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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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Beschreibung einiger Merckwürdig keiten
trog, in welchen das Wasser durch einen Canal geleitet ist, h ein
eiserner Löffel an einer Kette, mit welchem man Wasser schöpfen kan,
i ein enger Eingang zwischen den Fels-Wänden.

Dieses Wasser ist sehr kalt, rein, und ohne mineralischen Zusatz.
Es soll aber, nach dem Vorgeben der Leute, eine vortreffliche Kraft
haben in Heilung der Rücken-Haupt- und Mutter-Wehen, wie
auch in allerhand Fiebern. Die Leute, welche sich dieses Bads
bedienen, sitzen mit den Kleidern darein. Mehrere fabulose und
abergläubische Umstände von diesem Bade berichtet Cysat in der Be-
schreibung des Lucerner Sees Bl. 328.

Von dem Ort, da dieses Bad stehet, hat man eine sehr schöne
Aussicht auf den Waldstätten- und andre kleine Seen, wie auch über
das gantze gerade vorüber liegende Unterwaldner-Land, Lucerner-
Gebiet, etc.

Von dem kalten Bade stiegen wir weiter den Berg hinan auf eine
Höhe, Rigi-Stafel, und hernach auf die oberste Höhe, Rigi-Kulm
genannt. Wir nahmen also einen Umweg von mehr als 2. Stunden,
denn man kommt dem geraden Weg nach von dem Closter innert
zwey Stunden auf Rigi-Kulm.

Berg-Loch.

Ehe wir noch den obersten Gipfel erreicht hatten, kamen wir zu
einem seltsamen Berg-Loch, des Keßis Boden-Loch genannt. Es
sind hier keine Felsen, sondern solche natürliche Mauren, wie oben
ist gemeldet worden. Durch diese Mauren geht bemeldtes Loch,
welches oben auf dem Berg, ungefehr 40. Schuhe lang, und 5. Sch.
breit ist, hernach aber, in Ansehung der Breite, nach und nach enger
wird. So weit man sehen mag, geht dasselbe perpendienlar hinunter,
wenn man aber einen Stein hinunter wirfft, so fällt derselbe weit un-
ten an der Nördlichen Seite des Berges, an welcher das Loch liegt,
nach einer halben Minute wieder hervor, welches man deutlich sehen
und hören kan. Sobald wir auf die oberste Höhe des Berges kamen,
Nebel.fiengen die Nebel, welche das gantze Land unserm Gesichte fast den
gantzen Tag (wenige Minuten ausgenommen, da wir bey dem kal-
ten Bade waren) entzogen hatten, an, nach und nach sich zu zertheilen,
welches ungemein schön anzusehen war. Die Nebel öffneten sich
anfangs nur ein wenig, daß man durch die Löcher ein Stück Landes
sehen konte, sie schlossen sich aber bald wieder zu; und nach einer kleinen
Weile fiengen sie an von allen Seiten so heftig in die Höhe zu steigen,
daß sie mit grosser Geschwindigkeit vor uns wie Pfeile hinflogen.

Jn

Beſchreibung einiger Merckwuͤrdig keiten
trog, in welchen das Waſſer durch einen Canal geleitet iſt, h ein
eiſerner Loͤffel an einer Kette, mit welchem man Waſſer ſchoͤpfen kan,
i ein enger Eingang zwiſchen den Fels-Waͤnden.

Dieſes Waſſer iſt ſehr kalt, rein, und ohne mineraliſchen Zuſatz.
Es ſoll aber, nach dem Vorgeben der Leute, eine vortreffliche Kraft
haben in Heilung der Ruͤcken-Haupt- und Mutter-Wehen, wie
auch in allerhand Fiebern. Die Leute, welche ſich dieſes Bads
bedienen, ſitzen mit den Kleidern darein. Mehrere fabuloſe und
aberglaͤubiſche Umſtaͤnde von dieſem Bade berichtet Cyſat in der Be-
ſchreibung des Lucerner Sees Bl. 328.

Von dem Ort, da dieſes Bad ſtehet, hat man eine ſehr ſchoͤne
Ausſicht auf den Waldſtaͤtten- und andre kleine Seen, wie auch uͤber
das gantze gerade voruͤber liegende Unterwaldner-Land, Lucerner-
Gebiet, ꝛc.

Von dem kalten Bade ſtiegen wir weiter den Berg hinan auf eine
Hoͤhe, Rigi-Stafel, und hernach auf die oberſte Hoͤhe, Rigi-Kulm
genannt. Wir nahmen alſo einen Umweg von mehr als 2. Stunden,
denn man kommt dem geraden Weg nach von dem Cloſter innert
zwey Stunden auf Rigi-Kulm.

Berg-Loch.

Ehe wir noch den oberſten Gipfel erreicht hatten, kamen wir zu
einem ſeltſamen Berg-Loch, des Keßis Boden-Loch genannt. Es
ſind hier keine Felſen, ſondern ſolche natuͤrliche Mauren, wie oben
iſt gemeldet worden. Durch dieſe Mauren geht bemeldtes Loch,
welches oben auf dem Berg, ungefehr 40. Schuhe lang, und 5. Sch.
breit iſt, hernach aber, in Anſehung der Breite, nach und nach enger
wird. So weit man ſehen mag, geht daſſelbe perpendienlar hinunter,
wenn man aber einen Stein hinunter wirfft, ſo faͤllt derſelbe weit un-
ten an der Noͤrdlichen Seite des Berges, an welcher das Loch liegt,
nach einer halben Minute wieder hervor, welches man deutlich ſehen
und hoͤren kan. Sobald wir auf die oberſte Hoͤhe des Berges kamen,
Nebel.fiengen die Nebel, welche das gantze Land unſerm Geſichte faſt den
gantzen Tag (wenige Minuten ausgenommen, da wir bey dem kal-
ten Bade waren) entzogen hatten, an, nach und nach ſich zu zertheilen,
welches ungemein ſchoͤn anzuſehen war. Die Nebel oͤffneten ſich
anfangs nur ein wenig, daß man durch die Loͤcher ein Stuͤck Landes
ſehen konte, ſie ſchloſſen ſich aber bald wieder zu; und nach einer kleinen
Weile fiengen ſie an von allen Seiten ſo heftig in die Hoͤhe zu ſteigen,
daß ſie mit groſſer Geſchwindigkeit vor uns wie Pfeile hinflogen.

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[34/0038] Beſchreibung einiger Merckwuͤrdig keiten trog, in welchen das Waſſer durch einen Canal geleitet iſt, h ein eiſerner Loͤffel an einer Kette, mit welchem man Waſſer ſchoͤpfen kan, i ein enger Eingang zwiſchen den Fels-Waͤnden. Dieſes Waſſer iſt ſehr kalt, rein, und ohne mineraliſchen Zuſatz. Es ſoll aber, nach dem Vorgeben der Leute, eine vortreffliche Kraft haben in Heilung der Ruͤcken-Haupt- und Mutter-Wehen, wie auch in allerhand Fiebern. Die Leute, welche ſich dieſes Bads bedienen, ſitzen mit den Kleidern darein. Mehrere fabuloſe und aberglaͤubiſche Umſtaͤnde von dieſem Bade berichtet Cyſat in der Be- ſchreibung des Lucerner Sees Bl. 328. Von dem Ort, da dieſes Bad ſtehet, hat man eine ſehr ſchoͤne Ausſicht auf den Waldſtaͤtten- und andre kleine Seen, wie auch uͤber das gantze gerade voruͤber liegende Unterwaldner-Land, Lucerner- Gebiet, ꝛc. Von dem kalten Bade ſtiegen wir weiter den Berg hinan auf eine Hoͤhe, Rigi-Stafel, und hernach auf die oberſte Hoͤhe, Rigi-Kulm genannt. Wir nahmen alſo einen Umweg von mehr als 2. Stunden, denn man kommt dem geraden Weg nach von dem Cloſter innert zwey Stunden auf Rigi-Kulm. Ehe wir noch den oberſten Gipfel erreicht hatten, kamen wir zu einem ſeltſamen Berg-Loch, des Keßis Boden-Loch genannt. Es ſind hier keine Felſen, ſondern ſolche natuͤrliche Mauren, wie oben iſt gemeldet worden. Durch dieſe Mauren geht bemeldtes Loch, welches oben auf dem Berg, ungefehr 40. Schuhe lang, und 5. Sch. breit iſt, hernach aber, in Anſehung der Breite, nach und nach enger wird. So weit man ſehen mag, geht daſſelbe perpendienlar hinunter, wenn man aber einen Stein hinunter wirfft, ſo faͤllt derſelbe weit un- ten an der Noͤrdlichen Seite des Berges, an welcher das Loch liegt, nach einer halben Minute wieder hervor, welches man deutlich ſehen und hoͤren kan. Sobald wir auf die oberſte Hoͤhe des Berges kamen, fiengen die Nebel, welche das gantze Land unſerm Geſichte faſt den gantzen Tag (wenige Minuten ausgenommen, da wir bey dem kal- ten Bade waren) entzogen hatten, an, nach und nach ſich zu zertheilen, welches ungemein ſchoͤn anzuſehen war. Die Nebel oͤffneten ſich anfangs nur ein wenig, daß man durch die Loͤcher ein Stuͤck Landes ſehen konte, ſie ſchloſſen ſich aber bald wieder zu; und nach einer kleinen Weile fiengen ſie an von allen Seiten ſo heftig in die Hoͤhe zu ſteigen, daß ſie mit groſſer Geſchwindigkeit vor uns wie Pfeile hinflogen. Jn Nebel.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/38>, abgerufen am 29.03.2024.