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Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

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Die Sonne stieg höher, an den Tapeten leuchteten die Blumen der Vergessenheit. Richard hatte die Augen noch immer nach dem Bilde. Es war sein eigenes Angesicht, in das er blickte.



Der October war ins Land gekommen. Im Kruge zu Föhrenschwarzeck saßen eines Nachmittags der Wirth und der kleine Krämer aus der Stadt sich gegenüber. Der ganze Tisch war voll von Kreidezahlen, sie hatten wieder einmal Quartalstag gehalten; das Facit war gezogen und genehmigt worden; die noch übrige Zeit gehörte vergnüglicheren Gesprächen, und sie waren auch schon in vollem Gange.

Casper-Ohm begann soeben von dem Boden der gemeinen Wirklichkeit emporzusteigen. "Ihr mögt mir's glauben," sagte er geheimnißvoll, "es ist sein eigen Blut gewesen; freilich hat er's nicht Wort haben wollen, denn sie ist auf den Namen Fedders getauft und bei einem Magister aufgezogen worden; sogar einen eigenen Vormund hat er ihr von Gerichtswegen setzen lassen!"

Die Sonne stieg höher, an den Tapeten leuchteten die Blumen der Vergessenheit. Richard hatte die Augen noch immer nach dem Bilde. Es war sein eigenes Angesicht, in das er blickte.



Der October war ins Land gekommen. Im Kruge zu Föhrenschwarzeck saßen eines Nachmittags der Wirth und der kleine Krämer aus der Stadt sich gegenüber. Der ganze Tisch war voll von Kreidezahlen, sie hatten wieder einmal Quartalstag gehalten; das Facit war gezogen und genehmigt worden; die noch übrige Zeit gehörte vergnüglicheren Gesprächen, und sie waren auch schon in vollem Gange.

Casper-Ohm begann soeben von dem Boden der gemeinen Wirklichkeit emporzusteigen. „Ihr mögt mir’s glauben,“ sagte er geheimnißvoll, „es ist sein eigen Blut gewesen; freilich hat er’s nicht Wort haben wollen, denn sie ist auf den Namen Fedders getauft und bei einem Magister aufgezogen worden; sogar einen eigenen Vormund hat er ihr von Gerichtswegen setzen lassen!“

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[108/0112] Die Sonne stieg höher, an den Tapeten leuchteten die Blumen der Vergessenheit. Richard hatte die Augen noch immer nach dem Bilde. Es war sein eigenes Angesicht, in das er blickte. Der October war ins Land gekommen. Im Kruge zu Föhrenschwarzeck saßen eines Nachmittags der Wirth und der kleine Krämer aus der Stadt sich gegenüber. Der ganze Tisch war voll von Kreidezahlen, sie hatten wieder einmal Quartalstag gehalten; das Facit war gezogen und genehmigt worden; die noch übrige Zeit gehörte vergnüglicheren Gesprächen, und sie waren auch schon in vollem Gange. Casper-Ohm begann soeben von dem Boden der gemeinen Wirklichkeit emporzusteigen. „Ihr mögt mir’s glauben,“ sagte er geheimnißvoll, „es ist sein eigen Blut gewesen; freilich hat er’s nicht Wort haben wollen, denn sie ist auf den Namen Fedders getauft und bei einem Magister aufgezogen worden; sogar einen eigenen Vormund hat er ihr von Gerichtswegen setzen lassen!“

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/112>, abgerufen am 29.03.2024.