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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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[Spaltenumbruch]

Kar Keh
und eine Rinnleiste genennt wird, (*) gebraucht.
Dieses Glied wird nicht überall gleich gemacht.
Die zwey Hauptarten sie zu machen, sind hier vor-
gestellt.

[Abbildung]

Jn beyden Arten ist die Ausladung a b der Höhe
a c gleich. Nach der ersten Art werden die senkel-
rechten Linien a c und b f in zwey gleiche Theile ge-
theilt, und aus den Theilungspunkten d und g, die
Viertelkreise b e und c c, jener einwerts, dieser aus-
werts beschrieben. Nach der andern Art B wird
die Linie b c in zwey gleiche Theile getheilt, und
denn wird auf jede Hälfte b e und c e ein gleichsei-
tiges Dreyek beschrieben, aus dessen Scheitel d, d,
die Bogen h e, und c e beschrieben werden.

Kehlleiste.
(Baukunst.)

Ein Glied in den Gesimsen, das in allen Stüken
gerade eine umgekehrte Rinnleiste ist. Es wird
also ebenfalls auf zweyerley Art gemacht. Jn bey-
den ist die Ausladung a b der Höhe a c gleich. Nach
der ersten Art A, wird die Linie b c in vier gleiche
Theile getheilt, so daß b e und c e jede der vierte
Theil dieser Linie ist. Aus den Punkten e, werden
die Linien e d auf b c perpendicular gezogen, und so
lang, als b e oder c e genommen. Denn werden
aus den Punkten d die Zirkelbogen b f und c f gezo-
gen. Nach der andern Art B wird die Linie b c
in zwey Theile getheilt, und auf jede Hälfte ein
gleichseitiges Dreyek, wie die Figur zeiget, gezogen;
aus dessen Scheitelpunkten d die Bogen b e und c e
gezogen werden.

[Abbildung] [Spaltenumbruch]
Ken
Kenner.
(Schöne Künste.)

Diesen Namen verdienet in jeden Zweyg der schö-
nen Künste, der, welcher die Werke der Kunst nach
ihrem innerlichen Werth zu beurtheilen, und die
verschiedenen Grade ihrer Vollkommenheit zu schä-
tzen im Stand ist. Der Kenner steht zwischen dem
Künstler und dem Liebhaber in der Mitte. Jener
muß das Mechanische der Kunst verstehen, und
auch die Ausführung desselben in seiner Gewalt ha-
ben; dieser empfindet nur die Würkung der Kunst,
indem er ein Wolgefallen an ihren Werken hat,
und nach dem Genuß derselben begierig ist. Alle
drey urtheilen über die Kunstwerke, aber auf sehr
verschiedene Weise. Der Künstler, wenn er nicht
zugleich ein Kenner ist, und er ist es nicht allemal,
beurtheilt das Mechanische, das, was eigentlich der
Kunst allein zugehört; er entscheidet, wie gut oder
schlecht, wie glüklich oder unglüklich der Künstler
dargestellt hat, was er hat darstellen wollen, und
in wie fern er die Regeln der Kunst beobachtet hat.
Der Kenner beurtheilet auch das, was ausser der
Kunst ist; den Geschmak des Künstlers in der Wahl
der Sachen; seine Beurtheilungskraft in Ansehung
des Werths der Dinge; sein ganzes Genie in Ab-
sicht auf die Erfindung; er vergleicht das Werk, so
wie es ist, mit dem, was es seiner Natur nach
seyn sollte, um zu bestimmen, wie nahe es der Voll-
kommenheit liegt; er entdeket das Gute und das
Schlechte an demselben, und weiß überall die Gründe
seines Urtheils anzuführen. Der Liebhaber beur-
theilt das Werk blos nach den unüberlegten Ein-
drüken, die es auf ihn macht; er überläßt sich zu-
erst dem, was er dabey empfindet, und denn lobt
er das, was ihm gefallen, und tadelt, was ihm
mißfallen hat, ohne weitere Gründe davon anzu-
führen. Man ist ein Liebhaber, wenn man ein
lebhaftes Gefühl für die Gegenstände hat, die die
Kunst bearbeitet; ein Kenner, wenn zu diesem Ge-
fühl ein durch lange Uebung und Erfahrung gerei-
nigter Geschmak, und Eipsicht in die Natur und
das Wesen der Kunst hinzukommt; aber ein Künst-
ler wird man allein durch Uebung in der Kunst.

Es gehöret nicht wenig dazu um den Namen
eines Kenners zu verdienen. Zwar wird er mei-
stentheils Leuten gegeben, die weitläuftige historische
Kenntnisse von Künstlern und Kunstwerken haben;

die
(*) S.
die Figue.
Art. Glied.

[Spaltenumbruch]

Kar Keh
und eine Rinnleiſte genennt wird, (*) gebraucht.
Dieſes Glied wird nicht uͤberall gleich gemacht.
Die zwey Hauptarten ſie zu machen, ſind hier vor-
geſtellt.

[Abbildung]

Jn beyden Arten iſt die Ausladung a b der Hoͤhe
a c gleich. Nach der erſten Art werden die ſenkel-
rechten Linien a c und b f in zwey gleiche Theile ge-
theilt, und aus den Theilungspunkten d und g, die
Viertelkreiſe b e und c c, jener einwerts, dieſer aus-
werts beſchrieben. Nach der andern Art B wird
die Linie b c in zwey gleiche Theile getheilt, und
denn wird auf jede Haͤlfte b e und c e ein gleichſei-
tiges Dreyek beſchrieben, aus deſſen Scheitel d, d,
die Bogen h e, und c e beſchrieben werden.

Kehlleiſte.
(Baukunſt.)

Ein Glied in den Geſimſen, das in allen Stuͤken
gerade eine umgekehrte Rinnleiſte iſt. Es wird
alſo ebenfalls auf zweyerley Art gemacht. Jn bey-
den iſt die Ausladung a b der Hoͤhe a c gleich. Nach
der erſten Art A, wird die Linie b c in vier gleiche
Theile getheilt, ſo daß b e und c e jede der vierte
Theil dieſer Linie iſt. Aus den Punkten e, werden
die Linien e d auf b c perpendicular gezogen, und ſo
lang, als b e oder c e genommen. Denn werden
aus den Punkten d die Zirkelbogen b f und c f gezo-
gen. Nach der andern Art B wird die Linie b c
in zwey Theile getheilt, und auf jede Haͤlfte ein
gleichſeitiges Dreyek, wie die Figur zeiget, gezogen;
aus deſſen Scheitelpunkten d die Bogen b e und c e
gezogen werden.

[Abbildung] [Spaltenumbruch]
Ken
Kenner.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Dieſen Namen verdienet in jeden Zweyg der ſchoͤ-
nen Kuͤnſte, der, welcher die Werke der Kunſt nach
ihrem innerlichen Werth zu beurtheilen, und die
verſchiedenen Grade ihrer Vollkommenheit zu ſchaͤ-
tzen im Stand iſt. Der Kenner ſteht zwiſchen dem
Kuͤnſtler und dem Liebhaber in der Mitte. Jener
muß das Mechaniſche der Kunſt verſtehen, und
auch die Ausfuͤhrung deſſelben in ſeiner Gewalt ha-
ben; dieſer empfindet nur die Wuͤrkung der Kunſt,
indem er ein Wolgefallen an ihren Werken hat,
und nach dem Genuß derſelben begierig iſt. Alle
drey urtheilen uͤber die Kunſtwerke, aber auf ſehr
verſchiedene Weiſe. Der Kuͤnſtler, wenn er nicht
zugleich ein Kenner iſt, und er iſt es nicht allemal,
beurtheilt das Mechaniſche, das, was eigentlich der
Kunſt allein zugehoͤrt; er entſcheidet, wie gut oder
ſchlecht, wie gluͤklich oder ungluͤklich der Kuͤnſtler
dargeſtellt hat, was er hat darſtellen wollen, und
in wie fern er die Regeln der Kunſt beobachtet hat.
Der Kenner beurtheilet auch das, was auſſer der
Kunſt iſt; den Geſchmak des Kuͤnſtlers in der Wahl
der Sachen; ſeine Beurtheilungskraft in Anſehung
des Werths der Dinge; ſein ganzes Genie in Ab-
ſicht auf die Erfindung; er vergleicht das Werk, ſo
wie es iſt, mit dem, was es ſeiner Natur nach
ſeyn ſollte, um zu beſtimmen, wie nahe es der Voll-
kommenheit liegt; er entdeket das Gute und das
Schlechte an demſelben, und weiß uͤberall die Gruͤnde
ſeines Urtheils anzufuͤhren. Der Liebhaber beur-
theilt das Werk blos nach den unuͤberlegten Ein-
druͤken, die es auf ihn macht; er uͤberlaͤßt ſich zu-
erſt dem, was er dabey empfindet, und denn lobt
er das, was ihm gefallen, und tadelt, was ihm
mißfallen hat, ohne weitere Gruͤnde davon anzu-
fuͤhren. Man iſt ein Liebhaber, wenn man ein
lebhaftes Gefuͤhl fuͤr die Gegenſtaͤnde hat, die die
Kunſt bearbeitet; ein Kenner, wenn zu dieſem Ge-
fuͤhl ein durch lange Uebung und Erfahrung gerei-
nigter Geſchmak, und Eipſicht in die Natur und
das Weſen der Kunſt hinzukommt; aber ein Kuͤnſt-
ler wird man allein durch Uebung in der Kunſt.

Es gehoͤret nicht wenig dazu um den Namen
eines Kenners zu verdienen. Zwar wird er mei-
ſtentheils Leuten gegeben, die weitlaͤuftige hiſtoriſche
Kenntniſſe von Kuͤnſtlern und Kunſtwerken haben;

die
(*) S.
die Figue.
Art. Glied.
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[572/0007] Kar Keh Ken und eine Rinnleiſte genennt wird, (*) gebraucht. Dieſes Glied wird nicht uͤberall gleich gemacht. Die zwey Hauptarten ſie zu machen, ſind hier vor- geſtellt. [Abbildung] Jn beyden Arten iſt die Ausladung a b der Hoͤhe a c gleich. Nach der erſten Art werden die ſenkel- rechten Linien a c und b f in zwey gleiche Theile ge- theilt, und aus den Theilungspunkten d und g, die Viertelkreiſe b e und c c, jener einwerts, dieſer aus- werts beſchrieben. Nach der andern Art B wird die Linie b c in zwey gleiche Theile getheilt, und denn wird auf jede Haͤlfte b e und c e ein gleichſei- tiges Dreyek beſchrieben, aus deſſen Scheitel d, d, die Bogen h e, und c e beſchrieben werden. Kehlleiſte. (Baukunſt.) Ein Glied in den Geſimſen, das in allen Stuͤken gerade eine umgekehrte Rinnleiſte iſt. Es wird alſo ebenfalls auf zweyerley Art gemacht. Jn bey- den iſt die Ausladung a b der Hoͤhe a c gleich. Nach der erſten Art A, wird die Linie b c in vier gleiche Theile getheilt, ſo daß b e und c e jede der vierte Theil dieſer Linie iſt. Aus den Punkten e, werden die Linien e d auf b c perpendicular gezogen, und ſo lang, als b e oder c e genommen. Denn werden aus den Punkten d die Zirkelbogen b f und c f gezo- gen. Nach der andern Art B wird die Linie b c in zwey Theile getheilt, und auf jede Haͤlfte ein gleichſeitiges Dreyek, wie die Figur zeiget, gezogen; aus deſſen Scheitelpunkten d die Bogen b e und c e gezogen werden. [Abbildung] Kenner. (Schoͤne Kuͤnſte.) Dieſen Namen verdienet in jeden Zweyg der ſchoͤ- nen Kuͤnſte, der, welcher die Werke der Kunſt nach ihrem innerlichen Werth zu beurtheilen, und die verſchiedenen Grade ihrer Vollkommenheit zu ſchaͤ- tzen im Stand iſt. Der Kenner ſteht zwiſchen dem Kuͤnſtler und dem Liebhaber in der Mitte. Jener muß das Mechaniſche der Kunſt verſtehen, und auch die Ausfuͤhrung deſſelben in ſeiner Gewalt ha- ben; dieſer empfindet nur die Wuͤrkung der Kunſt, indem er ein Wolgefallen an ihren Werken hat, und nach dem Genuß derſelben begierig iſt. Alle drey urtheilen uͤber die Kunſtwerke, aber auf ſehr verſchiedene Weiſe. Der Kuͤnſtler, wenn er nicht zugleich ein Kenner iſt, und er iſt es nicht allemal, beurtheilt das Mechaniſche, das, was eigentlich der Kunſt allein zugehoͤrt; er entſcheidet, wie gut oder ſchlecht, wie gluͤklich oder ungluͤklich der Kuͤnſtler dargeſtellt hat, was er hat darſtellen wollen, und in wie fern er die Regeln der Kunſt beobachtet hat. Der Kenner beurtheilet auch das, was auſſer der Kunſt iſt; den Geſchmak des Kuͤnſtlers in der Wahl der Sachen; ſeine Beurtheilungskraft in Anſehung des Werths der Dinge; ſein ganzes Genie in Ab- ſicht auf die Erfindung; er vergleicht das Werk, ſo wie es iſt, mit dem, was es ſeiner Natur nach ſeyn ſollte, um zu beſtimmen, wie nahe es der Voll- kommenheit liegt; er entdeket das Gute und das Schlechte an demſelben, und weiß uͤberall die Gruͤnde ſeines Urtheils anzufuͤhren. Der Liebhaber beur- theilt das Werk blos nach den unuͤberlegten Ein- druͤken, die es auf ihn macht; er uͤberlaͤßt ſich zu- erſt dem, was er dabey empfindet, und denn lobt er das, was ihm gefallen, und tadelt, was ihm mißfallen hat, ohne weitere Gruͤnde davon anzu- fuͤhren. Man iſt ein Liebhaber, wenn man ein lebhaftes Gefuͤhl fuͤr die Gegenſtaͤnde hat, die die Kunſt bearbeitet; ein Kenner, wenn zu dieſem Ge- fuͤhl ein durch lange Uebung und Erfahrung gerei- nigter Geſchmak, und Eipſicht in die Natur und das Weſen der Kunſt hinzukommt; aber ein Kuͤnſt- ler wird man allein durch Uebung in der Kunſt. Es gehoͤret nicht wenig dazu um den Namen eines Kenners zu verdienen. Zwar wird er mei- ſtentheils Leuten gegeben, die weitlaͤuftige hiſtoriſche Kenntniſſe von Kuͤnſtlern und Kunſtwerken haben; die (*) S. die Figue. Art. Glied.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/7>, abgerufen am 25.04.2024.