Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

zwang ihn ein Fieber, im Bett zu bleiben! Bald mußten wir einen Arzt holen, und es entwickelte sich ein längeres Krankenlager. In Besorgniß, daß sie dadurch in Noth gerathen könnten, bot ich Lisei meine Geldmittel zur Hülfe an; aber sie sagte: "I nimm's ja gern von dir; doch sorg nur nit, wir sind nit gar so karg." Da blieb mir denn nichts Anderes zu thun, als in der Nachtwache mit ihr zu wechseln, oder, als es dem Kranken besser ging, am Feierabend ein Stündchen an seinem Bett zu plaudern.

So war die Zeit meiner Abreise herangenaht, und mir wurde das Herz immer schwerer. Es that mir fast weh, das Lisei anzusehen; denn bald fuhr es ja auch mit seinem Vater von hier wieder in die weite Welt hinaus. Wenn sie nur eine Heimath gehabt hätten! Aber wo waren sie zu finden, wenn ich Gruß und Nachricht zu ihnen senden wollte! Ich dachte an die zwölf Jahre seit unserem ersten Abschied; - sollte wieder so lange Zeit vergehen, oder am Ende gar das ganze Leben?

"Und grüß mir aa dein Vaterhaus, wenn du heimkommst!" sagte Lisei, da sie am letzten Abend mich

zwang ihn ein Fieber, im Bett zu bleiben! Bald mußten wir einen Arzt holen, und es entwickelte sich ein längeres Krankenlager. In Besorgniß, daß sie dadurch in Noth gerathen könnten, bot ich Lisei meine Geldmittel zur Hülfe an; aber sie sagte: „I nimm’s ja gern von dir; doch sorg nur nit, wir sind nit gar so karg.“ Da blieb mir denn nichts Anderes zu thun, als in der Nachtwache mit ihr zu wechseln, oder, als es dem Kranken besser ging, am Feierabend ein Stündchen an seinem Bett zu plaudern.

So war die Zeit meiner Abreise herangenaht, und mir wurde das Herz immer schwerer. Es that mir fast weh, das Lisei anzusehen; denn bald fuhr es ja auch mit seinem Vater von hier wieder in die weite Welt hinaus. Wenn sie nur eine Heimath gehabt hätten! Aber wo waren sie zu finden, wenn ich Gruß und Nachricht zu ihnen senden wollte! Ich dachte an die zwölf Jahre seit unserem ersten Abschied; – sollte wieder so lange Zeit vergehen, oder am Ende gar das ganze Leben?

„Und grüß mir aa dein Vaterhaus, wenn du heimkommst!“ sagte Lisei, da sie am letzten Abend mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="196"/>
zwang ihn ein Fieber, im Bett zu bleiben! Bald mußten wir einen Arzt holen, und es entwickelte sich ein längeres Krankenlager. In Besorgniß, daß sie dadurch in Noth gerathen könnten, bot ich Lisei meine Geldmittel zur Hülfe an; aber sie sagte: &#x201E;I nimm&#x2019;s ja gern von dir; doch sorg nur nit, wir sind nit gar so karg.&#x201C; Da blieb mir denn nichts Anderes zu thun, als in der Nachtwache mit ihr zu wechseln, oder, als es dem Kranken besser ging, am Feierabend ein Stündchen an seinem Bett zu plaudern.</p>
        <p>So war die Zeit meiner Abreise herangenaht, und mir wurde das Herz immer schwerer. Es that mir fast weh, das Lisei anzusehen; denn bald fuhr es ja auch mit seinem Vater von hier wieder in die weite Welt hinaus. Wenn sie nur eine Heimath gehabt hätten! Aber wo waren sie zu finden, wenn ich Gruß und Nachricht zu ihnen senden wollte! Ich dachte an die zwölf Jahre seit unserem ersten Abschied; &#x2013; sollte wieder so lange Zeit vergehen, oder am Ende gar das ganze Leben?</p>
        <p>&#x201E;Und grüß mir aa dein Vaterhaus, wenn du heimkommst!&#x201C; sagte Lisei, da sie am letzten Abend mich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0200] zwang ihn ein Fieber, im Bett zu bleiben! Bald mußten wir einen Arzt holen, und es entwickelte sich ein längeres Krankenlager. In Besorgniß, daß sie dadurch in Noth gerathen könnten, bot ich Lisei meine Geldmittel zur Hülfe an; aber sie sagte: „I nimm’s ja gern von dir; doch sorg nur nit, wir sind nit gar so karg.“ Da blieb mir denn nichts Anderes zu thun, als in der Nachtwache mit ihr zu wechseln, oder, als es dem Kranken besser ging, am Feierabend ein Stündchen an seinem Bett zu plaudern. So war die Zeit meiner Abreise herangenaht, und mir wurde das Herz immer schwerer. Es that mir fast weh, das Lisei anzusehen; denn bald fuhr es ja auch mit seinem Vater von hier wieder in die weite Welt hinaus. Wenn sie nur eine Heimath gehabt hätten! Aber wo waren sie zu finden, wenn ich Gruß und Nachricht zu ihnen senden wollte! Ich dachte an die zwölf Jahre seit unserem ersten Abschied; – sollte wieder so lange Zeit vergehen, oder am Ende gar das ganze Leben? „Und grüß mir aa dein Vaterhaus, wenn du heimkommst!“ sagte Lisei, da sie am letzten Abend mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/200
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/200>, abgerufen am 16.04.2024.