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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Nachricht.

Diese Steine sind im Jahre 1766 von Herrn Valle-
ton du Castelet aus Lyon, einem Freunde des Herrn D.
Rast, dem er ein Geschenk damit gemacht, aus Aegypten
mitgebracht worden. Man hat sie dort aus den Höhlen
der Mumien bey Cairo, von der andern Seite des Nils,
nicht weit von den Pyramiden, gezogen.

Der Abt Berand, ein Exjesuit und guter Alterthums-
kenner, legte der Akademie von den Aufschriften des gros-
sen Steins eine Erklärung vor. Er behauptete, er stelle
das Urtheil über einen derjenigen, die dort begraben wor-
den, vor, und glaubte auf dem obern Plane die Zueignung
und die Gebete zu sehen, in dem mittlern den Anfang zu
dem Gerichte, und in dem untersten das Endurtheil. Die
Akademie aber gab seiner Erklärung keinen Beyfall.

Herr Rast hat eine andere Erklärung von diesem
Denkmale gegeben; und sie hat, selbst in Gegenwart des
Herrn Berand, in den Augen der Antiquare den Vorzug
vor jener erhalten.

Nach seiner Meinung stellet der obere Plan in der Mit-
te die Hieroglyphe des höchsten ewigen Wesens vor, das
alles umfaßt: ein Scarabäus in einem Zirkel. Diese
Hieroglyphe ist mit keiner großen Schwierigkeit verbunden.
Zur Seite des Ewigen sieht man Windhunde, ein Sinn-
bild der Treue in seinen Versprechungen; sie tragen Mas-
sen von Wasser, zum Zeichen der Macht; über ihnen sind
Augen, Zeichen der Vorhersehung. Den Windhunden
gegenüber liegen Priester auf den Knien, in der ehrerbie-
tigsten Stellung; sie scheinen die Gebete, die in einer hie-
roglyphischen Schrift unter ihnen stehen, vorzutragen.

Jn
Nachricht.

Dieſe Steine ſind im Jahre 1766 von Herrn Valle-
ton du Caſtelet aus Lyon, einem Freunde des Herrn D.
Raſt, dem er ein Geſchenk damit gemacht, aus Aegypten
mitgebracht worden. Man hat ſie dort aus den Hoͤhlen
der Mumien bey Cairo, von der andern Seite des Nils,
nicht weit von den Pyramiden, gezogen.

Der Abt Berand, ein Exjeſuit und guter Alterthums-
kenner, legte der Akademie von den Aufſchriften des groſ-
ſen Steins eine Erklaͤrung vor. Er behauptete, er ſtelle
das Urtheil uͤber einen derjenigen, die dort begraben wor-
den, vor, und glaubte auf dem obern Plane die Zueignung
und die Gebete zu ſehen, in dem mittlern den Anfang zu
dem Gerichte, und in dem unterſten das Endurtheil. Die
Akademie aber gab ſeiner Erklaͤrung keinen Beyfall.

Herr Raſt hat eine andere Erklaͤrung von dieſem
Denkmale gegeben; und ſie hat, ſelbſt in Gegenwart des
Herrn Berand, in den Augen der Antiquare den Vorzug
vor jener erhalten.

Nach ſeiner Meinung ſtellet der obere Plan in der Mit-
te die Hieroglyphe des hoͤchſten ewigen Weſens vor, das
alles umfaßt: ein Scarabaͤus in einem Zirkel. Dieſe
Hieroglyphe iſt mit keiner großen Schwierigkeit verbunden.
Zur Seite des Ewigen ſieht man Windhunde, ein Sinn-
bild der Treue in ſeinen Verſprechungen; ſie tragen Maſ-
ſen von Waſſer, zum Zeichen der Macht; uͤber ihnen ſind
Augen, Zeichen der Vorherſehung. Den Windhunden
gegenuͤber liegen Prieſter auf den Knien, in der ehrerbie-
tigſten Stellung; ſie ſcheinen die Gebete, die in einer hie-
roglyphiſchen Schrift unter ihnen ſtehen, vorzutragen.

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[0014] Nachricht. Dieſe Steine ſind im Jahre 1766 von Herrn Valle- ton du Caſtelet aus Lyon, einem Freunde des Herrn D. Raſt, dem er ein Geſchenk damit gemacht, aus Aegypten mitgebracht worden. Man hat ſie dort aus den Hoͤhlen der Mumien bey Cairo, von der andern Seite des Nils, nicht weit von den Pyramiden, gezogen. Der Abt Berand, ein Exjeſuit und guter Alterthums- kenner, legte der Akademie von den Aufſchriften des groſ- ſen Steins eine Erklaͤrung vor. Er behauptete, er ſtelle das Urtheil uͤber einen derjenigen, die dort begraben wor- den, vor, und glaubte auf dem obern Plane die Zueignung und die Gebete zu ſehen, in dem mittlern den Anfang zu dem Gerichte, und in dem unterſten das Endurtheil. Die Akademie aber gab ſeiner Erklaͤrung keinen Beyfall. Herr Raſt hat eine andere Erklaͤrung von dieſem Denkmale gegeben; und ſie hat, ſelbſt in Gegenwart des Herrn Berand, in den Augen der Antiquare den Vorzug vor jener erhalten. Nach ſeiner Meinung ſtellet der obere Plan in der Mit- te die Hieroglyphe des hoͤchſten ewigen Weſens vor, das alles umfaßt: ein Scarabaͤus in einem Zirkel. Dieſe Hieroglyphe iſt mit keiner großen Schwierigkeit verbunden. Zur Seite des Ewigen ſieht man Windhunde, ein Sinn- bild der Treue in ſeinen Verſprechungen; ſie tragen Maſ- ſen von Waſſer, zum Zeichen der Macht; uͤber ihnen ſind Augen, Zeichen der Vorherſehung. Den Windhunden gegenuͤber liegen Prieſter auf den Knien, in der ehrerbie- tigſten Stellung; ſie ſcheinen die Gebete, die in einer hie- roglyphiſchen Schrift unter ihnen ſtehen, vorzutragen. Jn

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/14>, abgerufen am 19.04.2024.