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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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Beschreibung einiger Merckwürdigkeiten
gen erstreckt er sich durch verschiedne Hügel fast bis auf Schweitz
hinein. An der Morgen-Seite ist er fast überall mit dicken Tann-
Wäldern besetzt, und steil. An der Nord-Seite sind die grösten
Precipices, obenher ist er von weitem auf dieser Seite gantz kahl,
und auch in der Nähe siehet man nichts, als hin und wieder einige
Plätze, worauf sehr kleine Pflantzen wachsen; er ist anf dieser Seite
insonderheit obenher sehr steil, und hat viele fast senckelrecht stehende
Fels-Wände. Das meiste Wasser läufft auf der Morgen- und Abend-
Seite daran ab, da denn, insonderheit auf der Morgen-Seite, sehr
hohe Wasser-Fälle zu sehen, welche oft zimlich tieff in die Felsen ein-
gefressen haben. Die Ursach hievon ist, weil der Berg an diesen
zwey Orten gleichsam zwey Busen hat, durch welche das Wasser wol
ablauffen kan. Jn den kleinen Wassern, welche ab diesem Berg
Berg-Fo-
rellen.
fliessen, gibt es sehr delicate Forellen, welche theils etwas schwarz,
theils Perlen-farbigt sind. Man hat mir erzehlt, daß dieselben oft
durch zimlich hohe Wasser-Fälle hinauf schiessen. Die Steine an
Steine des
Rigi-Bergs.
diesem Berge sind verschieden. Obenher, und insonderheit an der
Mittag-Seite sind keine Felsen, sondern nur aus vielerley kleinen
zusammen geworffnen Steinen bestehende natürliche Mauren, welche
durch ein aus lauter Sand bestehendes Pflaster zusammen gefüget
sind. Unter diesen Mauren, aus welchen der gantze Gipfel des Ber-
ges bestehet, ist ein sogenannter Geißberger-Stein, welcher sonst
auch von Linneo Angerman-Stein, und Sax. quarzosum album Mica
nigra maculatum,
genennt wird.

Ursprung
dieses Bergs.

Aus diesem ist denn klar, daß dieser Berg Ueberschwemmungen
ausgestanden hat, da der untere Theil desselben, nemlich der, wo
bemeldte Felß-Steine sind, schon gestanden. Daß bemeldte natür-
liche Mauren hieher seyen geschwemmt worden, ist unstreitig. Sie
bestehen, wie gemeldt, aus lauter kleinen abgeschliffnen Steinen,
von sehr verschiednen Arten, wie wir an den Ufern der Flüssen an-
treffen. Diese Steine haben also zuerst müssen ab andern Bergen,
wo ihr eigentlicher Zeugungs-Ort war, abgerissen, von dem Wasser
fortgeführet, und dadurch abgeschliffen werden. Hernach sind sie
durch eine sehr grosse Ueberschwemmung, mit Sande vermischt, auf
diesen Berg geschwemmt worden. Daß diese kleinen Steine in der
Ueberschwemmung vest, das sandigte Pflaster aber, welches dieselbe
zusammen hält, weich gewesen, siehet man daraus klar, weil sich einer
nach dem andern aus der Mauer heraus nehmen läßt, da denn das

Pflaster

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten
gen erſtreckt er ſich durch verſchiedne Huͤgel faſt bis auf Schweitz
hinein. An der Morgen-Seite iſt er faſt uͤberall mit dicken Tann-
Waͤldern beſetzt, und ſteil. An der Nord-Seite ſind die groͤſten
Precipices, obenher iſt er von weitem auf dieſer Seite gantz kahl,
und auch in der Naͤhe ſiehet man nichts, als hin und wieder einige
Plaͤtze, worauf ſehr kleine Pflantzen wachſen; er iſt anf dieſer Seite
inſonderheit obenher ſehr ſteil, und hat viele faſt ſenckelrecht ſtehende
Fels-Waͤnde. Das meiſte Waſſer laͤufft auf der Morgen- und Abend-
Seite daran ab, da denn, inſonderheit auf der Morgen-Seite, ſehr
hohe Waſſer-Faͤlle zu ſehen, welche oft zimlich tieff in die Felſen ein-
gefreſſen haben. Die Urſach hievon iſt, weil der Berg an dieſen
zwey Orten gleichſam zwey Buſen hat, durch welche das Waſſer wol
ablauffen kan. Jn den kleinen Waſſern, welche ab dieſem Berg
Berg-Fo-
rellen.
flieſſen, gibt es ſehr delicate Forellen, welche theils etwas ſchwarz,
theils Perlen-farbigt ſind. Man hat mir erzehlt, daß dieſelben oft
durch zimlich hohe Waſſer-Faͤlle hinauf ſchieſſen. Die Steine an
Steine des
Rigi-Bergs.
dieſem Berge ſind verſchieden. Obenher, und inſonderheit an der
Mittag-Seite ſind keine Felſen, ſondern nur aus vielerley kleinen
zuſammen geworffnen Steinen beſtehende natuͤrliche Mauren, welche
durch ein aus lauter Sand beſtehendes Pflaſter zuſammen gefuͤget
ſind. Unter dieſen Mauren, aus welchen der gantze Gipfel des Ber-
ges beſtehet, iſt ein ſogenannter Geißberger-Stein, welcher ſonſt
auch von Linneo Angerman-Stein, und Sax. quarzoſum album Mica
nigra maculatum,
genennt wird.

Urſprung
dieſes Bergs.

Aus dieſem iſt denn klar, daß dieſer Berg Ueberſchwemmungen
ausgeſtanden hat, da der untere Theil deſſelben, nemlich der, wo
bemeldte Felß-Steine ſind, ſchon geſtanden. Daß bemeldte natuͤr-
liche Mauren hieher ſeyen geſchwemmt worden, iſt unſtreitig. Sie
beſtehen, wie gemeldt, aus lauter kleinen abgeſchliffnen Steinen,
von ſehr verſchiednen Arten, wie wir an den Ufern der Fluͤſſen an-
treffen. Dieſe Steine haben alſo zuerſt muͤſſen ab andern Bergen,
wo ihr eigentlicher Zeugungs-Ort war, abgeriſſen, von dem Waſſer
fortgefuͤhret, und dadurch abgeſchliffen werden. Hernach ſind ſie
durch eine ſehr groſſe Ueberſchwemmung, mit Sande vermiſcht, auf
dieſen Berg geſchwemmt worden. Daß dieſe kleinen Steine in der
Ueberſchwemmung veſt, das ſandigte Pflaſter aber, welches dieſelbe
zuſammen haͤlt, weich geweſen, ſiehet man daraus klar, weil ſich einer
nach dem andern aus der Mauer heraus nehmen laͤßt, da denn das

Pflaſter
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[36/0041] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdigkeiten gen erſtreckt er ſich durch verſchiedne Huͤgel faſt bis auf Schweitz hinein. An der Morgen-Seite iſt er faſt uͤberall mit dicken Tann- Waͤldern beſetzt, und ſteil. An der Nord-Seite ſind die groͤſten Precipices, obenher iſt er von weitem auf dieſer Seite gantz kahl, und auch in der Naͤhe ſiehet man nichts, als hin und wieder einige Plaͤtze, worauf ſehr kleine Pflantzen wachſen; er iſt anf dieſer Seite inſonderheit obenher ſehr ſteil, und hat viele faſt ſenckelrecht ſtehende Fels-Waͤnde. Das meiſte Waſſer laͤufft auf der Morgen- und Abend- Seite daran ab, da denn, inſonderheit auf der Morgen-Seite, ſehr hohe Waſſer-Faͤlle zu ſehen, welche oft zimlich tieff in die Felſen ein- gefreſſen haben. Die Urſach hievon iſt, weil der Berg an dieſen zwey Orten gleichſam zwey Buſen hat, durch welche das Waſſer wol ablauffen kan. Jn den kleinen Waſſern, welche ab dieſem Berg flieſſen, gibt es ſehr delicate Forellen, welche theils etwas ſchwarz, theils Perlen-farbigt ſind. Man hat mir erzehlt, daß dieſelben oft durch zimlich hohe Waſſer-Faͤlle hinauf ſchieſſen. Die Steine an dieſem Berge ſind verſchieden. Obenher, und inſonderheit an der Mittag-Seite ſind keine Felſen, ſondern nur aus vielerley kleinen zuſammen geworffnen Steinen beſtehende natuͤrliche Mauren, welche durch ein aus lauter Sand beſtehendes Pflaſter zuſammen gefuͤget ſind. Unter dieſen Mauren, aus welchen der gantze Gipfel des Ber- ges beſtehet, iſt ein ſogenannter Geißberger-Stein, welcher ſonſt auch von Linneo Angerman-Stein, und Sax. quarzoſum album Mica nigra maculatum, genennt wird. Berg-Fo- rellen. Steine des Rigi-Bergs. Aus dieſem iſt denn klar, daß dieſer Berg Ueberſchwemmungen ausgeſtanden hat, da der untere Theil deſſelben, nemlich der, wo bemeldte Felß-Steine ſind, ſchon geſtanden. Daß bemeldte natuͤr- liche Mauren hieher ſeyen geſchwemmt worden, iſt unſtreitig. Sie beſtehen, wie gemeldt, aus lauter kleinen abgeſchliffnen Steinen, von ſehr verſchiednen Arten, wie wir an den Ufern der Fluͤſſen an- treffen. Dieſe Steine haben alſo zuerſt muͤſſen ab andern Bergen, wo ihr eigentlicher Zeugungs-Ort war, abgeriſſen, von dem Waſſer fortgefuͤhret, und dadurch abgeſchliffen werden. Hernach ſind ſie durch eine ſehr groſſe Ueberſchwemmung, mit Sande vermiſcht, auf dieſen Berg geſchwemmt worden. Daß dieſe kleinen Steine in der Ueberſchwemmung veſt, das ſandigte Pflaſter aber, welches dieſelbe zuſammen haͤlt, weich geweſen, ſiehet man daraus klar, weil ſich einer nach dem andern aus der Mauer heraus nehmen laͤßt, da denn das Pflaſter

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/41>, abgerufen am 20.04.2024.