Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie standen jetzt Beide am Fenster; er hatte den Arm um sie gelegt, sie lehnte den Kopf an seine Brust. Ein paar Mal, aber immer schwächer, wehten noch die Töne zu ihnen her; dann wurde Alles still, so still, daß er es hörte, wie ihr der Athem immer schwerer ging.

"Fehlt dir etwas, Franzi?" fragte er.

"Nein; was sollte mir fehlen?"

Er schwieg; aber sie drängte ihr Köpfchen fester an seine Brust. "Du!" sagte sie, als brächte sie es mühsam nur hervor.

"Ja, Franzi?"

"Du - warum heirathen wir uns nicht?"

Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag; eine Kette qualvoller Erinnerungen tauchte in ihm auf; die Welt streckte ihre grobe Hand nach seinem Glücke aus.

"Wir, Franzi?" wiederholte er, scheinbar ruhig. "Wozu? Was würde dadurch anders werden?"

"Freilich!" Sie sann einen Augenblick nach. "Aber wir lieben uns ja doch!"

"Ja, Franzi! Aber - er blickte ihr tief in die

Sie standen jetzt Beide am Fenster; er hatte den Arm um sie gelegt, sie lehnte den Kopf an seine Brust. Ein paar Mal, aber immer schwächer, wehten noch die Töne zu ihnen her; dann wurde Alles still, so still, daß er es hörte, wie ihr der Athem immer schwerer ging.

„Fehlt dir etwas, Franzi?“ fragte er.

„Nein; was sollte mir fehlen?“

Er schwieg; aber sie drängte ihr Köpfchen fester an seine Brust. „Du!“ sagte sie, als brächte sie es mühsam nur hervor.

„Ja, Franzi?“

„Du – warum heirathen wir uns nicht?“

Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag; eine Kette qualvoller Erinnerungen tauchte in ihm auf; die Welt streckte ihre grobe Hand nach seinem Glücke aus.

„Wir, Franzi?“ wiederholte er, scheinbar ruhig. „Wozu? Was würde dadurch anders werden?“

„Freilich!“ Sie sann einen Augenblick nach. „Aber wir lieben uns ja doch!“

„Ja, Franzi! Aber – er blickte ihr tief in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0073" n="69"/>
        <p>Sie standen jetzt Beide am Fenster; er hatte den Arm um sie gelegt, sie lehnte den Kopf an seine Brust. Ein paar Mal, aber immer schwächer, wehten noch die Töne zu ihnen her; dann wurde Alles still, so still, daß er es hörte, wie ihr der Athem immer schwerer ging.</p>
        <p>&#x201E;Fehlt dir etwas, Franzi?&#x201C; fragte er.</p>
        <p>&#x201E;Nein; was sollte mir fehlen?&#x201C;</p>
        <p>Er schwieg; aber sie drängte ihr Köpfchen fester an seine Brust. &#x201E;Du!&#x201C; sagte sie, als brächte sie es mühsam nur hervor.</p>
        <p>&#x201E;Ja, Franzi?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Du &#x2013; warum heirathen wir uns nicht?&#x201C;</p>
        <p>Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag; eine Kette qualvoller Erinnerungen tauchte in ihm auf; die Welt streckte ihre grobe Hand nach seinem Glücke aus.</p>
        <p>&#x201E;Wir, Franzi?&#x201C; wiederholte er, scheinbar ruhig. &#x201E;Wozu? Was würde dadurch anders werden?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Freilich!&#x201C; Sie sann einen Augenblick nach. &#x201E;Aber wir lieben uns ja doch!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, Franzi! Aber &#x2013; er blickte ihr tief in die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0073] Sie standen jetzt Beide am Fenster; er hatte den Arm um sie gelegt, sie lehnte den Kopf an seine Brust. Ein paar Mal, aber immer schwächer, wehten noch die Töne zu ihnen her; dann wurde Alles still, so still, daß er es hörte, wie ihr der Athem immer schwerer ging. „Fehlt dir etwas, Franzi?“ fragte er. „Nein; was sollte mir fehlen?“ Er schwieg; aber sie drängte ihr Köpfchen fester an seine Brust. „Du!“ sagte sie, als brächte sie es mühsam nur hervor. „Ja, Franzi?“ „Du – warum heirathen wir uns nicht?“ Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag; eine Kette qualvoller Erinnerungen tauchte in ihm auf; die Welt streckte ihre grobe Hand nach seinem Glücke aus. „Wir, Franzi?“ wiederholte er, scheinbar ruhig. „Wozu? Was würde dadurch anders werden?“ „Freilich!“ Sie sann einen Augenblick nach. „Aber wir lieben uns ja doch!“ „Ja, Franzi! Aber – er blickte ihr tief in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/73
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/73>, abgerufen am 20.04.2024.