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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
Justin und die Rabbinen vorzugsweise die Seelen der Rie-
sen, der Abkömmlinge jener Engel, welche sich mit den
Töchtern der Menschen vermischten, und die Rabbinen
ferner noch die Seelen der in der Sündfluth Umgekomme-
nen und der Theilhaber am babylonischen Thurmbau als
Plagegeister für die Überlebenden 23), womit auch die
Klementinen zusammenstimmen, nach welchen gleichfall;
jene zu Dämonen gewordenen Riesenseelen sich als die
stärkeren an menschliche Seelen zu hängen, und in Men-
schenleiber zu fahren suchen 24). Da nun in der ersteren
weiter lautenden Stelle Justin den Heiden aus ihren ei-
genen Vorstellungen heraus die Unsterblichkeit beweisen
will, so ist die Ansicht von den Dämonen als Seelen Ver-
storbener überhaupt, welche er dort äussert, zumal sein
Schüler Tatian sich ausdrücklich gegen diese Vorstellung
erklärt 25), schwerlich als seine eigene zu betrachten;
Josephus aber entscheidet für die im N. T. zum Grunde

sen (im Unterschied vom glgvl oder der eigentlichen See-
lenwanderung, d. h. der Versetzung abgeschiedener Seelen
in eben sich bildende Kinderleiber) zu der Seele eines Le-
benden die eines Verstorbenen als verstärkender Zusaz sich
gesellt (s. Eisenmenger, 2. S. 85 ff.). Allein, dass in dem
egerthe nicht diese, sondern die Vorstellung einer wirklichen
Auferstehung des Täufers liege, hat u. A. Fritzsche z. d. St.
gezeigt, und wenn auch jene, so wäre doch hier von einem
ganz andern Verhältniss die Rede, als von dem der dämoni-
schen Besitzung. Hier wäre es nämlich ein guter Geist, der
in einen Propheten zur Verstärkung seiner Kraft übergegan-
gen wäre, wie nach späterer jüdischer Vorstellung Seths Seele
zu der des Moses, und wieder Moses und Aarons Seelen zu
der des Samuel sich gesellt haben (Eisenmenger, a. a. O.),
woraus aber die Möglichkeit eines Übergangs böser Seelen
in Lebende noch keineswegs folgen würde.
23) Justin. Apol. 2, 5. Eisenmenger, a. a. O. S. 428 ff.
24) Homil. 8, 18 f. 9, 9 f.
25) Orat. contra Graecos, 16.

Zweiter Abschnitt.
Justin und die Rabbinen vorzugsweise die Seelen der Rie-
sen, der Abkömmlinge jener Engel, welche sich mit den
Töchtern der Menschen vermischten, und die Rabbinen
ferner noch die Seelen der in der Sündfluth Umgekomme-
nen und der Theilhaber am babylonischen Thurmbau als
Plagegeister für die Überlebenden 23), womit auch die
Klementinen zusammenstimmen, nach welchen gleichfall;
jene zu Dämonen gewordenen Riesenseelen sich als die
stärkeren an menschliche Seelen zu hängen, und in Men-
schenleiber zu fahren suchen 24). Da nun in der ersteren
weiter lautenden Stelle Justin den Heiden aus ihren ei-
genen Vorstellungen heraus die Unsterblichkeit beweisen
will, so ist die Ansicht von den Dämonen als Seelen Ver-
storbener überhaupt, welche er dort äussert, zumal sein
Schüler Tatian sich ausdrücklich gegen diese Vorstellung
erklärt 25), schwerlich als seine eigene zu betrachten;
Josephus aber entscheidet für die im N. T. zum Grunde

sen (im Unterschied vom גﬥגוﬥ oder der eigentlichen See-
lenwanderung, d. h. der Versetzung abgeschiedener Seelen
in eben sich bildende Kinderleiber) zu der Seele eines Le-
benden die eines Verstorbenen als verstärkender Zusaz sich
gesellt (s. Eisenmenger, 2. S. 85 ff.). Allein, dass in dem
ἠγέρϑη nicht diese, sondern die Vorstellung einer wirklichen
Auferstehung des Täufers liege, hat u. A. Fritzsche z. d. St.
gezeigt, und wenn auch jene, so wäre doch hier von einem
ganz andern Verhältniss die Rede, als von dem der dämoni-
schen Besitzung. Hier wäre es nämlich ein guter Geist, der
in einen Propheten zur Verstärkung seiner Kraft übergegan-
gen wäre, wie nach späterer jüdischer Vorstellung Seths Seele
zu der des Moses, und wieder Moses und Aarons Seelen zu
der des Samuel sich gesellt haben (Eisenmenger, a. a. O.),
woraus aber die Möglichkeit eines Übergangs böser Seelen
in Lebende noch keineswegs folgen würde.
23) Justin. Apol. 2, 5. Eisenmenger, a. a. O. S. 428 ff.
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25) Orat. contra Graecos, 16.
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[12/0031] Zweiter Abschnitt. Justin und die Rabbinen vorzugsweise die Seelen der Rie- sen, der Abkömmlinge jener Engel, welche sich mit den Töchtern der Menschen vermischten, und die Rabbinen ferner noch die Seelen der in der Sündfluth Umgekomme- nen und der Theilhaber am babylonischen Thurmbau als Plagegeister für die Überlebenden 23), womit auch die Klementinen zusammenstimmen, nach welchen gleichfall; jene zu Dämonen gewordenen Riesenseelen sich als die stärkeren an menschliche Seelen zu hängen, und in Men- schenleiber zu fahren suchen 24). Da nun in der ersteren weiter lautenden Stelle Justin den Heiden aus ihren ei- genen Vorstellungen heraus die Unsterblichkeit beweisen will, so ist die Ansicht von den Dämonen als Seelen Ver- storbener überhaupt, welche er dort äussert, zumal sein Schüler Tatian sich ausdrücklich gegen diese Vorstellung erklärt 25), schwerlich als seine eigene zu betrachten; Josephus aber entscheidet für die im N. T. zum Grunde 22) 23) Justin. Apol. 2, 5. Eisenmenger, a. a. O. S. 428 ff. 24) Homil. 8, 18 f. 9, 9 f. 25) Orat. contra Graecos, 16. 22) sen (im Unterschied vom גﬥגוﬥ oder der eigentlichen See- lenwanderung, d. h. der Versetzung abgeschiedener Seelen in eben sich bildende Kinderleiber) zu der Seele eines Le- benden die eines Verstorbenen als verstärkender Zusaz sich gesellt (s. Eisenmenger, 2. S. 85 ff.). Allein, dass in dem ἠγέρϑη nicht diese, sondern die Vorstellung einer wirklichen Auferstehung des Täufers liege, hat u. A. Fritzsche z. d. St. gezeigt, und wenn auch jene, so wäre doch hier von einem ganz andern Verhältniss die Rede, als von dem der dämoni- schen Besitzung. Hier wäre es nämlich ein guter Geist, der in einen Propheten zur Verstärkung seiner Kraft übergegan- gen wäre, wie nach späterer jüdischer Vorstellung Seths Seele zu der des Moses, und wieder Moses und Aarons Seelen zu der des Samuel sich gesellt haben (Eisenmenger, a. a. O.), woraus aber die Möglichkeit eines Übergangs böser Seelen in Lebende noch keineswegs folgen würde.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/31>, abgerufen am 16.04.2024.