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Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

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mit ihrer Klage. - Sie hatten in das Dorf zurückgemußt; das Fuhrwerk mit Allem, was darauf geladen, war vom Schulzen dort zurückgehalten worden; der alte Tendler aber hatte die Weisung erhalten, den Weg zur Stadt neben dem Pferde des Landreiters herzutraben. Lisei, von dem Letzteren mehrfach zurückgewiesen, war in einiger Entfernung hinterher gegangen, in der Zuversicht, daß sie wenigstens, bis der liebe Gott die Sache aufkläre, das Gefängniß ihres Vaters werde theilen können. Aber - auf ihr ruhte kein Verdacht; mit Recht hatte der Inspector sie als eine Zudringliche von der Thür gejagt, die auf ein Unterkommen in seinem Hause nicht den geringsten Anspruch habe.

Lisei wollte das zwar noch immer nicht begreifen; sie meinte, das sei ja härter als alle Strafe, die später doch gewiß den wirklichen Spitzbuben noch ereilen würde; aber, fügte sie gleich hinzu, sie wolle ihm auch so harte Straf' nit wünschen, wenn nur die Unschuld von ihrem guten Vaterl an den Tag komme; ach, der werd's gewiß nit überleben!

Ich besann mich plötzlich, daß ich sowohl dem alten

mit ihrer Klage. – Sie hatten in das Dorf zurückgemußt; das Fuhrwerk mit Allem, was darauf geladen, war vom Schulzen dort zurückgehalten worden; der alte Tendler aber hatte die Weisung erhalten, den Weg zur Stadt neben dem Pferde des Landreiters herzutraben. Lisei, von dem Letzteren mehrfach zurückgewiesen, war in einiger Entfernung hinterher gegangen, in der Zuversicht, daß sie wenigstens, bis der liebe Gott die Sache aufkläre, das Gefängniß ihres Vaters werde theilen können. Aber – auf ihr ruhte kein Verdacht; mit Recht hatte der Inspector sie als eine Zudringliche von der Thür gejagt, die auf ein Unterkommen in seinem Hause nicht den geringsten Anspruch habe.

Lisei wollte das zwar noch immer nicht begreifen; sie meinte, das sei ja härter als alle Strafe, die später doch gewiß den wirklichen Spitzbuben noch ereilen würde; aber, fügte sie gleich hinzu, sie wolle ihm auch so harte Straf’ nit wünschen, wenn nur die Unschuld von ihrem guten Vaterl an den Tag komme; ach, der werd’s gewiß nit überleben!

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[188/0192] mit ihrer Klage. – Sie hatten in das Dorf zurückgemußt; das Fuhrwerk mit Allem, was darauf geladen, war vom Schulzen dort zurückgehalten worden; der alte Tendler aber hatte die Weisung erhalten, den Weg zur Stadt neben dem Pferde des Landreiters herzutraben. Lisei, von dem Letzteren mehrfach zurückgewiesen, war in einiger Entfernung hinterher gegangen, in der Zuversicht, daß sie wenigstens, bis der liebe Gott die Sache aufkläre, das Gefängniß ihres Vaters werde theilen können. Aber – auf ihr ruhte kein Verdacht; mit Recht hatte der Inspector sie als eine Zudringliche von der Thür gejagt, die auf ein Unterkommen in seinem Hause nicht den geringsten Anspruch habe. Lisei wollte das zwar noch immer nicht begreifen; sie meinte, das sei ja härter als alle Strafe, die später doch gewiß den wirklichen Spitzbuben noch ereilen würde; aber, fügte sie gleich hinzu, sie wolle ihm auch so harte Straf’ nit wünschen, wenn nur die Unschuld von ihrem guten Vaterl an den Tag komme; ach, der werd’s gewiß nit überleben! Ich besann mich plötzlich, daß ich sowohl dem alten

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/192>, abgerufen am 16.04.2024.