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Thaer, Albrecht: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Berlin, 1815.

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benen besten Büchern, auch ungedruckten Aufsätzen
anderer findet, lesen, mit einander vergleichen, be-
urtheilen, die anscheinenden Widersprüche durch
Beachtung der Nebenumstände heben oder nach
verständigen Gründen entscheiden. Hierdurch wer-
den Discussionen unter den erfahrnern und kennt-
nißreichern meiner Zuhörer, deren doch gewöhnlich
mehrere hier sind, veranlaßt, der Gegenstand von
allen Seiten beleuchtet, Einseitigkeit und das ju-
rare in verba magistri
vermieden, der Beobach-
tungsgeist und das Nachdenken geschärft. Freilich
ist nicht in jedem Semester das Interesse dieser
Verhandlungen wegen der Verschiedenheit des Per-
sonals gleich groß gewesen; an manche kann ich nur
mit der angenehmsten Erinnerung denken, in an-
dern war die Zurückhaltung eigener Ansichten
unüberwindlich, und eine vielleicht mehr an-
scheinende als wirkliche Indolenz abschreckend. Sie
verlor sich bei manchem erst nach längerem Hierseyn.

Dann wird im Sommer die Botanik, aller-
dings mit Erklärung des Systems und der Termino-
logie, aber doch auch mit besonderer Hinsicht auf
die dem Landwirthe merkwürdigsten Pflanzen, und
mehr empirische Erkenntniß derselben gelehrt; da
eine vollständige Erlernung derselben nicht das Werk
eines Sommers, neben so manchen andern Stu-
dien seyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,

benen beſten Buͤchern, auch ungedruckten Aufſaͤtzen
anderer findet, leſen, mit einander vergleichen, be-
urtheilen, die anſcheinenden Widerſpruͤche durch
Beachtung der Nebenumſtaͤnde heben oder nach
verſtaͤndigen Gruͤnden entſcheiden. Hierdurch wer-
den Discuſſionen unter den erfahrnern und kennt-
nißreichern meiner Zuhoͤrer, deren doch gewoͤhnlich
mehrere hier ſind, veranlaßt, der Gegenſtand von
allen Seiten beleuchtet, Einſeitigkeit und das ju-
rare in verba magistri
vermieden, der Beobach-
tungsgeiſt und das Nachdenken geſchaͤrft. Freilich
iſt nicht in jedem Semeſter das Intereſſe dieſer
Verhandlungen wegen der Verſchiedenheit des Per-
ſonals gleich groß geweſen; an manche kann ich nur
mit der angenehmſten Erinnerung denken, in an-
dern war die Zuruͤckhaltung eigener Anſichten
unuͤberwindlich, und eine vielleicht mehr an-
ſcheinende als wirkliche Indolenz abſchreckend. Sie
verlor ſich bei manchem erſt nach laͤngerem Hierſeyn.

Dann wird im Sommer die Botanik, aller-
dings mit Erklaͤrung des Syſtems und der Termino-
logie, aber doch auch mit beſonderer Hinſicht auf
die dem Landwirthe merkwuͤrdigſten Pflanzen, und
mehr empiriſche Erkenntniß derſelben gelehrt; da
eine vollſtaͤndige Erlernung derſelben nicht das Werk
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[345/0362] benen beſten Buͤchern, auch ungedruckten Aufſaͤtzen anderer findet, leſen, mit einander vergleichen, be- urtheilen, die anſcheinenden Widerſpruͤche durch Beachtung der Nebenumſtaͤnde heben oder nach verſtaͤndigen Gruͤnden entſcheiden. Hierdurch wer- den Discuſſionen unter den erfahrnern und kennt- nißreichern meiner Zuhoͤrer, deren doch gewoͤhnlich mehrere hier ſind, veranlaßt, der Gegenſtand von allen Seiten beleuchtet, Einſeitigkeit und das ju- rare in verba magistri vermieden, der Beobach- tungsgeiſt und das Nachdenken geſchaͤrft. Freilich iſt nicht in jedem Semeſter das Intereſſe dieſer Verhandlungen wegen der Verſchiedenheit des Per- ſonals gleich groß geweſen; an manche kann ich nur mit der angenehmſten Erinnerung denken, in an- dern war die Zuruͤckhaltung eigener Anſichten unuͤberwindlich, und eine vielleicht mehr an- ſcheinende als wirkliche Indolenz abſchreckend. Sie verlor ſich bei manchem erſt nach laͤngerem Hierſeyn. Dann wird im Sommer die Botanik, aller- dings mit Erklaͤrung des Syſtems und der Termino- logie, aber doch auch mit beſonderer Hinſicht auf die dem Landwirthe merkwuͤrdigſten Pflanzen, und mehr empiriſche Erkenntniß derſelben gelehrt; da eine vollſtaͤndige Erlernung derſelben nicht das Werk eines Sommers, neben ſo manchen andern Stu- dien ſeyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Berlin, 1815, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_moeglin_1815/362>, abgerufen am 24.04.2024.