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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Nachricht.

Jn dem mittelsten Plane sieht man die Jsis und den
Osiris mit ihrem gewöhnlichen Schmuck in Nischen; ihr
Körper sowohl als die äußersten unteren Theile sind wie
Mumien gebunden: dies beweiset, daß die Aegypter
glaubten, sie müßten gelebt haben. Die Blenden oder
Nischen, worinnen sie liegen, könnte man mit aufgestütz-
ten Bahren vergleichen. Priester, die da vor ihnen im An-
gesichte stehen, thun Gebete zu ihnen, die durch die obere
Schrift ausgedrückt sind; Jsis und Osiris scheinen ihnen
das zu antworten, was unter ihnen steht. Man bemerkt
hier, daß die Priester den Kopf und das Kinn, wie ge-
wöhnlich, geschoren haben, mit einem Blatt vom Lotus,
oder vielmehr von dem Baume Musa (oder Pisang), dem
schönsten Blatte in der Welt, in der Hand. Sie haben
eine lange Stole oder Binde an dem Vorderarme, die der-
jenigen vollkommen ähnlich ist, deren sich die katholischen
Priester bis ins 14 oder 15te Seculum bedienten. Jhr
Chorhemde liegt obenher in kleinen Falten: ein Zeichen des
Ueberflusses. An dem untern Theile ist es mit Franzen
besetzt, wie der Leviten ihres. Die Fußbekleidung dieser
Priester verdient besonders bemerkt zu werden. Man hat
uns versichert, daß die Malabaren sich noch jetzt einer sol-
chen Bekleidung bedienten. Sie ist ohne Absatz und ohne
Quartiere, und endigt sich, wie die Schrittschuhe, durch
ein aufgekrümmtes Eisen; vermuthlich um zu hindern,
daß sich nicht der Fuß an den Steinen verletze.

Auf dem untersten Plane sieht man zur Linken 1) eine
sitzende Frau mit einem Kleide in sehr kleinen Fältchen,
und einem ägyptischen Kopfputze, in Ansehung des unge-
heuren Halsbandes von Perlen. Die Zusammenfügung
dieser Perlen kommt in ihren Absätzen sehr, so wie dasje-

nige
Nachricht.

Jn dem mittelſten Plane ſieht man die Jſis und den
Oſiris mit ihrem gewoͤhnlichen Schmuck in Niſchen; ihr
Koͤrper ſowohl als die aͤußerſten unteren Theile ſind wie
Mumien gebunden: dies beweiſet, daß die Aegypter
glaubten, ſie muͤßten gelebt haben. Die Blenden oder
Niſchen, worinnen ſie liegen, koͤnnte man mit aufgeſtuͤtz-
ten Bahren vergleichen. Prieſter, die da vor ihnen im An-
geſichte ſtehen, thun Gebete zu ihnen, die durch die obere
Schrift ausgedruͤckt ſind; Jſis und Oſiris ſcheinen ihnen
das zu antworten, was unter ihnen ſteht. Man bemerkt
hier, daß die Prieſter den Kopf und das Kinn, wie ge-
woͤhnlich, geſchoren haben, mit einem Blatt vom Lotus,
oder vielmehr von dem Baume Muſa (oder Piſang), dem
ſchoͤnſten Blatte in der Welt, in der Hand. Sie haben
eine lange Stole oder Binde an dem Vorderarme, die der-
jenigen vollkommen aͤhnlich iſt, deren ſich die katholiſchen
Prieſter bis ins 14 oder 15te Seculum bedienten. Jhr
Chorhemde liegt obenher in kleinen Falten: ein Zeichen des
Ueberfluſſes. An dem untern Theile iſt es mit Franzen
beſetzt, wie der Leviten ihres. Die Fußbekleidung dieſer
Prieſter verdient beſonders bemerkt zu werden. Man hat
uns verſichert, daß die Malabaren ſich noch jetzt einer ſol-
chen Bekleidung bedienten. Sie iſt ohne Abſatz und ohne
Quartiere, und endigt ſich, wie die Schrittſchuhe, durch
ein aufgekruͤmmtes Eiſen; vermuthlich um zu hindern,
daß ſich nicht der Fuß an den Steinen verletze.

Auf dem unterſten Plane ſieht man zur Linken 1) eine
ſitzende Frau mit einem Kleide in ſehr kleinen Faͤltchen,
und einem aͤgyptiſchen Kopfputze, in Anſehung des unge-
heuren Halsbandes von Perlen. Die Zuſammenfuͤgung
dieſer Perlen kommt in ihren Abſaͤtzen ſehr, ſo wie dasje-

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[0015] Nachricht. Jn dem mittelſten Plane ſieht man die Jſis und den Oſiris mit ihrem gewoͤhnlichen Schmuck in Niſchen; ihr Koͤrper ſowohl als die aͤußerſten unteren Theile ſind wie Mumien gebunden: dies beweiſet, daß die Aegypter glaubten, ſie muͤßten gelebt haben. Die Blenden oder Niſchen, worinnen ſie liegen, koͤnnte man mit aufgeſtuͤtz- ten Bahren vergleichen. Prieſter, die da vor ihnen im An- geſichte ſtehen, thun Gebete zu ihnen, die durch die obere Schrift ausgedruͤckt ſind; Jſis und Oſiris ſcheinen ihnen das zu antworten, was unter ihnen ſteht. Man bemerkt hier, daß die Prieſter den Kopf und das Kinn, wie ge- woͤhnlich, geſchoren haben, mit einem Blatt vom Lotus, oder vielmehr von dem Baume Muſa (oder Piſang), dem ſchoͤnſten Blatte in der Welt, in der Hand. Sie haben eine lange Stole oder Binde an dem Vorderarme, die der- jenigen vollkommen aͤhnlich iſt, deren ſich die katholiſchen Prieſter bis ins 14 oder 15te Seculum bedienten. Jhr Chorhemde liegt obenher in kleinen Falten: ein Zeichen des Ueberfluſſes. An dem untern Theile iſt es mit Franzen beſetzt, wie der Leviten ihres. Die Fußbekleidung dieſer Prieſter verdient beſonders bemerkt zu werden. Man hat uns verſichert, daß die Malabaren ſich noch jetzt einer ſol- chen Bekleidung bedienten. Sie iſt ohne Abſatz und ohne Quartiere, und endigt ſich, wie die Schrittſchuhe, durch ein aufgekruͤmmtes Eiſen; vermuthlich um zu hindern, daß ſich nicht der Fuß an den Steinen verletze. Auf dem unterſten Plane ſieht man zur Linken 1) eine ſitzende Frau mit einem Kleide in ſehr kleinen Faͤltchen, und einem aͤgyptiſchen Kopfputze, in Anſehung des unge- heuren Halsbandes von Perlen. Die Zuſammenfuͤgung dieſer Perlen kommt in ihren Abſaͤtzen ſehr, ſo wie dasje- nige

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/15>, abgerufen am 19.04.2024.