;o ko&#x0364;nnen wir auch mit fuge &#x017F;agen/ <hi rendition="#fr">es &#x017F;ey<lb/>
nichts im Willen/ das nicht zuvorhero in die<lb/>
Sinne gefallen;</hi> Denn wir mo&#x0364;gen nun die ver-<lb/>
nu&#x0364;nfftige oder unvernu&#x0364;nfftige Liebe vor uns neh-<lb/>
men/ &#x017F;o wird jene ur&#x017F;pru&#x0364;nglich &#x017F;ich auff Sinnlig-<lb/>
keiten <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">re&#x017F;olvi</hi></hi>ren/ weil die&#x017F;elbe von dem Ver&#x017F;tan-<lb/>
de regiret wird. Die&#x017F;e aber weil &#x017F;ie von dem Vor-<lb/>
urtheil der Ungedult und Nachahmung ent&#x017F;prin-<lb/>
get/ kan gleichfalls ohne Sinnligkeiten nicht &#x017F;eyn/<lb/>
weil wir oben <note place="foot" n="b]"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c. 1. n.</hi> 42. 47.</hi></note> gewie&#x017F;en/ daß beyde Vorurtheile<lb/>
aus Sinnligkeiten herflie&#x017F;&#x017F;en; Zuge&#x017F;chweigen/<lb/>
daß wir in die&#x017F;em Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke <note place="foot" n="c]"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">h. cap. n.</hi> 4.</hi></note> &#x017F;chon deutlich<lb/>
gewie&#x017F;en/ daß alle Gemu&#x0364;hts-Bewegungen von<lb/>
denen Bewegungen des Leibes ur&#x017F;pru&#x0364;nglich<lb/>
herru&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>46. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber allhier wiederholen/<lb/>
was wir in der Einleitung der Vernunfftlehre <note place="foot" n="d]"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c. 3. n.</hi> 32.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;agt/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0104] Das 3. H. wie die Gemuͤths Neig. Gemuͤthsneigungen etwas mehrers reden. Alle Affecten entſpringen aus einer ſtarcken Ein- druͤckung/ oder Bewegung aͤußerlicher Din- ge in das Hertz des Menſchen/ und der dar- aus erfolgten außerordentlichen Bewegung der Lebens-Geiſter im Gebluͤte. 45. Alle Leidenſchafften der Seelen kommen von denen Sinnligkeiten her. Und wie die Philoſophi insgemein ſagen/ es ſey nichts im Ver- ſtande/ das nicht zuvorhero in die Sinne gefal- len; alſo koͤnnen wir auch mit fuge ſagen/ es ſey nichts im Willen/ das nicht zuvorhero in die Sinne gefallen; Denn wir moͤgen nun die ver- nuͤnfftige oder unvernuͤnfftige Liebe vor uns neh- men/ ſo wird jene urſpruͤnglich ſich auff Sinnlig- keiten reſolviren/ weil dieſelbe von dem Verſtan- de regiret wird. Dieſe aber weil ſie von dem Vor- urtheil der Ungedult und Nachahmung entſprin- get/ kan gleichfalls ohne Sinnligkeiten nicht ſeyn/ weil wir oben b] gewieſen/ daß beyde Vorurtheile aus Sinnligkeiten herflieſſen; Zugeſchweigen/ daß wir in dieſem Hauptſtuͤcke c] ſchon deutlich gewieſen/ daß alle Gemuͤhts-Bewegungen von denen Bewegungen des Leibes urſpruͤnglich herruͤhren. 46. Wir muͤſſen aber allhier wiederholen/ was wir in der Einleitung der Vernunfftlehre d] geſagt/ b] c. 1. n. 42. 47. c] h. cap. n. 4. d] c. 3. n. 32.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/104
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/104>, abgerufen am 19.04.2024.