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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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Dürftigkeit des Haarwuchses an Kinn und Lippen, die vorstehenden
Backenknochen und die bei manchen Indianerstämmen vorkommende
Schiefe der Augenlinien; aber ebenso groß sind auch die Unter-
schiede, die den Amerikaner vom Mongolen trennen. Dahin gehört
vor allem die größere, scharfrückige, kräftig vorspringende Nase,
die meist europäische Form der Augen, das braune Haar und die
Bildung der Gliedmaßen. Man darf darnach mit Recht behaupten,
daß die Amerikaner der kaukasischen Rasse mindestens ebenso nahe
stehen wie der mongolischen. Nach der Farbe ihrer Haut hat man
sie Rothäute genannt; ein irreführender Name, den die Indianer
wegen ihrer Körperbemalung erhalten haben; denn ihre Hautfarbe
ist durchaus nicht rot, sondern braun in verschiedenen Schattie-
rungen. Die Indianer spalten sich in eine große Anzahl von Völker-
schaften, die über 120 Breitengrade zerstreut sind, aber alle in
gemeinsamer Gesichtsbildung, gleichen geistigen Eigenschaften und
dem Bau ihrer Sprache eine deutliche Verwandtschaft zeigen. Es
wird darum von keinem Forscher bestritten, daß alle diese Völker-
schaften von der Nachbarschaft der Eskimos an bis zum Feuer-
lande eine einzige Menschenrasse bilden, der die angeführten Merk-
male zukommen. Allen ist auch ein gewisser, weicher Ausdruck
des Mundes eigen, der nicht selten einen bald spöttischen, bald
traurigen Charakter annimmt und zwar mit der ernsten, schweig-
samen, insichgekehrten Natur des Indianers stimmt, dagegen mit
dem strengen, düsteren Blick stark kontrastiert. Vom Standpunkte
der einheimischen Kultur aus betrachtet, zerfällt die amerikanische
Urbevölkerung in zwei Gruppen, Kultur- und Naturvölker. Zu
jenen gehören die Mexikaner (Azteken) und die Peruaner (Inkas),
zu diesen die übrigen Stämme Nord- und Südamerikas. Bekannte
Indianervölker Nordamerikas sind: Delawaren, Mohikaner, Irokesen,
Appalachen, Huronen, Sioux. In Südamerika haben Botokuden,
Cariben, Patagonier und Feuerländer ihren Wohnsitz.



Von manchen Gelehrten wird die Meinung vertreten, daß mit
der körperlichen Verschiedenheit innerhalb des Menschengeschlechts
eine Verschiedenheit des Temperaments Hand in Hand geht. Man
spricht darum von Rassentemperamenten und will damit sagen,
daß einer Rasse als solcher ein bestimmtes Temperament eigen-
tümlich sei, eine Ansicht, die zwar nur ganz im allgemeinen

Dürftigkeit des Haarwuchses an Kinn und Lippen, die vorstehenden
Backenknochen und die bei manchen Indianerstämmen vorkommende
Schiefe der Augenlinien; aber ebenso groß sind auch die Unter-
schiede, die den Amerikaner vom Mongolen trennen. Dahin gehört
vor allem die größere, scharfrückige, kräftig vorspringende Nase,
die meist europäische Form der Augen, das braune Haar und die
Bildung der Gliedmaßen. Man darf darnach mit Recht behaupten,
daß die Amerikaner der kaukasischen Rasse mindestens ebenso nahe
stehen wie der mongolischen. Nach der Farbe ihrer Haut hat man
sie Rothäute genannt; ein irreführender Name, den die Indianer
wegen ihrer Körperbemalung erhalten haben; denn ihre Hautfarbe
ist durchaus nicht rot, sondern braun in verschiedenen Schattie-
rungen. Die Indianer spalten sich in eine große Anzahl von Völker-
schaften, die über 120 Breitengrade zerstreut sind, aber alle in
gemeinsamer Gesichtsbildung, gleichen geistigen Eigenschaften und
dem Bau ihrer Sprache eine deutliche Verwandtschaft zeigen. Es
wird darum von keinem Forscher bestritten, daß alle diese Völker-
schaften von der Nachbarschaft der Eskimos an bis zum Feuer-
lande eine einzige Menschenrasse bilden, der die angeführten Merk-
male zukommen. Allen ist auch ein gewisser, weicher Ausdruck
des Mundes eigen, der nicht selten einen bald spöttischen, bald
traurigen Charakter annimmt und zwar mit der ernsten, schweig-
samen, insichgekehrten Natur des Indianers stimmt, dagegen mit
dem strengen, düsteren Blick stark kontrastiert. Vom Standpunkte
der einheimischen Kultur aus betrachtet, zerfällt die amerikanische
Urbevölkerung in zwei Gruppen, Kultur- und Naturvölker. Zu
jenen gehören die Mexikaner (Azteken) und die Peruaner (Inkas),
zu diesen die übrigen Stämme Nord- und Südamerikas. Bekannte
Indianervölker Nordamerikas sind: Delawaren, Mohikaner, Irokesen,
Appalachen, Huronen, Sioux. In Südamerika haben Botokuden,
Cariben, Patagonier und Feuerländer ihren Wohnsitz.



Von manchen Gelehrten wird die Meinung vertreten, daß mit
der körperlichen Verschiedenheit innerhalb des Menschengeschlechts
eine Verschiedenheit des Temperaments Hand in Hand geht. Man
spricht darum von Rassentemperamenten und will damit sagen,
daß einer Rasse als solcher ein bestimmtes Temperament eigen-
tümlich sei, eine Ansicht, die zwar nur ganz im allgemeinen

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[— 15 —/0019] Dürftigkeit des Haarwuchses an Kinn und Lippen, die vorstehenden Backenknochen und die bei manchen Indianerstämmen vorkommende Schiefe der Augenlinien; aber ebenso groß sind auch die Unter- schiede, die den Amerikaner vom Mongolen trennen. Dahin gehört vor allem die größere, scharfrückige, kräftig vorspringende Nase, die meist europäische Form der Augen, das braune Haar und die Bildung der Gliedmaßen. Man darf darnach mit Recht behaupten, daß die Amerikaner der kaukasischen Rasse mindestens ebenso nahe stehen wie der mongolischen. Nach der Farbe ihrer Haut hat man sie Rothäute genannt; ein irreführender Name, den die Indianer wegen ihrer Körperbemalung erhalten haben; denn ihre Hautfarbe ist durchaus nicht rot, sondern braun in verschiedenen Schattie- rungen. Die Indianer spalten sich in eine große Anzahl von Völker- schaften, die über 120 Breitengrade zerstreut sind, aber alle in gemeinsamer Gesichtsbildung, gleichen geistigen Eigenschaften und dem Bau ihrer Sprache eine deutliche Verwandtschaft zeigen. Es wird darum von keinem Forscher bestritten, daß alle diese Völker- schaften von der Nachbarschaft der Eskimos an bis zum Feuer- lande eine einzige Menschenrasse bilden, der die angeführten Merk- male zukommen. Allen ist auch ein gewisser, weicher Ausdruck des Mundes eigen, der nicht selten einen bald spöttischen, bald traurigen Charakter annimmt und zwar mit der ernsten, schweig- samen, insichgekehrten Natur des Indianers stimmt, dagegen mit dem strengen, düsteren Blick stark kontrastiert. Vom Standpunkte der einheimischen Kultur aus betrachtet, zerfällt die amerikanische Urbevölkerung in zwei Gruppen, Kultur- und Naturvölker. Zu jenen gehören die Mexikaner (Azteken) und die Peruaner (Inkas), zu diesen die übrigen Stämme Nord- und Südamerikas. Bekannte Indianervölker Nordamerikas sind: Delawaren, Mohikaner, Irokesen, Appalachen, Huronen, Sioux. In Südamerika haben Botokuden, Cariben, Patagonier und Feuerländer ihren Wohnsitz. Von manchen Gelehrten wird die Meinung vertreten, daß mit der körperlichen Verschiedenheit innerhalb des Menschengeschlechts eine Verschiedenheit des Temperaments Hand in Hand geht. Man spricht darum von Rassentemperamenten und will damit sagen, daß einer Rasse als solcher ein bestimmtes Temperament eigen- tümlich sei, eine Ansicht, die zwar nur ganz im allgemeinen

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 15 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/19>, abgerufen am 28.03.2024.