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Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742.

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des Schweitzerlandes.
genehm, und stehen viele Tann-Bäume da, welche, bis an den Bo-
den mit Aesten beladen, von Natur in schöne Piramiden gestaltet sind,
daß man in Gärten keine schönere antrifft.

Eine viertel Stund von diesem Orte liegt das sogenannte Bruder-Berg-Höle.
Balm, eine sehr weite, aber gantz niedrige Berg-Höle. Es sind
hier keine Felß-Steine, sonder eine Art natürlicher Mauren, da
eine grosse Menge verschiedner kleiner Steingen durch eine gewisse
sandigte Materie zusammen gemauert worden. Diese Steine siehet
man fast überall an der Rigi bis auf den obersten Gipfel derselben.
Jch wil bald etwas mehr davon sagen. Jn eine solche natürliche
Maur hinein geht die bemeldte Berg-Höle, welche sich sehr weit er-
strecken soll. Wir sind zimlich weit hinein gegangen, oder vielmehr
gekrochen, haben aber nicht das geringste, ausser bemeldten Steingen,
woraus diese Mauren zusammen gesezt sind, angetroffen, ausgenom-
men ein paar von dem abtropfenden Wasser erzeugte steinerne Säulen,Toffsteine.
welche so hart waren, daß wir mit grosser Mühe und hiezu geschickten
Jnstrumenten nur einige kleine Stückgen abschlagen konten. Dieses
ist eine Art des Stalactites, der auswendig gelb und hart, inwendig
aber etwas roth und durchlöchert ist, und sich zerreiben läßt.

Der Ursprung dieser Höle läßt sich leicht erklären, wenn manUrsprung
dieser Höle.

annimmt, daß der Boden, worauf die bemeldten Fels-Mauren ste-
hen, sich um etwas gesetzt habe. Denn da diese natürliche Mauren
nicht so fest aneinander halten, wie die Fels-Steine, so sind sie nach-
gerückt, und haben diese Höle gemacht, in welcher noch jezt zu Zeiten
einige Stücke herunter fallen.

Von dem Closter geht man gegen Abend über eine Höhe, her-Das kalte
Bad auf der
Rigi.

nach wiedrum ein wenig hinab, allezeit gegen Abend fort in das kalte
Bad, welches ein von drey Fels-Wänden und einer Einsidler-Hütte
eingeschlossner viereckigter Platz ist, in welchem ein höltzerner Bad-
kasten stehet, der von einem zwischen zwey Felsen hervor fliessenden
Wasser allezeit angefüllet bleibt. Bemeldte drey Fels-Wände sind
nicht hoch, und gehen fast senckelrecht in die Höhe, sie stehen auch in
zwey rechten Winckeln aneinander, als wenn sie durch die Kunst so
wären gesetzt worden, diesen Platz einzuschliessen. Dieser Grund-Riß
in beygelegtem Kupfer Fig. 1. kan einen Begriff davon geben. a b c
sind die drey Fels-Wände, welche den Platz einschliessen, d eine Ein-
sidler-Hütte, e eine Capell, f ein Spalt in dem Felsen, wo das Wasser
auf dem Boden hervor laufft, g der höltzerne Badkasten oder Wasser-

trog,
E

des Schweitzerlandes.
genehm, und ſtehen viele Tann-Baͤume da, welche, bis an den Bo-
den mit Aeſten beladen, von Natur in ſchoͤne Piramiden geſtaltet ſind,
daß man in Gaͤrten keine ſchoͤnere antrifft.

Eine viertel Stund von dieſem Orte liegt das ſogenannte Bruder-Berg-Hoͤle.
Balm, eine ſehr weite, aber gantz niedrige Berg-Hoͤle. Es ſind
hier keine Felß-Steine, ſonder eine Art natuͤrlicher Mauren, da
eine groſſe Menge verſchiedner kleiner Steingen durch eine gewiſſe
ſandigte Materie zuſammen gemauert worden. Dieſe Steine ſiehet
man faſt uͤberall an der Rigi bis auf den oberſten Gipfel derſelben.
Jch wil bald etwas mehr davon ſagen. Jn eine ſolche natuͤrliche
Maur hinein geht die bemeldte Berg-Hoͤle, welche ſich ſehr weit er-
ſtrecken ſoll. Wir ſind zimlich weit hinein gegangen, oder vielmehr
gekrochen, haben aber nicht das geringſte, auſſer bemeldten Steingen,
woraus dieſe Mauren zuſammen geſezt ſind, angetroffen, ausgenom-
men ein paar von dem abtropfenden Waſſer erzeugte ſteinerne Saͤulen,Toffſteine.
welche ſo hart waren, daß wir mit groſſer Muͤhe und hiezu geſchickten
Jnſtrumenten nur einige kleine Stuͤckgen abſchlagen konten. Dieſes
iſt eine Art des Stalactites, der auswendig gelb und hart, inwendig
aber etwas roth und durchloͤchert iſt, und ſich zerreiben laͤßt.

Der Urſprung dieſer Hoͤle laͤßt ſich leicht erklaͤren, wenn manUrſprung
dieſer Hoͤle.

annimmt, daß der Boden, worauf die bemeldten Fels-Mauren ſte-
hen, ſich um etwas geſetzt habe. Denn da dieſe natuͤrliche Mauren
nicht ſo feſt aneinander halten, wie die Fels-Steine, ſo ſind ſie nach-
geruͤckt, und haben dieſe Hoͤle gemacht, in welcher noch jezt zu Zeiten
einige Stuͤcke herunter fallen.

Von dem Cloſter geht man gegen Abend uͤber eine Hoͤhe, her-Das kalte
Bad auf der
Rigi.

nach wiedrum ein wenig hinab, allezeit gegen Abend fort in das kalte
Bad, welches ein von drey Fels-Waͤnden und einer Einſidler-Huͤtte
eingeſchloſſner viereckigter Platz iſt, in welchem ein hoͤltzerner Bad-
kaſten ſtehet, der von einem zwiſchen zwey Felſen hervor flieſſenden
Waſſer allezeit angefuͤllet bleibt. Bemeldte drey Fels-Waͤnde ſind
nicht hoch, und gehen faſt ſenckelrecht in die Hoͤhe, ſie ſtehen auch in
zwey rechten Winckeln aneinander, als wenn ſie durch die Kunſt ſo
waͤren geſetzt worden, dieſen Platz einzuſchlieſſen. Dieſer Grund-Riß
in beygelegtem Kupfer Fig. 1. kan einen Begriff davon geben. a b c
ſind die drey Fels-Waͤnde, welche den Platz einſchlieſſen, d eine Ein-
ſidler-Huͤtte, e eine Capell, f ein Spalt in dem Felſen, wo das Waſſer
auf dem Boden hervor laufft, g der hoͤltzerne Badkaſten oder Waſſer-

trog,
E
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[33/0037] des Schweitzerlandes. genehm, und ſtehen viele Tann-Baͤume da, welche, bis an den Bo- den mit Aeſten beladen, von Natur in ſchoͤne Piramiden geſtaltet ſind, daß man in Gaͤrten keine ſchoͤnere antrifft. Eine viertel Stund von dieſem Orte liegt das ſogenannte Bruder- Balm, eine ſehr weite, aber gantz niedrige Berg-Hoͤle. Es ſind hier keine Felß-Steine, ſonder eine Art natuͤrlicher Mauren, da eine groſſe Menge verſchiedner kleiner Steingen durch eine gewiſſe ſandigte Materie zuſammen gemauert worden. Dieſe Steine ſiehet man faſt uͤberall an der Rigi bis auf den oberſten Gipfel derſelben. Jch wil bald etwas mehr davon ſagen. Jn eine ſolche natuͤrliche Maur hinein geht die bemeldte Berg-Hoͤle, welche ſich ſehr weit er- ſtrecken ſoll. Wir ſind zimlich weit hinein gegangen, oder vielmehr gekrochen, haben aber nicht das geringſte, auſſer bemeldten Steingen, woraus dieſe Mauren zuſammen geſezt ſind, angetroffen, ausgenom- men ein paar von dem abtropfenden Waſſer erzeugte ſteinerne Saͤulen, welche ſo hart waren, daß wir mit groſſer Muͤhe und hiezu geſchickten Jnſtrumenten nur einige kleine Stuͤckgen abſchlagen konten. Dieſes iſt eine Art des Stalactites, der auswendig gelb und hart, inwendig aber etwas roth und durchloͤchert iſt, und ſich zerreiben laͤßt. Berg-Hoͤle. Toffſteine. Der Urſprung dieſer Hoͤle laͤßt ſich leicht erklaͤren, wenn man annimmt, daß der Boden, worauf die bemeldten Fels-Mauren ſte- hen, ſich um etwas geſetzt habe. Denn da dieſe natuͤrliche Mauren nicht ſo feſt aneinander halten, wie die Fels-Steine, ſo ſind ſie nach- geruͤckt, und haben dieſe Hoͤle gemacht, in welcher noch jezt zu Zeiten einige Stuͤcke herunter fallen. Urſprung dieſer Hoͤle. Von dem Cloſter geht man gegen Abend uͤber eine Hoͤhe, her- nach wiedrum ein wenig hinab, allezeit gegen Abend fort in das kalte Bad, welches ein von drey Fels-Waͤnden und einer Einſidler-Huͤtte eingeſchloſſner viereckigter Platz iſt, in welchem ein hoͤltzerner Bad- kaſten ſtehet, der von einem zwiſchen zwey Felſen hervor flieſſenden Waſſer allezeit angefuͤllet bleibt. Bemeldte drey Fels-Waͤnde ſind nicht hoch, und gehen faſt ſenckelrecht in die Hoͤhe, ſie ſtehen auch in zwey rechten Winckeln aneinander, als wenn ſie durch die Kunſt ſo waͤren geſetzt worden, dieſen Platz einzuſchlieſſen. Dieſer Grund-Riß in beygelegtem Kupfer Fig. 1. kan einen Begriff davon geben. a b c ſind die drey Fels-Waͤnde, welche den Platz einſchlieſſen, d eine Ein- ſidler-Huͤtte, e eine Capell, f ein Spalt in dem Felſen, wo das Waſſer auf dem Boden hervor laufft, g der hoͤltzerne Badkaſten oder Waſſer- trog, Das kalte Bad auf der Rigi. E

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Beschreibung einiger Merckwüdigkeiten, Welche er in einer Ao. 1742. gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat. Zürich, 1742, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1742/37>, abgerufen am 19.04.2024.