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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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des Schweitzerlandes.
Crystall-Graber in diese Höle führen lassen, deren Zugang sehr schwer
ist, weil dieselbe fast mitten an einem steilen Berg liegt. Von Ge-
stinen geht man durch ein enges Thal, welches sich Abendwärts
mit einer kleinen Abweichung gegen Mittag erstreckt. Der Weg
von dem Fuß des Berges bis in die Mine, deren Eingang man un-
ten siehet, ist vor die, welche des Bergsteigens nicht gewohnt sind, sehr
schwer; Anfangs geht man über den Schutt der Steine, welche
aus der Mine sind heraus gebrochen worden, da man denn oft wie-
der etliche Schritte mit diesem Schutt hinter sich weicht, wenn man
einen vor sich hat gehen wollen, eben wie es auf dem Berg Vesuvius
geht, welcher mit Asche und Steinen bedeckt ist; obenher aber ist
der Weg sehr steil, und doch nichts da als der felsichte Boden, daran
man sich halten kan, und könte man leicht den gantzen Weg mit
größter Lebens-Gefahr wieder hinunter schlüpfen. Allein die Berg-
Leute, welche im Winter täglich da arbeiten, gehen hier so aufrecht
daher, als wenn sie auf dem ebnen Lande giengen.

Der Eingang in diese Mine ist an der Nördlichen Seite des
Berges, und mit einer hölzernen Thür beschlossen, damit niemand
die darin liegende Jnstrumente heraus stehle. Durch die Thüre
hinein muß man kriechen, und ist alles finster und enge, bis man
etliche Schritte fortgerücket, da man denn wieder an die vordre Sei-
te des Berges kommt, wo man eingegangen, und da eine Oeffnung
und folglich genug Licht ist. Mein Führer erzehlte mir, daß diese
Mine schon in den alten Heydnischen Zeiten offen gewesen sey; zum
Beweißthum dessen wiese er mir die eine Wand dieser Oeffnung,
auf welcher eine Inscription stehet. Anfangs konte ich dieselbe nicht
sehen, weil der Stein, welcher ein Saxum quarzosum micaceum ist,
an sich höckericht war; doch da ich die Sache recht betrachtete, sahe
ich würcklich zwo Zeilen von grossen lateinischen Buchstaben, die wol
4. bis 5. Zoll lang find: Von der ersten Zeilen konte ich nichts erken-
nen, als den Anfangs-Buchstaben, welcher ein A. ist: die andre ZeileInscription.
war das Wort SCHMID, welches gut deutsch, und vermuthlich
nicht von so hohem Alter ist, als mir der Führer vorgegeben; doch
versicherte er mich, daß sein Vater und Großvater schon da gegraben,
und daß sie vor 3. Jahren 900. Stücke Crystallen auf einmal gefun-
den hätten. Wenn das erstere wahr ist, so muß dieses Crystallgra-
ben eine unglaublich langweilige Sache seyn, weil diese Höle noch
sehr klein, und wenn man alle Gänge der Länge nach wolte zusammen
setzen, kaum 100. Schritte ausmachen würde.

Die
G

des Schweitzerlandes.
Cryſtall-Graber in dieſe Hoͤle fuͤhren laſſen, deren Zugang ſehr ſchwer
iſt, weil dieſelbe faſt mitten an einem ſteilen Berg liegt. Von Ge-
ſtinen geht man durch ein enges Thal, welches ſich Abendwaͤrts
mit einer kleinen Abweichung gegen Mittag erſtreckt. Der Weg
von dem Fuß des Berges bis in die Mine, deren Eingang man un-
ten ſiehet, iſt vor die, welche des Bergſteigens nicht gewohnt ſind, ſehr
ſchwer; Anfangs geht man uͤber den Schutt der Steine, welche
aus der Mine ſind heraus gebrochen worden, da man denn oft wie-
der etliche Schritte mit dieſem Schutt hinter ſich weicht, wenn man
einen vor ſich hat gehen wollen, eben wie es auf dem Berg Veſuvius
geht, welcher mit Aſche und Steinen bedeckt iſt; obenher aber iſt
der Weg ſehr ſteil, und doch nichts da als der felſichte Boden, daran
man ſich halten kan, und koͤnte man leicht den gantzen Weg mit
groͤßter Lebens-Gefahr wieder hinunter ſchluͤpfen. Allein die Berg-
Leute, welche im Winter taͤglich da arbeiten, gehen hier ſo aufrecht
daher, als wenn ſie auf dem ebnen Lande giengen.

Der Eingang in dieſe Mine iſt an der Noͤrdlichen Seite des
Berges, und mit einer hoͤlzernen Thuͤr beſchloſſen, damit niemand
die darin liegende Jnſtrumente heraus ſtehle. Durch die Thuͤre
hinein muß man kriechen, und iſt alles finſter und enge, bis man
etliche Schritte fortgeruͤcket, da man denn wieder an die vordre Sei-
te des Berges kommt, wo man eingegangen, und da eine Oeffnung
und folglich genug Licht iſt. Mein Fuͤhrer erzehlte mir, daß dieſe
Mine ſchon in den alten Heydniſchen Zeiten offen geweſen ſey; zum
Beweißthum deſſen wieſe er mir die eine Wand dieſer Oeffnung,
auf welcher eine Inſcription ſtehet. Anfangs konte ich dieſelbe nicht
ſehen, weil der Stein, welcher ein Saxum quarzoſum micaceum iſt,
an ſich hoͤckericht war; doch da ich die Sache recht betrachtete, ſahe
ich wuͤrcklich zwo Zeilen von groſſen lateiniſchen Buchſtaben, die wol
4. bis 5. Zoll lang find: Von der erſten Zeilen konte ich nichts erken-
nen, als den Anfangs-Buchſtaben, welcher ein A. iſt: die andre ZeileInſcription.
war das Wort SCHMID, welches gut deutſch, und vermuthlich
nicht von ſo hohem Alter iſt, als mir der Fuͤhrer vorgegeben; doch
verſicherte er mich, daß ſein Vater und Großvater ſchon da gegraben,
und daß ſie vor 3. Jahren 900. Stuͤcke Cryſtallen auf einmal gefun-
den haͤtten. Wenn das erſtere wahr iſt, ſo muß dieſes Cryſtallgra-
ben eine unglaublich langweilige Sache ſeyn, weil dieſe Hoͤle noch
ſehr klein, und wenn man alle Gaͤnge der Laͤnge nach wolte zuſammen
ſetzen, kaum 100. Schritte ausmachen wuͤrde.

Die
G
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[49/0056] des Schweitzerlandes. Cryſtall-Graber in dieſe Hoͤle fuͤhren laſſen, deren Zugang ſehr ſchwer iſt, weil dieſelbe faſt mitten an einem ſteilen Berg liegt. Von Ge- ſtinen geht man durch ein enges Thal, welches ſich Abendwaͤrts mit einer kleinen Abweichung gegen Mittag erſtreckt. Der Weg von dem Fuß des Berges bis in die Mine, deren Eingang man un- ten ſiehet, iſt vor die, welche des Bergſteigens nicht gewohnt ſind, ſehr ſchwer; Anfangs geht man uͤber den Schutt der Steine, welche aus der Mine ſind heraus gebrochen worden, da man denn oft wie- der etliche Schritte mit dieſem Schutt hinter ſich weicht, wenn man einen vor ſich hat gehen wollen, eben wie es auf dem Berg Veſuvius geht, welcher mit Aſche und Steinen bedeckt iſt; obenher aber iſt der Weg ſehr ſteil, und doch nichts da als der felſichte Boden, daran man ſich halten kan, und koͤnte man leicht den gantzen Weg mit groͤßter Lebens-Gefahr wieder hinunter ſchluͤpfen. Allein die Berg- Leute, welche im Winter taͤglich da arbeiten, gehen hier ſo aufrecht daher, als wenn ſie auf dem ebnen Lande giengen. Der Eingang in dieſe Mine iſt an der Noͤrdlichen Seite des Berges, und mit einer hoͤlzernen Thuͤr beſchloſſen, damit niemand die darin liegende Jnſtrumente heraus ſtehle. Durch die Thuͤre hinein muß man kriechen, und iſt alles finſter und enge, bis man etliche Schritte fortgeruͤcket, da man denn wieder an die vordre Sei- te des Berges kommt, wo man eingegangen, und da eine Oeffnung und folglich genug Licht iſt. Mein Fuͤhrer erzehlte mir, daß dieſe Mine ſchon in den alten Heydniſchen Zeiten offen geweſen ſey; zum Beweißthum deſſen wieſe er mir die eine Wand dieſer Oeffnung, auf welcher eine Inſcription ſtehet. Anfangs konte ich dieſelbe nicht ſehen, weil der Stein, welcher ein Saxum quarzoſum micaceum iſt, an ſich hoͤckericht war; doch da ich die Sache recht betrachtete, ſahe ich wuͤrcklich zwo Zeilen von groſſen lateiniſchen Buchſtaben, die wol 4. bis 5. Zoll lang find: Von der erſten Zeilen konte ich nichts erken- nen, als den Anfangs-Buchſtaben, welcher ein A. iſt: die andre Zeile war das Wort SCHMID, welches gut deutſch, und vermuthlich nicht von ſo hohem Alter iſt, als mir der Fuͤhrer vorgegeben; doch verſicherte er mich, daß ſein Vater und Großvater ſchon da gegraben, und daß ſie vor 3. Jahren 900. Stuͤcke Cryſtallen auf einmal gefun- den haͤtten. Wenn das erſtere wahr iſt, ſo muß dieſes Cryſtallgra- ben eine unglaublich langweilige Sache ſeyn, weil dieſe Hoͤle noch ſehr klein, und wenn man alle Gaͤnge der Laͤnge nach wolte zuſammen ſetzen, kaum 100. Schritte ausmachen wuͤrde. Inſcription. Die G

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/56>, abgerufen am 16.04.2024.