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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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des Schweitzerlandes.
man über diese Brücke ist, so hat man einen Weg vor sich, der durchWeg durch
einen Felsen.

einen harten Felsen gehauen, und bey 300. Schritte lang, auch so
breit ist, daß ohne Mühe 2. Pferde neben einander durchpaßiren kön-
nen. Dieser Weg ist vor 40. Jahren angefangen worden. Vorher
mußte man gerade oberhalb der Teufels-Brück wieder über eine andre
hölzerne gehen, die jezt aber abgeworffen ist. Wenn man durch diesen
Felsen hin ist, so zeiget sich eine gantz andre Landschaft als vorher.Urseler-
Thal.

Unter der Teufels-Brücke ist man beständig zwischen zwey Reyhen
Berge eingeschlossen, nun aber befindt man sich in einem zimlich
weiten Thal, welches das Urseler-Thal genennt wird. Zu beyden
Seiten dieses Thals erzeigen sich nun neue, sehr hohe Gebirge, welche
wie Pyramiden da stehen. Einige sind von oben bis unten so steil,
daß sie unmöglich zu besteigen sind, und dabey so kahl, daß nicht das
geringste Gräslein darauf wächßt. Die Reuß kennt man nun fast
nicht mehr. Denn da sie vorher mit grossem Ungestüm, tieff neben
unsern Füssen mit grossem Geräusche schnell vorbey gefahren, siehet
sie jezt eher einem stillstehenden See, als einem schnellen Fluß gleich,
und ist so nahe bey uns, daß man gantz eben in dieselbige gehen, und
wenn es nöthig, durchwatten kan. Eine so grosse Veränderung siehet
man nach einem Weg von 300. Schritten. Dieses Thal, welches unge-
fehr 3. Stunden lang und eine halbe Stunde breit, ist mit 4. Dörf-
fern besetzt, welche da in der stärcksten Vestung der gantzen Welt
eingeschlossen sind, und vor sich selbst, ob sie gleich unter dem Schutz
des Cantons Uri stehen, eine freye Republic ausmachen. Das ersteDorff an
der Matt.

und gröste davon heißt an der Matt, und ist zimlich groß, und wol
gebauet. Das zweyte ist Hospital, bey welchem der Weg auf den
Gotthard wieder gegen Mittag in die Höhe geht, da sich das Thal
weiter gegen Sud-West bis an den Berg Furcka erstrecket. Hier
zu Hospital blieben wir übernacht. Man kan da um geringes Geld
sehr wol leben. Es stehen da auch noch die Mauren von einem altenHospital.
Schloß. Jm übrigen ist zu bemercken, daß in diesem Thal und inMangel
des Holtzes.

den daselbst stehenden Bergen etliche Stunden weit herum kein ei-
niger Baum noch Staude wächßt, ansgenommen bey dem Dorff
an der Matt, wo an der Nord-Seite eines Bergs ein kleines Tann-
Wäldlein stehet. (*) An statt des Holtzes brennt man kleine

Pflan-
(*) Jch vermuthe, daß dieses Wäldlein durch menschlichen Fleiß hier sey gepflanzet
worden. Denn man trifft einige Stunden dortherum, wie gemeldt, kein Holtz

des Schweitzerlandes.
man uͤber dieſe Bruͤcke iſt, ſo hat man einen Weg vor ſich, der durchWeg durch
einen Felſen.

einen harten Felſen gehauen, und bey 300. Schritte lang, auch ſo
breit iſt, daß ohne Muͤhe 2. Pferde neben einander durchpaßiren koͤn-
nen. Dieſer Weg iſt vor 40. Jahren angefangen worden. Vorher
mußte man gerade oberhalb der Teufels-Bruͤck wieder uͤber eine andre
hoͤlzerne gehen, die jezt aber abgeworffen iſt. Wenn man durch dieſen
Felſen hin iſt, ſo zeiget ſich eine gantz andre Landſchaft als vorher.Urſeler-
Thal.

Unter der Teufels-Bruͤcke iſt man beſtaͤndig zwiſchen zwey Reyhen
Berge eingeſchloſſen, nun aber befindt man ſich in einem zimlich
weiten Thal, welches das Urſeler-Thal genennt wird. Zu beyden
Seiten dieſes Thals erzeigen ſich nun neue, ſehr hohe Gebirge, welche
wie Pyramiden da ſtehen. Einige ſind von oben bis unten ſo ſteil,
daß ſie unmoͤglich zu beſteigen ſind, und dabey ſo kahl, daß nicht das
geringſte Graͤslein darauf waͤchßt. Die Reuß kennt man nun faſt
nicht mehr. Denn da ſie vorher mit groſſem Ungeſtuͤm, tieff neben
unſern Fuͤſſen mit groſſem Geraͤuſche ſchnell vorbey gefahren, ſiehet
ſie jezt eher einem ſtillſtehenden See, als einem ſchnellen Fluß gleich,
und iſt ſo nahe bey uns, daß man gantz eben in dieſelbige gehen, und
wenn es noͤthig, durchwatten kan. Eine ſo groſſe Veraͤnderung ſiehet
man nach einem Weg von 300. Schritten. Dieſes Thal, welches unge-
fehr 3. Stunden lang und eine halbe Stunde breit, iſt mit 4. Doͤrf-
fern beſetzt, welche da in der ſtaͤrckſten Veſtung der gantzen Welt
eingeſchloſſen ſind, und vor ſich ſelbſt, ob ſie gleich unter dem Schutz
des Cantons Uri ſtehen, eine freye Republic ausmachen. Das erſteDorff an
der Matt.

und groͤſte davon heißt an der Matt, und iſt zimlich groß, und wol
gebauet. Das zweyte iſt Hoſpital, bey welchem der Weg auf den
Gotthard wieder gegen Mittag in die Hoͤhe geht, da ſich das Thal
weiter gegen Sud-Weſt bis an den Berg Furcka erſtrecket. Hier
zu Hoſpital blieben wir uͤbernacht. Man kan da um geringes Geld
ſehr wol leben. Es ſtehen da auch noch die Mauren von einem altenHoſpital.
Schloß. Jm uͤbrigen iſt zu bemercken, daß in dieſem Thal und inMangel
des Holtzes.

den daſelbſt ſtehenden Bergen etliche Stunden weit herum kein ei-
niger Baum noch Staude waͤchßt, ansgenommen bey dem Dorff
an der Matt, wo an der Nord-Seite eines Bergs ein kleines Tann-
Waͤldlein ſtehet. (*) An ſtatt des Holtzes brennt man kleine

Pflan-
(*) Jch vermuthe, daß dieſes Waͤldlein durch menſchlichen Fleiß hier ſey gepflanzet
worden. Denn man trifft einige Stunden dortherum, wie gemeldt, kein Holtz
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[55/0063] des Schweitzerlandes. man uͤber dieſe Bruͤcke iſt, ſo hat man einen Weg vor ſich, der durch einen harten Felſen gehauen, und bey 300. Schritte lang, auch ſo breit iſt, daß ohne Muͤhe 2. Pferde neben einander durchpaßiren koͤn- nen. Dieſer Weg iſt vor 40. Jahren angefangen worden. Vorher mußte man gerade oberhalb der Teufels-Bruͤck wieder uͤber eine andre hoͤlzerne gehen, die jezt aber abgeworffen iſt. Wenn man durch dieſen Felſen hin iſt, ſo zeiget ſich eine gantz andre Landſchaft als vorher. Unter der Teufels-Bruͤcke iſt man beſtaͤndig zwiſchen zwey Reyhen Berge eingeſchloſſen, nun aber befindt man ſich in einem zimlich weiten Thal, welches das Urſeler-Thal genennt wird. Zu beyden Seiten dieſes Thals erzeigen ſich nun neue, ſehr hohe Gebirge, welche wie Pyramiden da ſtehen. Einige ſind von oben bis unten ſo ſteil, daß ſie unmoͤglich zu beſteigen ſind, und dabey ſo kahl, daß nicht das geringſte Graͤslein darauf waͤchßt. Die Reuß kennt man nun faſt nicht mehr. Denn da ſie vorher mit groſſem Ungeſtuͤm, tieff neben unſern Fuͤſſen mit groſſem Geraͤuſche ſchnell vorbey gefahren, ſiehet ſie jezt eher einem ſtillſtehenden See, als einem ſchnellen Fluß gleich, und iſt ſo nahe bey uns, daß man gantz eben in dieſelbige gehen, und wenn es noͤthig, durchwatten kan. Eine ſo groſſe Veraͤnderung ſiehet man nach einem Weg von 300. Schritten. Dieſes Thal, welches unge- fehr 3. Stunden lang und eine halbe Stunde breit, iſt mit 4. Doͤrf- fern beſetzt, welche da in der ſtaͤrckſten Veſtung der gantzen Welt eingeſchloſſen ſind, und vor ſich ſelbſt, ob ſie gleich unter dem Schutz des Cantons Uri ſtehen, eine freye Republic ausmachen. Das erſte und groͤſte davon heißt an der Matt, und iſt zimlich groß, und wol gebauet. Das zweyte iſt Hoſpital, bey welchem der Weg auf den Gotthard wieder gegen Mittag in die Hoͤhe geht, da ſich das Thal weiter gegen Sud-Weſt bis an den Berg Furcka erſtrecket. Hier zu Hoſpital blieben wir uͤbernacht. Man kan da um geringes Geld ſehr wol leben. Es ſtehen da auch noch die Mauren von einem alten Schloß. Jm uͤbrigen iſt zu bemercken, daß in dieſem Thal und in den daſelbſt ſtehenden Bergen etliche Stunden weit herum kein ei- niger Baum noch Staude waͤchßt, ansgenommen bey dem Dorff an der Matt, wo an der Nord-Seite eines Bergs ein kleines Tann- Waͤldlein ſtehet. (*) An ſtatt des Holtzes brennt man kleine Pflan- Weg durch einen Felſen. Urſeler- Thal. Dorff an der Matt. Hoſpital. Mangel des Holtzes. (*) Jch vermuthe, daß dieſes Waͤldlein durch menſchlichen Fleiß hier ſey gepflanzet worden. Denn man trifft einige Stunden dortherum, wie gemeldt, kein Holtz

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/63>, abgerufen am 28.03.2024.